Der Messefrühling lockt ins schicke Böhler Areal: Bei der Art Düsseldorf zeigen 95 Galerien ihr Angebot. Zehn Solos werden präsentiert – drei haben wir ausgewählt und stellen sie hier vor.
Der Messefrühling lockt ins schicke Böhler Areal, wo sich die Türen für die fünfte Ausgabe der Art Düsseldorf öffnen. In den alten Fabrikhallen zeigen diesmal 95 Galerien ihr Angebot. Dabei nutzen vor allem wieder führende Kölner und Düsseldorfer Händler*innen die Bühne vor der eigenen Haustür. Um die 30 kommen aus dem Rheinland, immerhin etwa ebenso viele Aussteller*innen reisen aus Berlin an. Neu sind diesmal eine eigene Sektion für jüngere Galerien, »Next« genannt. Und ein weiteres Sonderprogramm, das unter dem Label »Solo Projects« einzelnen Künstler*innen einen großen Messe-Auftritt einrichtet. Zehn Solos werden in diesem Jahr präsentiert – drei haben wir ausgewählt und stellen sie hier vor.
Die Familie im Fokus: Morgaine Schäfer bei fiebach, minninger
Während des Studiums hatte sie den Schatz gehoben. Ein riesiges Archiv von Dias – lauter Familienfotos, aufgenommen vom Vater in den 1970er und 80er Jahren. Morgaine Schäfer (Jahrgang 1989) war damit schon 2017 bei ihrer Abschlussarbeit als Meisterschülerin von Christopher Williams an der Düsseldorfer Kunstakademie umgegangen. Seither dreht und wendet sie das Material. Ordnet und sortiert, erforscht und verwandelt die alten Bilder. Dabei fällt ihr Blick immer wieder auf Frauen aus der Familie – auf die Großmutter, die Tante und vor allem auf die eigene Mutter, die als junge Frau aus Polen nach Westdeutschland gekommen war, Morgains Vater kennengelernt und geheiratet hatte. Auf den Familienfotos aus dem Archiv ist sie in etwa so alt wie die Tochter heute.
Was Morgaine Schäfer dabei interessiert, ist nicht nur die eigene Geschichte, die eigene Identität. Die Künstlerin geht weiter. Sie versucht, dem Leben der Mutter nahezukommen – zwischen Ost und West als Frau in der Fremde während der 1970er Jahre. Manchmal fragt sich die Künstlerin, warum die Mutter so melancholisch scheint. Von diesen persönlichen Fragestellungen ausgehend, erforscht sie die Rolle und Selbstdarstellung der weiblichen Familienmitglieder im Allgemeinen und richtet ihr Augenmerk nicht zuletzt auch auf den Vater, der die Frauen mit seinem männlichen Blick ins Visier nimmt.
Um den Lichtbildchen auf den Grund zu gehen, legt Morgaine Schäfer sie im Atelier auf einen Leuchttisch. Und benutzt statt der Lupe das Handy, mit dem sie sich tief in die vergangenen Lebenswelten hineinzoomt, Motive oder Personen aus ihrem Umfeld herauslöst. Immer wieder lässt sie dabei das Bild der Mutter aus der Menge treten, isoliert die junge Frau und zeigt sie mitunter auch nur teilweise – die Beine im pinken Rock und auf hohen Hacken etwa, vor ihrem Bauch baumeln zwei Babybeine in Sandalen, die wohl zu Morgaines älterem Bruder gehören.
Aus der Arbeit mit dem Handyzoom heraus hat die Künstlerin nun auch ihre aktuellen Werke entwickelt, die beim Einzelauftritt am Stand der Kölner Galerie fiebach, minninger zu sehen sein werden. Es sind Fotos im Foto: Das Dia im Ausschnitt auf Morgaine Schäfers Smartphone-Display. Eine spannende Mischung. Ein halbes Jahrhundert alte Fotos, gesehen durch die digitale Lupe, die wiederum abfotografiert wurde – Gestern und Heute in ein und demselben Bild.
