Das einstige Wohn- und Atelierhaus von Joseph Beuys in Düsseldorf macht jetzt die Brunhilde Moll Stiftung zu ihrem Sitz und auf Dauer öffentlich zugänglich.
Lange war unklar, was mit dem einstigen Wohn- und Atelierhaus von Joseph Beuys in Düsseldorf werden soll. Das Land NRW zeigte kein Interesse. Und so landete die Wirkungsstätte des Jahrhundertkünstlers schließlich als Luxus-Immobilie auf dem freien Markt. Doch nun wendet sich noch alles zum Guten: Die Brunhilde Moll Stiftung ist eingesprungen, macht den Altbau in Oberkassel zu ihrem Sitz und auf Dauer öffentlich zugänglich.
Joseph Beuys hatte sein Zeug in einen Lederkoffer gepackt. Seiner Frau Eva reichte ein kleiner Korb von der Großmutter. Es war ein denkbar unkomplizierter Umzug, den das junge Paar im März 1961 bewerkstelligte. Gotthard Graubner war schon vor Ort in Oberkassel, konnte sich aber die Miete allein nicht leisten. Deshalb hatte er sich das Ehepaar Beuys als Mitbewohner im schönen Altbau am Drakeplatz 4 ausgeguckt – heute eine ziemlich wohlhabende Gegend. Eva und Joseph lebten hier jedoch mehr als schlicht, bald mit den beiden Kindern Wenzel und Jessyka.
Bis zu seinem Tod 1986 ging Beuys ein und aus am Drakeplatz – und nicht nur er. Auch allerhand Prominenz kam zu Besuch – sogar Andy Warhol soll einmal vorbeigeschaut haben. »Sein Atelier war stets voller Leute«, erinnerte sich der Beuys-Freund Franz Joseph van der Grinten. »Ein riesiger Raum, der auch als Wohnzimmer diente, alle rauchten wie Kraftwerke. Mittendrin das Kinderbett.«
Wie mag es dort heute aussehen? Gespannt klopft man an die große Holztür und wird empfangen von Elza Czarnowski, Künstlerische Leiterin der Moll Stiftung, von Gerhard Finckh, ehemals Direktor des Wuppertaler Von der Heydt-Museums, und vom Lärm eines Bohrers, der die letzten Umbauarbeiten begleitet. In den vergangenen Monaten ist das alte Atelier-Haus, wo seit 1908 etliche Künstler gelebt und gewirkt hatten, zum schicken Stiftungssitz aufgemöbelt worden. Es scheint wie gemacht für die 2020 gegründete Brunhilde Moll Stiftung, die neben der Hirnforschung an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität auch Kunst und Kultur fördert und vor allem Bildende Künstler*innen unterstützen will.
Die Rechnung geht auf, so scheint es auch beim Rundgang durchs Haus, das man mit Vorsicht und Bedacht an die neue Funktion angepasst hat. Verändert wurde nur das Nötige – so konnte auch das quietschrosa Badezimmer der Familie Beuys seine Fliesen behalten. Ins obere Stockwerk könnten bald schon Stipendiat*innen der Stiftung einziehen. Und die beiden großen Räume im Erdgeschoss sollen künftig Ausstellungen und Veranstaltungen Platz bieten.
Zum Einstand holen Finckh und Czarnowski eine kleine Beuys-Schau ins Haus. Alle Werke stammen aus der Ernst Franz Vogelmann Stiftung in Heilbronn und von dem Galeristen Bernd Klüser, der vor allem Stücke aus seinem privaten Fundus schickt, darunter viele, die er daheim gern um sich hat und selten verleiht.
Reizvoll die Vorstellung, dass Beuys diese Zeichnungen, Druckgrafiken, Multiples und Plastiken vor Ort am Drakeplatz erdacht und vielleicht auch geschaffen hat. Im großen Atelier und Denkraum, den der Künstler überwiegend für sich allein beanspruchte, oder nebenan in der multifunktionalen Wohnküche mit dem legendären Lederboden, den Eva Beuys beim Auszug mitgenommen hat. Heute ist hier Parkett verlegt.
Ein wenig Süden im Hof
Auch der große Kühlschrank, den man auf alten Fotos sehen kann, ist längst verschwunden. Ebenso der Herd, an dem Beuys seine Gäste gern rustikal bekochte. Und der Fernseher, vor dem sich die ganze Familie Anfang der 70er versammelt hatte, um »Raumschiff Enterprise« zu schauen. Nur jene unscheinbare Öffnung in der Ecke hinter der Tür blieb. Beuys hatte hier ein Ofenrohr entfernt und so »Das schwarze Loch« geschaffen. Es wird nun sicher auch von den neuen Besitzern gehegt und gepflegt.
Ebenso wie das Grün hinter dem Haus, in das der Blick vom Atelier aus fällt. Nur ein Schritt und schon steht man im Hof, den Beuys so liebte und als sein Paradiesgärtlein anlegte. Mit Myrte, Lorbeer und Olive zauberte er sich ein wenig Süden an den Drakeplatz. Der kleine, stabile Gartentisch mit Marmorplatte, an dem der Künstler wohl manchmal arbeitete, hat über die Jahrzehnte gehalten. Und den stattlichen Feigenbaum, der mitten im Hof gedeiht, soll er persönlich gepflanzt haben. Auch jener Rosenstrauch, der sich bis heute an die Mauer lehnt, hat Geschichte. Denn ab und zu, so sagt man, habe Beuys von eben jenem Busch eine Blüte abgeschnitten und in eine Art Reagenzglas gestellt: Die »Rose für direkte Demokratie« begleitete ihn seit der documenta 5 (1972) bei vielen, vielen politischen Diskussionen, die er als Künstler und als Gründungsmitglied der Grünen führte.
Petra Kelly gehörte wohl auch auf die lange Liste der illustren Gäste am Drakeplatz. In der Eröffnungsausstellung erzählt jetzt ein überaus origineller Plakatentwurf vom grünen Kapitel im Schaffen von Beuys. Im Zentrum steht die Skulptur »Der Unbesiegbare« – in Wirklichkeit ein kleiner Knetgummihase, der auf dem Wahlplakat von einem bewaffneten Spielzeugsoldaten bedroht wird. Bei den Parteigenossen fand die Idee wenig Zuspruch. Doch zeigt sie einmal mehr, wie eng für Beuys alles zusammenhing: Leben und Kunst, Kochen, Kinder, Politik, Protest, direkte Demokratie auf der documenta und die Rose aus dem eigenen Garten am Drakeplatz 4 in Düsseldorf-Oberkassel.
Ausstellung: »Joseph Beuys, Drakeplatz 4«, Drakeplatz 4, Düsseldorf
bis 15. Januar 2025