… im Kulturland NRW? Welche Stühle werden neu besetzt? Ein kleiner Ausblick der kultur.west-Redaktion.
Ins Licht
Jens Stöcker hat das Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Richtung Köln verlassen, das an der Schwelle zu einem Neuanfang steht.
Wer das Foyer des MKK in Dortmund betritt, schaut erstmal ins Dunkle. Das Art Déco-Gebäude am Hauptbahnhof war einmal eine Bank – der Blick geht so zunächst auf den Empfang und den alten Tresorraum, hinter dem erst der imposante Lichthof liegt. Das könnte sich ändern und der Zugang künftig hinauf ins Licht wandern, wenn das Haus nicht nur saniert, sondern auch umgebaut würde. Der Blick ginge dann vom Foyer bis in die Rotunde hinein. Gute Aussichten! Ein Umbaukonzept und Museumsentwicklungsplan ist jedenfalls schon da, ein Zentraldepot geplant. Bis das alles allerdings womöglich (trotz schwieriger Haushaltslage) real wird, ist noch der Chefposten neu zu besetzen: Der bisherige Direktor Jens Stöcker ist nach acht Jahren Abteilungsleiter für Museumsberatung und regionale Kulturförderung beim Landschaftsverband Rheinland geworden. Das Ruder hält seitdem der bisherige Vize-Chef und Sammlungsleiter Christian Walda. AKI
In die Steinzeit
Im Januar 2019 wurde Doreen Mölders Direktorin des LWL-Museums für Archäologie und Kultur in Herne. Jetzt zieht es die Archäologin nach Frankfurt.
Das Museum und das Revier seien ihr »ans Herz gewachsen«, sagt Doreen Mölders. »In Herne hatten wir sehr viel Freiraum, um neue Formate auszuprobieren und Themen zu zeigen, die nicht unbedingt mit Archäologie in Verbindung gebracht werden.« Digitalisierung, Diversität, Demokratie oder Nachhaltigkeit hat Mölders (Jahrgang 1976) als Eckpfeiler im Programm verankert – das Haus kümmert sich um 280.000 Jahre Geschichte und spannt den Radius von der Alt-Steinzeit bis zum Zweiten Weltkrieg. An ihrem neuen Arbeitsplatz, dem Historischen Museum in Frankfurt, reize sie, dass es »zu den großen Stadtmuseen in Deutschland gehört, mit einer Sammlung aus mehr als 600.000 Objekten vom Mittelalter bis in die Gegenwart«. Ihre Stelle in Herne soll bis Sommer 2025 neu besetzt werden, bis dahin übernimmt die stellvertretende Leiterin Susanne Jülich. JR
In den Süden
Nach fast 30 Jahren verlässt Lars Henrik Gass die Oberhausener Kurzfilmtage.
Wer hätte gedacht, dass die lange Amtszeit von Hilmar Hoffmann (1954 bis 1970) noch zu überbieten gewesen wäre? Lars Henrik Gass (Jahrgang 1965) leitet die Oberhausener Kurzfilmtage seit 1997 und wird das 30. Jubiläum also knapp verfehlen, wenn er 2025 Gründungsdirektor des neuen Hauses für Film und Medien in Stuttgart wird. Er hat das Festival erweitert, (auch) für die (digitale) Zukunft. Daran wird sich zu orientieren sein. Er hat das Medium Film weitergedacht und theoretisch begründet, auch in der Tradition eines im guten Sinn konservativen Kunstbegriffs als kulturpolitische und ethische Verantwortung. Das hat ihn nicht nur mit filmbürokratischen und -ökonomischen Institutionen in Konflikt gebracht, sondern im Anschluss an den Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 auch mit ideologisch blinden Kräften, die seinen Aufruf gegen Antisemitismus mit einem Festival-Boykott beantworten zu müssen glaubten. Seine*r Nachfolger*in (das Interim übernimmt die Filmkünstlerin Madeleine Bernstorff) ist dieser Mut, ist intellektuelle Vorausschau, politisches Bewusstheit und geistige Unabhängigkeit statt Konformität zu wünschen. Das wäre schon mal eine Stellenbeschreibung. AWI
In neue Projekte
Christian Esch verlässt nach 21 Jahren Wuppertal und wünscht sich: Das NRW Kultursekretariat soll jünger und weiblich werden.
