Der 60-jährige Hein Mulders hat seinen neuen Posten als Intendant am Kölner Musiktheater angetreten.
Das Stück ist gigantisch. »Les Troyens« (Die Trojaner) von Hector Berlioz benötigt ein riesiges Orchester mit allein sechs Harfen (besser acht), mehreren kleinen Ensembles auf und hinter der Bühne, 200 Stimmen (mindestens) im Chor. Mit diesem vierstündigen Stück, bei dem es trotz der Masse auf die subtilen Feinheiten des Klangs ankommt, hat Hein Mulders seine Intendanz an der Kölner Oper begonnen. Ungewöhnlich, denn der 60-jährige Niederländer ist kein »Hoppla-jetzt-komm-ich-Typ«. Sondern im Gegenteil ein nachdenklicher, offener Mensch, der gut zuhören kann. »Les Troyens« hatte Kölns Generalmusikdirektor Francois-Xavier Roth schon geplant, bevor Hein Mulders begann.
Manch ein Musiktheatermacher würde bei solchen Vorgaben mit den Zähnen knirschen. Hein Mulders nicht. Er hat ein kompromissbereites, ausgleichendes Naturell – und findet das Stück ebenfalls großartig. Die Besetzung hat er zusammen mit Roth entwickelt. Während der – durchaus erfolgreichen – Intendanz von Birgit Meyer war immer zu hören, dass es Machtkämpfe zwischen dem Dirigenten und der Opernchefin gab. Die scheinen nun vorbei zu sein. »Francois-Xavier Roth und ich sind ein match made in heaven«, sagt Hein Mulders, was sich vielleicht mit »himmlische Fügung« am besten übersetzen lässt. »Ich bedauere es sehr, dass er nach zehn Jahre als Generalmusikdirektor aufhören wird.« Roth hat schon angekündigt, dass er 2025 Köln verlassen will.
Bis dahin könnte er noch das neue Opernhaus am Offenbachplatz eröffnen. Im März 2024 soll das nach aktuellen Berechnungen geschehen, zwölf Jahre nach Beginn der Sanierung. Hein Mulders hat sich bei einigen Reden optimistisch gezeigt – und ist dafür ausgelacht worden. So wie die Kölner Oberbürgermeisterhin Henriette Reker bei ihrer Rede vor der Premiere. Nun äußert sich Mulders vorsichtiger. Verärgert ist er wegen der Reaktionen aber nicht. Humor und die Fähigkeit, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen, gehören zu seiner Persönlichkeit.
Auch der Pförtner schwärmte von ihm
Das war auch an seiner vorigen Wirkungsstätte so. Zehn Jahre hat Mulders das Aalto-Musiktheater in Essen geleitet. Und auch wenn der Start etwas holperig war und die Zuschauerzahlen nach der extrem erfolgreichen Intendanz von Stefan Soltesz einbrachen, gab es dort kein böses Wort über den Intendanten zu hören. Auch der Pförtner schwärmte, dass Hein Mulders ihn mit Namen kannte und immer freundlich und respektvoll gewesen sei. Mit dieser Einstellung hat er sich nun auch dem Kölner Ensemble genähert. Bei einem Intendanzwechsel haben viele Angst vor einem großen Umbau. Mulders hat zunächst darauf verzichtet. »Nach zwei Jahren Pandemie hatten die Sängerinnen und Sänger kaum eine Chance, sich zu präsentieren«, erklärt er. »Ich habe erst einmal alle um ein Jahr verlängert, damit wir uns kennenlernen können. Jetzt habe ich einige nicht verlängert, aber in sehr moderatem Rahmen.«
An die Ausweichspielstätte, das Staatenhaus, hat sich ein Teil des Publikums nach sieben Jahren gewöhnt. Gerade Stücke, bei denen die Komponisten über die Grenzen eines normalen Opernhauses hinausgedacht haben, lassen sich hier großartig umsetzen. Wie »Die Soldaten« von Bernd Alois Zimmermann oder nun auch »Les Troyens«. Da sitzt das Orchester in einer Art Manege mitten im Bühnenbild, die Musik ist auch optisch das Zentrum des Stücks. Nur die Harfen sitzen draußen. Ein Schock war allerdings nach der Premiere der Blick auf die Auslastungszahlen. »Die ersten Vorstellungen waren nicht gut besucht«, gesteht Mulders. »Aber der Verkauf hat wahnsinnig angezogen, viele haben es sich zwei- oder dreimal angesehen.«
Eigene Spielstätte für die Kinderoper
Schon bei Birgit Meyer war die Kölner Oper nicht nur ein Ort für die älteren Semester. Das scheint sich fortzusetzen. »Ich war gerade in einer Vorstellung von Puccinis ‚Turnadot‘. Da waren mehr junge als ältere Leute, also viele in den 20ern und 30ern«, erzählt Mulders. »Köln ist eine ganz andere Welt als Essen. Das ist schon eine richtige Großstadt.« Am Aalto-Musiktheater fehlte ihm eine kleinere Spielstätte für das nicht ganz so große Repertoire. Nun in Köln hat er sogar zwei davon. Eine für die Kinderoper: »Ich habe die Kapazität der Kinderoper von 200 auf 320 Plätze pro Vorstellung erhöht. Wir zeigen einen Mix aus Hits und Stücken, die das Publikum herausfordern.«
Studiert hat Mulders ziemlich vielfältig. Nicht nur Musikwissenschaften, sondern auch Archäologie, Italienisch und Kunstgeschichte. Außerdem ist er ein guter Pianist. »Meine Eltern wussten nicht,« erzählt er, »dass ich für ein Klavierstudium an der Musikhochschule vorgespielt habe. Aber ich habe schnell erkannt, dass ich nicht als ausübender Künstler weitermachen wollte, sondern als Produzent.« Er wurde Manager des niederländischen nationalen Jugendorchesters in Amsterdam. Als herausragender Experte für Stimmen konzentrierte er sich dann auf die Oper. Hein Mulders ist jemand, der fest daran glaubt, dass eine Gesellschaft das Opernrepertoire braucht. In Essen hat er neben den Klassikern viele selten gespielte Stücke in den Spielplan genommen. Und verschiedenste Regiestile gezeigt. Nun hat er mit der Oper Köln ein Musiktheater, das ihm alle Möglichkeiten bietet.