Shirin Abedi hat für die beste Nachwuchsarbeit den Felix Schoeller Award bekommen. Für ihr Projekt »May I have This Dance« hat sie Tänzerinnen im Iran begleitet.
kultur.west: Frau Abedi, nach der Islamischen Revolution wurde im Iran das Tanzen verboten – Frauen, die es doch tun, können verhaftet werden. In Ihrer Arbeit haben Sie vier Tänzerinnen einer Ballettgruppe aus Teheran begleitet. Ein Akt der Auflehnung?
ABEDI: Ja, es hat mit Kampf und Freiheit zu tun. Offiziell ist das Tanzen zwar verboten, aber es gibt viele Gruppen oder Kurse, nur unter anderem Namen.
kultur.west: Ein Fall ist international durch die Medien gegangen: 2018 hatte eine junge Iranerin sich beim Tanzen gefilmt und die Aufnahmen bei Instagram hochgeladen. Sie wurde festgenommen und dazu gezwungen, sich im Staatsfernsehen zu entschuldigen. Sie selbst sind in Teheran geboren und schon mit sieben Jahren mit Ihrer Familie nach Deutschland gekommen. Waren Sie je konfrontiert mit solchen Verboten und Repressionen?
ABEDI: Wir leben zwar in Deutschland, aber ich durfte ganz lange nicht tanzen. Das war ein durchgehender Schmerz in meiner Jugend. Als Teenager war ich zum Beispiel einmal mit meiner besten Freundin bei einer Hochzeit. Sie hat getanzt, ich durfte nicht, das war hart und traurig für mich. Ich durfte auch nicht auf Partys gehen, keinen Standardtanzkurs belegen.
kultur.west: Welche Rolle spielt Ihre Heimat, Ihre Herkunft allgemein für Ihr Selbstverständnis und für Ihre Arbeit?
ABEDI: Eigentlich habe ich immer zwischen den beiden Kulturen gelebt. Im Sommer waren wir im Iran. Meine Eltern hatten auch die feste Absicht, zurück zu kehren. Ich habe mich weder hier noch dort richtig zu Hause gefühlt. Nach dem Abitur war ich ein Jahr lang im Iran, um meine Heimat und die Menschen besser kennenzulernen und zu verstehen. Auch die Fotografie war für mich ein Mittel, mich meinem Herkunftsland anzunähern.
kultur.west: Ist es ein Thema, das Sie auch in Zukunft beschäftigen wird?
ABEDI: Auf jeden Fall. Ich möchte auch Arabisch lernen, um besser im Nahen Osten arbeiten zu können. Aber es ist mir wichtig, auch für anderes offen zu bleiben. Kürzlich habe ich mein Studium in Hannover mit einem langfristigen Projekt abgeschlossen, in dem es um die Auswirkung von Mobbing in Deutschland geht. Ich will nicht als die »exotische Iranfotografin« gelten, sondern zeigen, dass ich auch hiesige Themen aufgreife.