Peter Jordan und Leonhard Koppelmann haben für das Düsseldorfer Schauspielhaus das Open-Air-Spektakel »Glaube, Liebe, Fußball« inszeniert, das radikal die Fan-Perspektive einnimmt.
»Wir sind wie bei der Geburt getrennte Zwillinge. Wir sind ein Brain«, sagt der Schauspieler und Regisseur Peter Jordan über sich und seinen Kollegen Leonhard Koppelmann. Mit ihm zusammen hat er für den Platz vor dem Düsseldorfer Schauspielhaus das Open-Air-Fanspektakel »Glaube, Liebe, Fußball« inszeniert. Bis es dazu kam, musste er allerdings einige Kämpfe austragen – aber das ist in der Fußballwelt ja normal.
Der erste Kampf liegt in der neuen Rolle, die Peter Jordan jetzt manchmal ausfüllt: Eigentlich ist er Vollblut-Schauspieler, in NRW kennen ihn viele noch aus der legendären Zeit der Intendanz von Leander Haußmann am Schauspielhaus Bochum. Später wirkte er am Thalia Theater in Hamburg, spielte im »Jedermann« bei den Salzburger Festspielen und in jeder Menge Kino- und Fernseh-Produktionen. Vor allem in komödiantischen Rollen ist er brillant. Aber als Regisseur? »Kay Voges hatte mir das damals in Dortmund angeboten, Regie zu führen. Ich habe abgelehnt. Viele denken, es würde einen auf eine neue Ebene heben. Als Schauspieler sei man ja nur Befehlsempfänger. Aber so ist es nicht.«
Peter Jordan nahm schließlich trotzdem an – war aber erst mit seiner zweiten Regie-Arbeit, »Arsen und Spitzenhäubchen«, die aus einer (Zeit-)Notlage heraus im Doppel mit Leonhard Koppelmann entstand, richtig glücklich. »Er ist der mit dem Überblick, mit der Kernhärte. Er kann die Schauspieler nach dem sechsten Durchgang einer Szene freundlich auffordern: Na, dann machen wir es jetzt eben ein siebtes Mal.« Als die Anfrage aus Düsseldorf kam, ein Stück zur Fußball-Europameisterschaft zu inszenieren, war also klar, dass es, wenn überhaupt, nur im Doppelpack funktioniert.
Aber Peter Jordan musste auch hier mit sich ringen. »Ich dachte, wenn ihr ein Programm zur EM haben wollt, dann macht doch Torwandschießen und Würstchen essen.« Die erste innere Ablehnung hatte damit zu tun, dass er findet, dass die Theaterwelt noch nichts wirklich Gutes zum Thema Fußball erfunden habe. Auch Elfriede Jelineks »Ein Sportstück« oder Peter Handkes »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« haben es ihm offenbar nicht wirklich angetan. »Jürgen Flimm hat mal gesagt: ‚Theater ist wie Fußball‘«, erinnerte er sich. »Aber wenn man das mal durchdenkt: Wenn im Fußball schlecht gespielt wird, rufen die Zuschauer ‚Buh‘ oder ‚Pfuiii‘. Im Theater passiert das nicht. Ich habe auch noch nie gehört, dass jemand ruft: ‚Auf Wiedersehen‘.«
Radikal aus der Fan-Perspektive
Diese Überlegungen müssen ihn irgendwann darauf gebracht haben, dass es vielleicht doch interessant sein könnte, ein Stück zu inszenieren, das radikal die Fan-Perspektive einnimmt. »Worum geht es im Fußball? Um die exorbitanten Gagen, um die Spieler-Frisuren? Eigentlich geht es doch um die Fans! Die haben zuletzt richtig Ärger gemacht mit den Tennisbällen. Die Geisterspiele während der Corona-Zeit haben es gezeigt, wie wichtig sie sind. Da wurde alles offenbar, auffällig, wie die Spieler alle mit geilen Frisuren aufliefen, obwohl kein Friseur geöffnet hatte. Man hörte, was Spieler miteinander reden: ‚Gib doch ab.‘ Das war banal. Wie auf dem Bolzplatz auch.«
Doch bevor die Idee eines Fan-Spektakels zur Realität wurde, mussten Peter Jordan und Leonhard Koppelmann noch zu einem letzten Kampf schreiten: »Wir wollten nicht bloß einen Fan-Monolog von einem Schauspieler. Wir wollten erfahrbar machen, was es rein physisch bedeutet, wenn eine ganze Stadion-Kurve ‚An Tagen wie diesen‘ singt.« Also gingen sie zum Intendanten und sagten: »Wir brauchen 200 Leute.« Der Intendant sagte: »Auf keinen Fall.« Langsam kristallisierte sich heraus: Die Regisseure bekamen 40 Leute, inklusive »zwangsrekrutierten Schauspielschülern«, wie Peter Jordan scherzhaft anführt.
»Das ist besser als nichts«, fand das Team. Jetzt war ihre Vision einer Spiegelung möglich: Die Zuschauer auf den Tribünen spiegeln sich im Ensemble, das die Fans spielt. Über den Fans hängt eine große Videowand, auf der an den Abenden vorher oder nachher auch Public Viewing stattfindet. Für die Leinwand haben sich die Stückentwickler die Dramaturgie eines EM-Spiels ausgedacht, das jenseits von Nationalmannschaften stattfindet. Es gibt Kommentatoren-Stimmen, eine Schiedsrichterin, den Einlauf der Mannschaften, das Aufwärmen, die Spieler-Frisuren – und Standard-Situationen wie Freistöße, Fouls oder Elfmeter, die aus 60 Jahren europäischer Fußball-Fernsehgeschichte stammen.
Peter Jordan und Leonhard Koppelmann haben auch Moderationen geschrieben für zwei Personen, sie haben Radiowerbung erfunden, einen Shampoo-Werbespot gedreht und Experten-Interviews, die mithilfe eines echten Experten vom Magazin Kicker entstanden sind. Darin werden natürlich allerhand absurder Sätze verarbeitet, wie sie in der Fußball-Berichterstattung fallen: »Die Fünferkette stand hinten zu tief«. Oder »Sie müssen die Engräume oben weiter machen«. Oder »Wenn es 2:0 steht, ist 1:1 nicht mehr drin.« Sie lassen auch die Referentin des Inneren- und Heimat-Ministeriums auftreten, die sich wahnsinnig freut, aber keinen blassen Schimmer von Fußball hat. »Das Thema bietet für Komödienschreiber doch genug Material, einen vergnüglichen Abend daraus zu machen«, sagt Peter Jordan.
Und das ist letztlich auch, was diese Open-Air-Inszenierung will: Einen vergnüglichen Abend bereiten, einen unterhaltsamen, stark choreographierten, auch musikalischen Abend. Keine Satire, die mit übermäßiger Kritik an den kapitalistischen Verhältnissen im Fußball daherkommt. Aber implizit ist diese Kritik vielleicht doch vorhanden – einfach weil »Glaube, Liebe, Fußball« so radikal die Perspektive der Fans einnimmt, die manchmal zu Nebendarsteller*innen degradiert zu werden drohen.
»Glaube, Liebe, Fußball – ein Theater-Fan-Spektakel«
vor dem Düsseldorfer Schauspielhaus
1., 2., 7., 9., 13., 16., 18., 22., 27. und 28. Juni