Fast wäre die Nachricht, die da Anfang September auf der Bühne des Wuppertaler Opernhauses verkündet wurde, ein wenig untergegangen. Zum 50. Jubiläum des Kultursekretariats Wuppertal kam sie fast beiläufig daher. »Neue Zeiten brauchen neue Gesichter« sagte Christian Esch in seiner Festrede – und meinte damit sich selbst. Der 63-Jährige verlässt vorzeitig im Sommer 2025 die so wichtige Schnittstelle zwischen Kommunen und Land – nach 21 Jahren. 20 Mitgliedsstädte und einen Landschaftsverband bringt das Kultursekretariat zusammen, um gemeinsam Kulturprojekte wie das Impulse-Festival für die freie Theaterszene auf den Weg zu bringen – was wie umgesetzt wird, entscheiden Gremien und Jurys. Unter Eschs Ägide hatte es auch experimentelle Opernformate gegeben – Musiktheater liegt dem promovierten Musikwissenschaftler, Dramaturgen und Redakteur am Herzen. Nicht unwahrscheinlich, dass nach drei Männern in Folge an der Spitze (endlich) eine Frau folgen wird. Für neue Klänge dürfte damit gesorgt sein. AKI
Ins Herz der Stadt
Das Deutsche Forum für Figurentheater und Puppenspielkunst bekommt eine Doppelspitze.
Seit 1997 hat Annette Dabs das Deutsche Forum für Figurentheater und Puppenspielkunst und das Festival Figurentheater der Nationen, kurz FIDENA, geleitet. Jetzt steht ein Generationenwechsel an. Zwei (ehemalige) Mitarbeiter*innen von Dabs übernehmen ab 1. Juli 2025 als Doppelspitze: Helene Ewert als Geschäftsführerin und Christofer Schmidt als Künstlerischer Leiter. Das dfp mit seinem Dokumentations- und Forschungszentrum und die FIDENA haben Bochum und das Ruhrgebiet zu einem Zentrum des Figuren- und Objekttheaters gemacht. Radikal, überrumpelnd, poetisch und zauberhaft präsentieren die Künstler*innen alle zwei Jahre beim Festival die Größe ihrer Kunst. Die FIDENA 2024 hatte Christofer Schmidt bereits ko-kuratiert. Helene Ewert war lange als FIDENA-Produktionsleiterin und für den Fritz-Wortelmann-Preis tätig, gerade noch ist sie Referentin für Nachhaltigkeit und Leiterin der künstlerischen Produktion von Burg Hülshoff – Center for Literature in Münster. Ihr gemeinsamer Plan ist, das Figurentheater auch über das eigene Festival hinaus auf Bühnen des Reviers zu bringen. Dafür setzen sie auf Kooperationen. Geplant ist zudem ein »Europäisches Produktionszentrum für Figurentheater« in der geschlossenen Bochumer Christ-König-Kirche – deutlich zentraler gelegen als die bisherige Altbau-Villa. HEP
In die Stadt denken
Sabine Reich übernimmt das Bochumer Prinz Regent Theater und will einiges verändern.
