Mit den »Maestras« gibt das Arp Museum in Remagen Malerinnen zwischen 1500 und 1900 eine große Bühne und zeigt: So richtig schwierig wurde ab dem 19. Jahrhundert.
Ganz schön brutal. Im Fall von Lavinia Fontana aber musste es wohl diese eine Szene sein, die sie derart repräsentativ malte: Die Künstlerin (1552-1614) aus der damals so progressiven Universitätsstadt Bologna war so ehrgeizig und so erfolgreich, dass ihr riesiges Gemälde natürlich nicht irgendeine mythologische Szene zeigen konnte. Es musste Judiths Triumph über die Männerwelt sein. Dargestellt im feierlich präsentierten Kopf von Holofernes. Seinem abgeschlagenen Kopf, versteht sich.
Kein Wunder, dass die biblische Heldin später als Fontanas Selbstporträt gedeutet wurde. Denn von einem »Gender-Gap«, wie man es heute ausdrücken würde, von Nachteilen aufgrund ihres Geschlechts, findet sich im Lebenslauf der Malerin keine Spur: Schon als Teenagerin hatte sie im Atelier ihres Vaters, des Malers Prospero Fontana, mitgearbeitet. Als seine Gesundheit Mitte der 1570er-Jahre nachließ, übernahm selbstverständlich sie den Betrieb – um junge Malerinnen auszubilden.
Selbst die Ehe mit Gian Paolo Zappi brachte keinen Karriereknick, im Gegenteil: Per Ehevertrag hatten beide zuvor vereinbart, dass er fortan das Management seiner Frau übernehmen sollte, um ihr den Rücken zum Malen frei zu halten – und die Erziehung der gemeinsamen elf Kinder.
»Maestras« hat das Arp Museum in Remagen, kurz hinter der NRW-Landesgrenze, seine überaus üppige, interessante Ausstellung genannt, die 68 Werke von 51 Künstlerinnen aus acht Jahrhunderten präsentiert. Entstanden ist sie in Kooperation mit dem Museo Nacional Thyssen-Bornemisza in Madrid. Das Spektrum reicht von mittelalterlichen Buchmalerinnen aus Nonnenklöstern bis zu den ja schon länger wiederentdeckten Wegbereiterinnen der Moderne wie Käthe Kollwitz, Sonia Delaunay, Paula Modersohn-Becker oder den Impressionistinnen Berthe Morisot und Mary Cassatt.
Was diese Schau allerdings auszeichnet, sind all die bis heute weniger bekannten Malerinnen vor allem vor dem 19. Jahrhundert: Dass Hildegard von Bingen (1098-1179) in ihrer geistlichen Frauengemeinschaft überaus verzierte Handschriften anfertigen ließ, ist hinlänglich bekannt. Aber wer hat schon von der Nonne »Ende« gehört, die den Beatus-Codex von Girona 975 mitgestaltete? Oder von Gisela von Kerssenbrock, die sich vor ihrem Tod im Jahr 1300 im »Codex Gisle« selbst in Szene setzte: In der Ausstellung kann man in einem Faksimile der lateinischen Handschrift aus dem ehemaligen Zisterzienserinnenkloster Rulle bei Osnabrück blättern und der winzig kleinen Nonnendarstellung nachspüren – eine der ältesten Frauenbilder im westeuropäischen Mittelalter.
Schlaglichtartig – im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Bilder werden stimmungsvoll auf farbigen Wänden inszeniert – geht es quer durch die Kunstgeschichte. Mit wiederentdeckten niederländischen Barockkünstlerinnen wie Michaelina Wautier (1616-1689), die sich mit ihren Porträts vom Atelier ihres Bruders Charles bis zu den Mäzenen des Brüsseler Hofs malte. Mit Judith Leyster (1609-1660), die schon mit 24 Teil der renommierten St.-Lukas-Gilde wurde – als einzige Frau unter den über 30 Künstlern der Haarlemer Malerzunft. Oder mit der Gastwirtsgattin Anna Dorothea Therbusch (1721-1782), die erst mit der Volljährigkeit ihrer fünf Kinder ihre Karriere startete – um mit ihren einfühlsamen Porträts bei niemand Geringerem als Friedrich dem Großen oder Zarin Katharina II. von Russland zu landen.
