Im Februar feiert Gerhard Richter seinen 90. Geburtstag. Wer den Jubilar sucht, muss nicht unbedingt ins Museum. Auch in NRWs Kirchen und U-Bahn-Stationen hat der Jahrhundertkünstler seine Spuren hinterlassen.
An einem Drahtseil mitten in der Vierungskuppel hängt die 48 Kilogramm schwere Messingkugel herab. Sanft bewegt sie sich über die runde Bodenplatte aus Naturstein: Gerhard Richters Foucaultsches Pendel. Lange schon hatte dem Künstler eine Installation um diese physikalische Versuchsanordnung vorgeschwebt. In der Dominikanerkirche in Münster fand er schließlich den passenden Ort dafür. Seit dem Sommer 2018 kann man Richters Pendel beim Schwingen zusehen. Und wird wahrscheinlich bald bemerken, dass die Kugel nicht ganz gerade schaukelt, sondern ihre Richtung leicht verschiebt. Doch der Schein trügt: Sie weicht nicht ab von ihrem Weg. Allein die Erde dreht sich. Über 30 Stunden dauert es, bis das Münsteraner Pendel die Runde gemacht hat. Was der Physiker Léon Foucault 1851 erkannte, zeigt sich in Richters künstlerischer Adaption, flankiert von grauen Doppelscheiben, die auch den Titel des Kunstwerks vorgeben: »Zwei Graue Doppelspiegel für ein Pendel.« An zwei gegenüberliegenden Wänden angebracht, reflektieren die mit einer Verspiegelung bedampften Scheiben nicht nur das Pendel, sondern auch die Menschen ringsum – hin und her, hin und her, unendlich. Es braucht nicht viel, um in der Installation ein geglücktes Zusammenspiel von Kunst, Physik und Religion zu sehen. Was er damit sagen will? Fast verdutzt scheint Richter über diese Frage am Tag der Einweihung: »Ich wollte ein gutes, ansehnliches Stück liefern, das tröstet und Freude macht.«
Göttliches Glas in Köln
Königsblau und sonnengelb, purpur, pink, orange und ocker – in rund 11.500 kleine bunte Quadrate hat der Künstler das über hundert Quadratmeter große Fenster im Südquerhaus des Kölner Doms aufgesplittert. Und dazu sorgsam 72 Töne ausgewählt, die den Farbklang der bestehenden Kathedralfenster aufnehmen. Der Plan scheint schlicht, die Wirkung aber überwältigt die Dombesucher nun schon seit 14 Jahren. Vor allem wenn die Sonne scheint und die Farben durchströmt vom einfallenden Licht zu leuchten beginnen. Die Idee zur abstrakten Fenstergestaltung war Richter gekommen, als er eine Schablone mit dem Maßwerkrahmen des Domfensters auf das Foto einer seiner frühen Arbeiten legte: »4096 Farben« von 1974. Allerdings brauchte es eine ganze Weile, bis sich das Domkapitel mit dem Entwurf anfreunden konnte. Zu fremd war ihm das Fenster ganz ohne Figuren.
Bunte U-Bahn in Duisburg
Auch für die Kunst im Ruhrgebiet lohnt sich der Blick unter die Erde. Dort, genauer gesagt an Duisburgs zentraler U-Bahn-Haltestelle König-Heinrich-Platz, trifft man auf das einzige Gemeinschaftswerk von Gerhard Richter und Isa Genzken. Die beiden waren noch ein Paar, das Traumpaar der Szene sozusagen, als sie in den 1980er Jahren unter Tage ans Werk gingen und die Station auf drei Ebenen gestalteten: zitronengelb verkleidete Rolltreppen, Edelstahl an Säulen und Wänden und wandfüllende Elemente aus buntem Email verwandeln die Haltestelle in ein Kunstwerk. Richter: »Bei der künstlerischen Gestaltung haben wir weniger die für die Kunst-am-Bau-Dekorationen üblichen Stellen bevorzugt, sondern das Hauptgewicht auf die Bahnsteigebene gelegt.« Hier wartet man gerne auf die verspätete U-Bahn.