2004 wurde das Museum für Lackkunst in Münster geschlossen. Glücklicherweise gelangte die gesamte Kollektion der BASF in die Obhut des LWL-Museums für Kunst und Kultur in Münster.
Vasen, Geschirr, Gefäße für Zeremonien, Möbel, Nadeletuis, ja sogar die Paneele einer barocken Kutsche – Lackkunst kommt in unterschiedlichsten Zusammenhängen zur Anwendung und veredelt Kunst und Alltag. Der Stammbaum dieser bis heute praktizierten Spielart des Kunsthandwerks ist ebenso altehrwürdig wie weitverzweigt: Seit mindestens 5000 Jahren wird in China das Harz des Lackbaums genutzt, um Oberflächen zu veredeln und Gegenstände ornamental zu verzieren. Glatt, glänzend, gleichmäßig und als hochwertige Versiegelung für beinahe jede Fläche geeignet: Vor allem diese Materialeigenschaften machen den getrockneten Lack zur Allzweckwaffe der Dekorationskunst. Zum einen dient China-Lack als Bindemittel für Farben, die in zahlreichen Schichten (mitunter bis zu 200) aufgetragen werden; zum anderen lässt sich das Material für Schnitzwerk nutzen.
Von China aus verbreitete sich die Lackkunst zunächst nach Japan und in andere asiatische Länder, später in den arabischen Raum und seit dem 16. Jahrhundert nach Europa. Ein frühes Beispiel für Globalisierung. Hierzulande waren die sogenannten Exportlacke beliebter Bestandteil der Chinoiserien – in der Zeit des Barock und Rokoko wurden China und Ostasien zum irdischen Paradies verklärt, wo Bambus, Lotusblätter, Pagoden, Drachen und Figuren in phantastischen Kostümen exotisches Flair verbreiteten.

Umfangreiche Lackkunst-Bestände finden sich beispielsweise im Palastmuseum Peking, im Nationalmuseum Tokio oder im Londoner Victoria and Albert Museum. Ein Spezialmuseum, das sich ausschließlich dieser Kunsttechnik widmet, gab es lange Zeit in Münster – weltweit ein Unikum. Das Museum für Lackkunst, betrieben von der in Münster ansässigen BASF-Sparte Coatings, vereinte rund 1200 Objekte der Lackkunst aus Ostasien, Europa und der islamischen Welt. Weil der Unternehmensbereich Lack der BASF-Gruppe seine Sponsoring-Aktivitäten auf den Bereich Bildung konzentrierte, passte ein Museum nicht mehr ins Portfolio. Im Januar 2024 war der Lack ab und das Haus an der Windthorststraße wurde geschlossen.
Ein Vorgang, der sich mit einem weinenden und einem lachenden Auge betrachten lässt: Weil BASF Coatings seine Lackschätze dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) für den symbolischen Preis von einem Euro übereignete, wurde die einzigartige Kollektion nicht über den Kunsthandel veräußert und zerfleddert. Nun kümmert sich das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster um die kostbaren Objekte. Zum BASF-Coatings-Erbe gehört außerdem ein umfangreicher Fundus historischer Rezept- und Vorlagenbücher zum Thema Lack.
Mit Patricia Frick hat das LWL-Museum eine eigene Kuratorin für Lackkunst mit der Hege und Pflege der Preziosen betraut. Die Integration und kuratorische Aufbereitung der Sammlung unterstützte die Kulturstiftung der Länder »mit einem hohen fünfstelligen Betrag«. Deren Generalsekretär Markus Hilgert spricht von einer »Blaupause«: »Die Übernahme dieser Sammlung durch das LWL-Museum für Kunst und Kultur kann als Modell für die gelingende Überführung einer Sammlung aus dem Privatbereich in eine öffentliche Einrichtung gelten.«
Nachdem Patricia Frick im vergangenen Oktober mit einem Exportlack-Kabinett in der Reihe »Kunstwerk des Monats« einen Vorgeschmack auf die Neuzugänge des Museums gab, soll die Sonderausstellung »Faszination Lack – Kunst aus Asien und Europa« dem Publikum einen umfassenden Einblick in die Materie ermöglichen. Präsentiert werden unter anderem frühe Beispiele chinesischer Lackkunst, Perlmutt- und Goldstreulacke Koreas und Japans, europäische Lackobjekte des 18. und 19. Jahrhunderts sowie zeitgenössische Beispiele. Im Zentrum der Schau stehen jene Exportlacke, die eine Brücke zwischen den Kulturen Ostasiens und Europas schlagen.
Ältestes Exponat ist ein exquisites Tablett aus China
Erstaunlich, welch unterschiedliche Objekte unter dem Materialmantel des Lacks sinnvoll Unterschlupf finden. So begegnet man in der Ausstellung beispielsweise einem exquisiten Tablett mit blühendem Pflaumenzweig aus China; es entstand im 14. Jahrhundert und zählt somit zu den ältesten Exponaten. Bei einem im 18. Jahrhundert in Korea gefertigten Kleiderkasten zaubert Schwarzlack mit Perlmutteinlage ein reiches florales Ornament hervor. Tabakdosen, Bonbonnieren oder Operngläser, allesamt mit Lack glanzvoll herausgeputzt, bezeugen die verfeinerte höfische Kultur, wie sie besonders an europäischen Fürstenhöfen gepflegt wurde. Ein Hingucker im Miniaturformat ist auch ein japanisches Inro (ein raffiniert verschachteltes Lackbehältnis) mit einem Jagdfalken.
Was macht das Besondere dieser Kollektion aus? »Die Sammlung«, erklärt Patricia Frick, »ist weltweit einzigartig, da sie die künstlerische Nutzung des Werkstoffs Lack in all seinen Spielarten in den verschiedenen Kulturen und über die Jahrhunderte dokumentiert. Andere Sammlungen sind zum Beispiel auf asiatische oder europäische Lackkunst spezialisiert, zeigen aber nicht die Entwicklungen in Asien, der islamischen Welt und Europa über die Jahrhunderte auf.«
Mit dieser ersten großen Sonderausstellung will Frick einen Querschnitt der Sammlung zeigen. Und vor Augen führen, dass es sich bei der Lackkunst nicht um ein abgeschlossenes kunsthistorisches Phänomen handelt. Patricia Frick: »Ganz bewusst habe ich mich für einen Schwerpunkt mit zeitgenössischer Lackkunst entschieden. Zum einen, weil ich eine Brücke in die Bestände des LWL-Museums schlagen möchte, zum anderen, weil ich selbst von der Innovation und Kreativität der zeitgenössischen Arbeiten begeistert bin. Die Lackkünstler in Asien und Europa knüpfen an tradierte Techniken an und geben ihnen neue Impulse. Sie schaffen aber auch gänzlich Neues, indem sie teils starre Vorgaben hinter sich lassen und neue Wege beschreiten.« Dass sich Lackobjekte, die zu Unrecht immer noch weithin in der Nische des Kunsthandwerks verortet werden, hinter Gemälden und Skulpturen nicht zu verstecken brauchen, davon kann man sich nun in Münster überzeugen.
»FASZINATION LACK – KUNST AUS ASIEN UND EUROPA«
LWL-MUSEUM FÜR KUNST UND KULTUR, MÜNSTER
BIS 27. JULI