Verdrehte Realitäten: Alwin Lay bei Koenig2 by_robbygreif
Zwei gelbe Ballons. Ob sie ohne ihr Netz wohl davonflögen? Natürlich nicht, denn die Ballons sind ja Zitronen. Womöglich hat Alwin Lay sein Foto einfach auf den Kopf gestellt und die Früchte so der Schwerkraft enthoben. Es ist eine immer wiederkehrende Strategie in den sorgsam konstruierten und inszenierten Fotos, Videos, Installationen des 1984 in Rumänien geborenen, jetzt in Köln lebenden Künstlers. Durch gezielte Eingriffe wirft Alwin Lay Gesetzmäßigkeiten aus der Bahn. Realitäten werden verdreht. Mal heben Zitronen ab, mal stemmt der Anfang vom Klebestreifen den ganzen Rest der Rolle, oder ein Stück Kabelbinder wirft den Schatten einer Gabel.
Es geht noch aufwändiger: So hat Alwin Lay auch schon einmal eine Espressomaschine in die wasserdichte Vitrine gestellt und in 36 Einzelbildern dokumentiert, wie der unablässig produzierende Apparat schließlich im eigenen Saft ertrinkt – sich buchstäblich zu Tode arbeitet. Bei solchen Bildern bewegen natürlich nicht nur die befremdlichen, absurden, humoristischen Pointen. Alwin Lay, der an der Düsseldorfer Kunstakademie und an der Kunsthochschule für Medien in Köln studiert hat, denkt nach über sein Medium und macht klar, wie sehr die Fotografie unsere Wahrnehmung und unser Verständnis von Realität beeinflusst hat. Darum geht es jetzt auch bei seinem Solo-Auftritt am Stand von Koenig2 by_robbygreif, ein Ableger der Wiener Christine König Galerie. Präsentiert werden dort Arbeiten der letzten drei Jahre.
Dampflok aus dem Drucker: Manuel Graf bei Van Horn
Schornstein, Räder, Führerhaus – es sieht fast wie eine Dampflock aus, futuristisch frisiert und glattpoliert. Eigens für sein Messe-Solo bei Van Horn hat Manuel Graf diese neue Werkgruppe entwickelt und will am Stand der Düsseldorfer Galerie gleich mit einer kleinen Flotte solcher Fahrzeuge auffahren. Der 1978 im baden-württembergischen Bühl geborene und lange schon in Düsseldorf lebende Künstler hat allerhand ausprobiert: Videoarbeiten, Computeranimation, Malerei, Keramik, Installationen… Thematisch geht es ihm dabei immer wieder um die Entwicklung der menschlichen Existenz und um ihre kulturellen und technischen Errungenschaften.
Und so hatte Manuel Graf wohl auch bei seiner neuesten Werkgruppe die historische Bedeutung der Lock als Fortschritts-Treiberin im Kopf. Denn für seine Skulpturen sind Technik und Fortschritt ebenso wesentlich. Man muss wissen, dass sie sämtlich aus dem 3D-Drucker stammen und ihre besondere Form nicht vom Künstler erfunden, sondern per KI kreiert ist. Manuel Graf hat dazu einen Text-zu-Bild-Generator benutzt, dem ein paar Anweisungen reichen. Eine mehr oder weniger genaue Beschreibung, und die Künstliche Intelligenz beginnt ihre Suche in Millionen von Bildern aus dem Internet. Je nach Vorgaben wählt sie dann aus dem bereits bestehenden und gespeicherten Bild-Material einzelne Elemente aus und fügt sie neu zusammen. Dann kommt der 3D-Drucker zum Einsatz und macht ein Modell daraus, das vom Künstler per Hand überformt und dann ganz traditionell in Metall gegossen wird.
Eine Attacke auf die traditionellen Vorstellungen von Kunst sind diese Lokomotiven ganz sicher. Manuel Graf geht aber noch einen Schritt weiter. Selbst den Infotext zu seiner Schau hat er einer KI überlassen. Chat GPT versteht den Künstler vielleicht am besten und weiß folgendes: »Während sich manche durch den Aufstieg der KI in der Kreativbranche bedroht fühlen, sieht Graf die KI als Sparringspartner.« Es kommt noch besser: »Mit dem Aufkommen von Werkzeugen der Künstlichen Intelligenz (KI), die Text in Bilder umwandeln, sehen wir eine Chance für eine Demokratisierung der kreativen Mittel. Der kreative Prozess wird für alle zugänglicher, unabhängig von ihrem sozioökonomischen Hintergrund oder ihrem Bildungsniveau.« Findet der Roboter.
Art Düsseldorf
31. März bis 2. April