»Simply the best«: Das Theater Hagen begeistert sein Publikum mit einer Mischung aus Musicalrevue und Rockkonzert und sucht mit Rock-Pop-Punk-Theater-Partys neue Wege abseits klassischer Operninszenierungen.
Ein Kinderzimmer, ganz in rosa, steht auf der Bühne. »I’m a Barbie-Girl« singt Vanessa Henning, die so gar nicht naiv wirkt sondern wie eine starke Powerfrau. Dann kommt ihre Kollegin Siiri dazu und singt »Material Girl« von Madonna, gefolgt von »Girls just wanna have fun«. Die Rock-Pop-Punk-Theater-Party »Simply the best« in Hagen ist nicht nur kraftvolle Unterhaltung, sondern hat ein Thema: Es geht um die Befreiung der Frauen, um die Geschichte des Feminismus.
Das bremst nicht die Wucht der Party, im Gegenteil. Es gibt ein ein paar Videos von Alice Schwarzer und von Demonstrationen sowie einen ganz kurzen Text, ein Interview, das Patti Smith mit dem alten Schriftsteller William S. Burroughs geführt hat. Ansonsten hat der musikalische Leiter Andres Reukauf pure Powersongs zusammengestellt, vom Ende der 60er Jahre bis in die Gegenwart.
»I put a spell on you« ist der älteste Hit, im Original von Creedence Clearwater Revival, nun kraftvoll geröhrt von Patrick Sühl. Der aktuellste Song ist »What was I made for« von Billie Eilish, gerade mal ein Jahr alt. Die Band steht über dem wandelbaren Bühnenkasten, machmal kommen die Musiker nach unten und spielen überragende Soli.
Das Publikum ist von Anfang an dabei. Und wenn Nenas erster Hit »Nur geträumt« gespielt wird, springen alle auf. Nena kommt aus Hagen, ein bisschen Lokalpatriotismus gehört dazu. »Damals war die toll, heute spinnt sie ein bisschen«, sagt ein Zuschauer. Aber er steht trotzdem.
Von Marius Müller-Westernhagen bis zu den Stones
Danach ist es ein Gerücht, dass in Hagen Sitzplätze verkauft werden. Gerade hat sich das Publikum wieder niedergelassen, da wird es durch den nächsten Song wieder nach oben gerissen. Knapp drei Stunden lang bringen Vanessa Henning, Siiri und Patrick Sühl mit einem wilden Mix bon Cindy Lauper bis Iggy Pop, von Marius Müller-Westernhagen bis zu den Stones das Theater zum Brodeln.
Sonst liegt der Schwerpunkt des Theaters Hagen eigentlich auf Opernproduktionen. In diesem Bereich gelingen auch immer wieder herausragende Aufführungen wie Wagners »Parsifal« oder »Tri sestri« von Peter Eötvös. Aber das Publikum wird immer weniger. Die von der Kritik hochgelobten ungewöhnlichen Stücke sind meistens leer, und auch das gewohnte Opernrepertoire (Rossini, Mozart, Puccini) sorgt nicht unbedingt für volle Häuser. So hat Intendant Francis Hüsers von Beginn seiner Amtszeit an neue Wege ausprobiert. Von den ersten Rock-Pop-Punk-Theater-Partys gab es nur ein paar Vorstellungen. Nun ist der Testballon zu einem bestimmenden Spielplanelement geworden.
Auch ältere Opernabonnent*innen machen mit. Und wenn am Schluss Kissen von den Rängen fliegen, werfen sich auch ältere Damen, die ihre Rollatoren am Rande des Parketts geparkt haben, in die Kissenschlacht. »Simply the best« ist eine tolle Mischung aus Musicalrevue und Rockkonzert, die Generationen sind vereint.
Wieder am 8., 25. und 28. September, 9. Oktober, Theater Hagen