Dem Buchhändler und Verleger Walther König wird der Art Cologne Preis verliehen. Grund genug schon vor der Messe einmal vorbeizuschauen in Königs Hauptquartier: dem hohen Eckhaus an der Kölner Ehrenstraße.
Früher einmal stand sein Schreibtisch unten im Laden. Mitten im Trubel, denn Walther König wollte alles mitbekommen. Mittlerweile hat er den strategisch günstigen Posten freigemacht für seinen Sohn und Nachfolger Franz, der, zum Glück, auch die Buchhändler-Laufbahn eingeschlagen hat.
Walther König selbst ist hinaufgezogen. Und so bahnt man sich den Weg durch Bücherstapel, Bücherreihen, Büchertische und -schränke die Wendeltreppe hoch. Hinter einer Schiebetür liegt das kleine Büro im gläsernen Erker. Da sitzt er, genauso, wie man sich eine Buchhändler-Legende vorstellt: im Rücken ein Regal, in dem wohl nur er selbst sich auskennt. Und vor sich ein Schreibtisch mit reichlich Papierkram rund um den randvollen, filterfreien Aschenbecher.
Ebenso gut gefüllt scheint Königs Kopf – mit Storys aus einem aufregenden Verlegerleben mitten in der Kunstszene. Man braucht ihm nur ein Stichwort hinzuwerfen, einen Namen zuzurufen. Schon legt Walther König los. Die ältesten Geschichten führen zurück in die frühen 1960er Jahre, nach Münster, wo er mit wenig Elan Jura studierte und beim Jobben in einer Buchhandlung seine wahre Berufung erkannte. »Ich fuhr also kurz entschlossen los, um mir eine Lehrstelle zu suchen«. Dass er sie 1961 in der bald darauf boomenden Kunstmetropole Köln fand, noch dazu bei einer Topadresse wie der Bücherstube am Dom, sei ein Riesenglück gewesen. Eine Bemerkung, die so oder ähnlich immer wieder fallen wird in dem Gespräch.
Zu den jüngsten Glücks-Geschichten zählt die mit Gerhard Richter, der mal wieder angerufen habe: »Kommen sie mich doch noch einmal besuchen – ich habe auch eine Überraschung für Sie.« Was daraus geworden ist, zieht König mit einem Griff aus dem Regal: Ein wunderschönes Künstlerbuch, in dem Richter die Abbildungen jüngster Tusche-Arbeiten mit eigenen kleinen Texten kombiniert und arrangiert hat. Extrem kompliziert sei die Bindung des Buches gewesen, weil Richter ein Blatt jeweils auf zwei gegenüberliegenden Seiten zeigen wollte, ohne dass Teile des Bildes im mittleren Bund verschwinden.
Leidenschaft Künstler*innenbuch
Andächtig durchblättert König das Werk und schwärmt bald darauf von einem weiteren aktuellen Künstlerbuch-Projekt mit Ed Atkins. Während der Pandemie hatte der Künstler seiner kleinen Tochter jeden Morgen ein gelbes Post-It mit einer kleinen Zeichnung in die Brotdose gesteckt und nun 200 dieser wunderbaren Mini-Kunstwerke in einem Buch veröffentlicht. Ohne Zweifel liegt Königs Leidenschaft im Künstler*innenbuch. An die 1000 solcher von Künstler*innen selbst konzipierte Werke sind in seinem Verlag erschienen. Dazu rund 4000 Kataloge und Bücher über Kunst.
Mit den Künstler*innenbüchern hatte damals auch alles begonnen. Die erste Veröffentlichung dieser Art war ein Buch von Franz-Erhard Walther, das König 1968 noch gemeinsam mit seinem in Künstlerkreisen ebenfalls berühmten Bruder verlegen konnte. Kasper König weilte seinerzeit in New York und knüpfte die Kontakte. Derweil sich Walther in Köln mit seinem ersten kleinen Ladenlokal in der zentralen Breite Straße etablierte. Auch so ein Glücksfall: Die Zusage des zunächst zögerlichen Vermieters an Heiligabend 1968 sei das schönste Weihnachtsgeschenk gewesen, das er je bekommen habe, so Walther König.
Für einen Start als Kunstbuchhändler und -verleger hätte es in den späten 1960er und 1970 Jahren tatsächlich wohl kaum einen glücklicheren Ort geben können. Wichtige Galerien machten auf, der Kölner Kunstmarkt wurde gegründet, die internationale Avantgarde tummelte sich am Rhein. Und alle schauten sie vorbei bei Walther König. Auch US-Größen wie Carl Andre oder Bruce Nauman, die in hiesigen Galerien Ausstellungen einrichteten. Thomas Schütte verewigte sich gar mit einer himmlischen Deckenmalerei in dem Ladenlokal. Das wurde aber irgendwann einfach zu eng für Königs Ambitionen. 1981 zog er deshalb um, ein paar hundert Meter weiter in das Eckhaus an der Ehrenstraße.