Fest für die Sinne
Zu einem Fest für die Sinne wird die Ausstellung nicht zuletzt durch ihre »Naturforscherinnen 1600-1800«, einem Kapitel auch über Bürgerstolz und fortschreitende Wissenschaft, deren Ansprüche etwa Maria Sibylla Merian (1647-1717) und ihre Tochter Johanna Helena Herolt (1668-1723) regelrecht wortwörtlich nahmen. Sie reisten bis an die Nordspitze, um für ihre Malereien exotische Insekten und ihre Lebensräume zu erkunden. Giovanna Garzoni (1600-1670) hauchte ihren Stillleben mit prallen Kirschen derart viel Frische und Leben ein, dass man fast glaubt, ihren Duft noch erahnen zu können.
Die Ausstellung, die für Remagen die Kuratorin Susanne Blöcker zusammengestellt hat, bereitet großartigen Netzwerkerinnen wie Angelika Kauffmann (1741-1807), Mary Beale, eine der erfolgreichsten englischen Malerinnen ihrer Zeit (1633-1699), oder Élisabeth Vigée Le Brun (1755-1842) eine Bühne, ehe das Kapitel »Rollen und Klischees« dann Künstlerinnen zwangsläufig eher abseits der großen Märkte, der opulenten Sammlungen, vor allem abseits der Akademien präsentiert – wovon nicht zuletzt ihre Bildthemen zeugen: Statt üppiger Historienbilder, statt Porträts von Adeligen oder des großbürgerlichen Gesellschaftslebens, statt Naturforschungen sind es eher schlichte, aber intime Freundschafts- oder Familiendarstellungen, die im engen, privaten Zirkel entstehen. Im hochgebundenen Empirekleid posiert Victoria Martín Barhié (1794-1869) auf einem Selbstbildnis von 1840 – jenem Jahr, in dem sie zwar als erstes weibliches Mitglied an der spanischen Kunstakademie von Cádiz aufgenommen wurde. Allerdings wohl (noch) nicht ahnend, dass ihr zwölf Jahre lang erstmal keine weitere Frau als Studentin nachfolgen sollte.
Die Ausstellung zeigt an dieser Stelle auch einen gesellschaftlichen Wertewandel, der nicht zuletzt in der Kunst seine Kreise zog: Der Zusammenhalt der Kernfamilie inklusive der Kindererziehung wurde zur alleinigen Frauensache erklärt und Malerinnen von der akademischen Kunstausbildung einige Jahrzehnte ausgeschlossen. Die männerdominierte Ankaufspolitik in Kunsthäusern sorgt bis heute für Lücken in den Sammlungen, was den weiblichen Anteil der Kunstgeschichte angeht.
Aber im Arp Museum wird auch klar, dass es noch viel Wunderbares, viel Qualitätvolles von Frauen wiederzuentdecken gibt: Das Werk der gesellschaftskritisch malenden Finnin Helene Schjerfbeck (1862-1946) oder ihrer französischen Kollegin Marie-Louise Petiet (1854-1893) etwa, von der in Remagen eine wunderbar nahbare Wäscherinnenszene von 1882 zu sehen ist. Oder die Arbeiten der unkonventionellen Britin Annie Louisa Swynnerton (1844-1933), die das erste weibliche Mitglied der Royal Academy wurde. »Ich werde Ihnen zeigen, zu was eine Frau fähig ist«, wird die Renaissance-Malerin Artemisia Gentileschi (1593-1654) an einer Stelle in der Ausstellung zitiert. Dass der abgeschlagene Holofernes-Kopf von Lavinia Fontana direkt darunter thront, wirkt natürlich wie eine Kampfansage. An den noch immer männerdominierten Kunstbetrieb. Aber auch ganz einfach wie eine Feststellung.
»Maestras. Malerinnen 1500-1900«
Arp Museum, Remagen
bis 16. Juni