Im Leopold-Hoesch-Museum wird das einzigartige Œuvre des Fotografen Albrecht Fuchs in einer Retrospektive gezeigt. Dass die Dürener Ausstellung »Album« heißt, ist nur konsequent: Denn alle Fotos haben ihren eigenen Sound.
Ob er William Dafoe gut kennt? Albrecht Fuchs zögert. Natürlich nicht, möchte er fast antworten. Aber dann erzählt er doch: von all den Filmen, die er gesehen hat. Früher oder jetzt, um sich vorzubereiten. Nein, einen wirklichen Kontakt gab es eigentlich nicht. Nur: Dieses Interesse, ihn dann doch einmal kennenzulernen. Zumindest für eine kurze Porträtsitzung, einen kleinen Moment. In diesem Frühjahr war er wahr geworden. Der Hollywood-Star hatte einen Arthouse-Thriller in den Kölner MMC-Studios gedreht. Und der Kölner Fotograf Albrecht Fuchs hatte ihn dabei begleitet. In gemäßigtem Abstand. Aber dann doch so kontinuierlich, dass es für beide wenig später weiterging: zu einer gemeinsamen Porträtsitzung in Rom.
Seit Jahrzehnten schon ist Albrecht Fuchs auf Künstler*innen spezialisiert, aber keinesfalls festgelegt. Martin Kippenberger legte sich für ihn ins Bett, Kaspar König posierte für ihn im Schlafanzug und Franz West auf seinem eigenen Sofa. Joschka Fischer rannte ihm davon – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn nur drei Minuten Zeit gab er Fuchs damals, 1998 in Bonn. Der drahtige Spitzenpolitiker fürchtete nach einem Jogginglauf auszukühlen. Wie ein Getriebener posierte er angespannt und ungeduldig für das SZ Magazin vor der Kamera – und war dann schnell verschwunden.
Wer die Aufnahmen des Kölner Fotografen kennt, hat ihre Besonderheiten gleich vor Augen: Nichts auf diesen Bildern scheint inszeniert zu sein. Gerade das ist ihr großer Reiz: Die »Frankfurter Rundschau« hat Albrecht Fuchs einmal einen »Liebling der Künstler« genannt. Denn die Bilder des Kölners leben von Natürlichkeit und Privatheit, fast Intimität. Wie er das hinkriegt? Fuchs winkt ab: »Eigentlich ist das so eher ein intuitiver Prozess«, sagt er bescheiden. Er sei während einer Porträtsitzung halt ständig im Gespräch mit den Künstler*innen und versuche dabei, ein Porträt zu fotografieren und kein Selbstporträt. Denn Inszenierungen beherrschen diese besonderen Menschen natürlich sehr gut. Die Frage also ist: Was steckt dahinter?
Natürlich kennt Albrecht Fuchs einige Künstler*innen sehr gut: Mit Johannes Wohnseifer etwa ist er seit Jahrzehnten befreundet. Oder mit Laurenz Berges, der heute selbst für ein Stück Fotografiegeschichte steht. Beide hatten Mitte der 80er Jahre an der Folkwang Universität der Künste gemeinsam studiert. Als Berges 1889 ein Praktikum bei der deutschstämmigen Fotografin Evelyn Hofer in New York bekommt, zieht Fuchs für ein halbes Jahr hinterher. Und bekommt Einblick in die damalige Szene: »Ich habe die Arbeiten von Evelyn Hofer, diese klassisch gesetzte Porträtfotografie, damals sehr zu schätzen gelernt«, sagt der Fotograf, der 1964 in Bielefeld zur Welt kam, und wieder klingt es fast so, als sei auch seine heute so typische Bildsprache eher beiläufig entstanden: »Die Parameter, wie ich die Bilder aufnehme, haben sich eigentlich seit 30 Jahren nicht geändert.« Fuchs fotografiert in Farbe, mit dem Stativ, ausschließlich mit vorhandenem Licht, heute fast nur noch digital, bis vor zehn Jahren vor allem aber mit einer analogen Mittelformatkamera.
In New York beginnt er, Freunde zu porträtieren, seine damalige Freundin, heutige Frau – eine gebürtige Amerikanerin, die mit ihm nach Köln zieht und eine Familie gründet. Auch diese Anfänge seiner Porträtfotografie zeigt die Dürener Ausstellung, die zuvor im Museum für Photographie Braunschweig und im Kunsthaus im KunstKulturQuartier Nürnberg zu sehen war – Corona-bedingt nur sehr kurz. Das Leopold-Hoesch-Museum übernimmt die Retrospektive also, allerdings ergänzt um einen eigenen Kniff: Den rund 90 Werken von Albrecht Fuchs werden auch Arbeiten von Künstlerkolleg*innen, die mit ihm verbunden sind, zur Seite gestellt – etwa von Sigmar Polke oder Gregor Schneider aus der Museumssammlung.
Viele seiner Porträts sind regelrechte Charakteraufnahmen: 1993 etwa hatte Fuchs den Komponisten Ennio Morricone in Rom getroffen. In einer derart palastartigen Wohnung, in der schnell klar war, was diese Fotografie auch so besonders macht: Fuchs denkt immer auch den Umraum mit. Zeigte den schwerreichen Musikgiganten damals in einer Wohnung voller opulenter Teppiche, Kissen und Dekor. Auf einem Foto posierte Georg Herold an einem Pool während eines Künstlerstipendiums in Los Angeles für ihn. Wie ein Monument an Selbstbewusstsein, so als würde ihm ganz Hollywood gehören. 1995 dann entstand eine Serie, die Fuchs endgültig bekannt machte: Er traf Martin Kippenberger im Hotel Chelsea in Köln, der ihn mit Jetlag und Kater ziemlich direkt in sein Hotelzimmer lotste – um sich ausgebrannt und müde vor dem eigentlich doch fremden Fotografen aufs Sofa und ins Bett zu legen.
»Kippenberger war genial darin, das Potenzial von Leuten für sich zu nutzen«, erinnert sich Fuchs. So persönlich, so verletzlich habe er sich ihm aber nie mehr präsentiert. Viele Aufnahmen sind inzwischen auch Auftragsarbeiten – und Familienporträts sozusagen eine weitere Spezialität: Auf Einladung der Familie Böhm war Albrecht Fuchs vor einigen Jahren aus dem umtriebigen Belgischen Viertel in Köln, wo er lebt, ins mondäne Marienburg gefahren. Das Zentrum des Bildes und damit der Familie war schnell ausgemacht: Gottfried Böhm. Allerdings flankiert nicht nur von seiner Frau und den gemeinsamen Söhnen, sondern auch von der Bronzebüste seines Vaters. Ein Mehrgenerationenporträt.
Und William Dafoe? Dass in »Inside« ausgerechnet in der Kunstszene spielt, sei reiner Zufall gewesen, sagt Fuchs und lacht. Dafoe spielt in dem Kinofilm Nemo, der bei einem Einbruch in einem Luxus-Penthouse vom zusammenbrechenden Sicherheitssystem plötzlich gefangen wird. Umgeben von Kunst.
Albrecht Fuchs, Album
Leopold-Hoesch-Museum Düren
bis 21. November 2021