Bis heute werden am ersten Standort an der Breite Straße unter Schüttes Himmel Postkarten und Museumsshop-Artikel angeboten. Während hinter Backsteinmauern in der Ehrenstraße alle Stricke zusammenlaufen – seit mehr als 40 Jahren. Mittlerweile sind es recht viele. König ist in dieser Zeit mächtig expandiert. Es gibt wohl keine größere Stadt in Deutschland ohne einen König-Buchladen, kaum ein größeres Museum ohne König-Shop. Dazu einige Ableger im europäischen Ausland: Amsterdam, Brüssel, London und Mailand, Wien und Paris. Bis in die USA zu Michael Jackson muss sich sein Ruf verbreitet haben – legendär ist die Geschichte vom King of Pop, der eines Tages kurz vor Ladenschluss in einer dunklen Limousine vorfuhr, sich vermummt in den Laden stahl und zwei Stunden lang stöberte.
Jahrzehnte voller Geschichten. »Sie wissen, dass ich 84 bin?« Erwidert Walther König auf die Frage hin, ob er weiterhin jeden Tag zur Arbeit in seinen Glas-Erker kommt. Dann nickt er lächelnd. Den Blick vom Schreibtisch aus auf das Getümmel in der angesagten Ehrenstraße hat sich König mit einem Packen Akten verstellt, »damit ich nicht ständig hinausschaue«. Das lenke ab. Zumal er auch als »Gast« in der Firma weiterhin weniger attraktive Dinge erledige: »Vertragliche Sachen, da helfe ich aus.« Bürokram eben. Zurzeit sitze er am Verlagskatalog.
Der Laden läuft. Die prominent besetzte Liste der Veröffentlichungen wächst und wächst. Dass darauf über die lange Zeit immer wieder dieselben Namen auftauchen, erklärt König mit seinem Geschäftsmodell. »Wir führen unseren Verlag ein bisschen wie einen literarischen Verlag – versuchen, Künstler früh zu entdecken, in der Hoffnung, dass sie uns treu bleiben.« Ein gutes Beispiel: Isa Genzken. »Wir haben die allerersten Bücher mit ihr verlegt, von denen wir damals vielleicht 100, 150 Exemplare verkaufen konnten. Jetzt hat Genzken in der Nationalgalerie in Berlin ihre große Ausstellung zum 75. Geburtstag – den Katalog dazu wollte sie mit uns machen.«
Auch Richard Tuttle gehört zu Königs alten Bekannten. Erst kürzlich sei der US-Künstler wieder einmal in Köln gewesen, um sein aktuelles Buch-Projekt zu planen. Vor über 50 Jahren hatte König bereits Tuttles erstes Buch verlegt. Die kontinuierliche Zusammenarbeit findet der Verleger »wunderbar«. Die allermeisten Künstler*innen nähmen so ein Künstlerbuch extrem wichtig, so König. »Die Zeit und die künstlerische Leistung, die sie da hineinstecken, ist oft ganz enorm.« Und die Verbindung, die man als ein Projekt begleitender Verleger haben könne, sei in der Regel viel enger als die eines Galeristen zu seinen Künstler*innen. »Man hilft, ein Kunstwerk zu schaffen, ist Partner, begleitet die Arbeit«, schwärmt König. Und denkt zurück an Jörg Immendorff, als der schon sehr krank war. »Alles andere blieb liegen, es ging nur mehr um das Buch.« So sei er mitunter zweimal am Tag nach Düsseldorf gefahren, um mit dem Künstler die Arbeit voranzubringen.
»Ich habe in meinem Leben wirklich viel Glück gehabt«, stellt König fest, »extrem viel Glück«. Und nun noch die Ehre. Erst im vergangenen Jahr gab es im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst eine Ausstellung, die allein den Künstlerbüchern aus Königs Verlag gewidmet war. Hinzu kommt jetzt der Art Cologne Preis, der ihn wirklich überrascht und auch sehr gefreut habe.
Als kleines Abschiedsgeschenk kramt König noch einen Bestseller hervor – rund 200.000 Mal hat sich das Künstlerbüchlein von Peter Fischli und David Weiss bisher verkauft. Der Titel: »Findet mich das Glück?«. Für König steht die Antwort außer Frage.