Beim Holzbläser-Festival »Summerwinds« bespielen Klarinetten, Blockflöten & Co. das Münsterland.
Eigentlich hatte der noch nicht einmal 60-jährige Brahms sich fest vorgenommen, keine Note mehr zu Papier zu bringen. Er war sich sicher: Als Komponist habe er alles gesagt. Doch 1881 kam alles anders. Er hörte den Klarinettisten Richard Mühlfeld, von dem schon die alte Freundin Clara Schumann mit den Worten geschwärmt hatte: »Man kann nicht schöner Klarinette blasen.« Stimmt, fand auch Brahms. Und so schrieb er für Mühlfeld gleich vier Kammermusikwerke, die mit zum Empfindsamsten, Beseeltesten und Kantabelsten gehört, was jemals für dieses Blasinstrument geschrieben wurde.
Ein Musikfestival, das sich auf die weite Klangwelt der Holzblasinstrumente spezialisiert, kommt daher zwangsläufig auch nicht um mindestens eine Brahmssche Mühlfeld-Hommage herum. Das deutsch-israelische Else Ensemble kombiniert da eine Klarinettensonate des Erzromantikers auch mit einem Trio für die ungewöhnliche Besetzung Klarinette, Horn und Klavier, das von der heute vergessenen Max-Reger-Schülerin Johanna Senfter stammt. Beim Konzert des Quantum Clarinet Trios gibt es gleich zwei Klarinettentrios – das von Brahms sowie eines aus der Feder von Carl Frühling, der vor allem als Klavierbegleiter solcher Geigentitanen wie Pablo de Sarasate Karriere machte.
Repertoire-Klassiker und Repertoire-Raritäten – das ist im Groben der rote Faden auch beim diesjährigen, zum siebten Mal stattfindenden »Summerwinds«-Festival. Darüber hinaus ist das Programm gespickt mit musikalischen Sidesteps in Richtung Jazz, Weltmusik und Crossover. Wie variabel und musikalisch offenherzig all die Holzblasinstrumente sind, spiegelt sich in den oftmals verblüffenden Besetzungen wider. Bei der Klezmer-Band »Harts un Neschome« haken sich Klarinette, Akkordeon und Schlagwerk unter. Das Ensemble »Bolero Berlin«, das sich aus Mitgliedern der Berliner Philharmoniker zusammensetzt, schlägt an Klarinetten, Saxophon und Streichern den Bogen von Bizets »Carmen« hin zum Manouche-Swing Django Reinhardts. Bei dem etwas anderen Improvisationsprojekt »Hände wie Wolken« trifft die Blockflötistin Gudula Rosen auf den Gitarristen Erhard Hirt sowie den Zeichner Andreas Rosenthal.
Rund 40 Konzerte umfasst das Programm. Wie bei den vorausgegangenen Ausgaben kann man jetzt nicht nur musikalisch herrliche Landschaften erkunden. Erneut öffnen bei den Konzerten quer durchs Münsterland all die sehenswerten und entdeckungswürdigen Kirchen und Klöster, Burgen und Ausstellungshallen ihre Pforten. Dabei verwandelt etwa das berühmte fünfköpfige Blockflötenensemble B-Five Recorder Consort mit Werken der Renaissance die ultramoderne Architektur des »Kult«-Museums in Vreden in eine aufregende Klangkathedrale. In Telgte laden der Traversflötist Michael Schmidt-Casdorf und der bedeutende Cembalist Christiane Rieger zu einer Reise ins französische Barockzeitalter ein. Der österreichische Komponist Klaus Lang hat einmal auf die schwierige Frage, was denn überhaupt Musik sei, folgende Antwort geliefert: »Das was mich vielleicht am meisten fasziniert an Musik, ist die Tatsache, dass ihre Schönheit, Größe und Tiefe […] auf dem Alleralltäglichsten gegründet ist, auf dem, was uns immer umgibt, nämlich auf nichts anderem als auf bewegter Luft.« Dazu gehört unbedingt der menschliche Atem, der durch die Holzblasinstrumente strömt.
21. Juni bis 1. September