Südlich der Bochumer Innenstadt gibt es seit über 30 Jahren eine kleine, feine Off-Theater-Bühne in einem ehemaligen Zechengebäude. Das Prinz Regent Theater (PRT) wurde 1991 als Zusammenschluss freier Künstler*innen gegründet. Es hat kein Ensemble, produziert aber eigene Inszenierungen mit Gastschauspieler*innen. Der Künstlerische Leiter Hans Dreher und die Geschäftsführerin Anne Rockenfeller haben in den vergangenen sechs Jahren das durchaus erfolgreiche Konzept weitergeführt und Sprechtheaterinszenierungen, darunter Klassiker wie aktuell Goethes »Faust« auf die Bühne gebracht. Nun übernimmt zur neuen Spielzeit Sabine Reich das Haus – und am Konzept wird sich einiges ändern. Die Dramaturgin, zuletzt Stellvertretende Intendantin am Theater Dortmund, will das PRT als »Plattform für die ganze Breite der freien darstellenden Künste aus Bochum und weit darüber hinaus eröffnen«. Für sie ermöglicht die kleinere Struktur neue Freiheiten. Ihr Ideal: Das PRT als Modell, wie Theater heute gestaltet werden kann. Dafür gründet sie einen Bürger*innenbeirat, »so divers wie unsere Stadt«. Zudem will sie mit Studierenden der Ruhr-Universität und der Folkwang Universität der Künste kooperieren. Los geht’s im September mit Neuem Zirkus – auch diese Sparte ist neu im Programm. HEP
In Gastregionen
Franziska Werner will beim Impulse-Festival der freien Szene auf Kooperationen setzen.
Ein Festival, mehrere Ruhrgebietsstädte. Für diese örtlichen Besonderheiten haben die Leitungen des Impulse Theater Festivals zuletzt unterschiedliche Lösungen gefunden. Mal ging’s per Bus von Spielstätte zu Spielstätte zwischen Rhein und Ruhr, dann präsentierte Florian Malzacher die Produktionen der Freien Szene im Einjahreswechsel in jeweils einer anderen Stadt. Auch Haiko Pfost blieb bei dieser räumlichen Schwerpunkt-Setzung. Nach sieben Jahren hat er die Künstlerische Leitung nun abgegeben an Franziska Werner, deren erste von insgesamt drei Festival-Ausgaben vom 18. Juni bis 6. Juli stattfinden wird. Die Dramaturgin und Kuratorin war zuletzt Künstlerische Leiterin der Sophiensaele Berlin. Angekündigt hat sie, neben der traditionellen Auswahl bemerkenswerter Produktionen Schwerpunkte auf Gastregionen zu legen, im Rahmen von Kooperationen. Außerdem wird es wieder ein leicht verändertes räumliches Konzept geben: Im Festivalzeitraum soll es drei lange Wochenenden in jeweils einer Stadt geben – in Mülheim an der Ruhr, Köln und Düsseldorf. Wie die Orte am einfachsten angefahren werden können, werden wir sehen. HEP
Fest verwurzelt
Theo Grütter verlässt »sein« Ruhrmuseum auf Zollverein.
Seit dem Kulturhauptstadtjahr 2010 gibt es das Ruhr Museum in der Kohlenwäsche auf der Zeche Zollverein in Essen. Seit 2012 wird das Regionalmuseum für das Ruhrgebiet geleitet von Heinrich Theodor Grütter, der im Pott ähnlich tief verwurzelt ist: in Gelsenkirchen geboren, Studium in Bochum. Nur mit einer kurzen Unterbrechung war er seit 1992 schon am Vorläufer des Ruhr Museums, dem Ruhrlandmuseum, beschäftigt und gestaltete als Projektleiter die heutige Dauerausstellung maßgeblich mit. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass das Ruhr Museum sein Museum ist. Nun aber geht Grütter zum Oktober 2025 in Rente – und will dem Museum und Zollverein in anderen Funktionen verbunden bleiben. Allein mit der industriegeschichtlichen Sammlung quasi am Originalschauplatz hat das Ruhr Museum ein Alleinstellungsmerkmal, das ein überregionales Publikum begeistert – ein Selbstläufer, bei dem eine Nachfolge kaum etwas modifizieren muss. Die Präsentation der Sammlungsbestandteile ist nach wie vor zeitgemäß. Die Sonderausstellungen hingegen benötigen jugendlichen Schwung, zu oft präsentieren sie eine unüberschaubare Masse an Ausstellungsstücken. Wer zufällig hinein gerät, ermüdet schnell. VL