Der 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven wirft schon jetzt seine Schatten voraus – unser Ausblick auf Konzertprojekte, Flashmobs und einen eigenen Wein.
Bis zu seinem letzten Atemzug blieb Beethoven Freund eines guten Tropfens. So soll er noch an seinem Todestag im Jahr 1827 ein Weinpräsent mit zwölf Flaschen Rüdesheimer Bergwein mit den Worten quittiert haben: »Schade, schade – zu spät«. Dass Beethoven gerne mal ein, zwei, drei Gläschen getrunken hat, haben aber nicht nur Zeitgenossen bezeugt, sondern auch die nach seinem Tod festgestellte »dekompensierte Leberzirrhose«. Der komponierende Weinliebhaber wäre daher garantiert mehr als erfreut gewesen, wenn er jetzt von einem Winzer-Projekt erfahren hätte, mit dem man im Jahr 2020 auch seinen 250. Geburtstag feiert.
In Zusammenarbeit mit dem Bonner Beethoven-Haus bringt das in Hessen ansässige Weingut Wegeler eine Beethoven-Edition heraus. So wurden für die Etiketten der sechs verschiedenen Weine Zitate aus Beethovens einziger Oper »Fidelio« ausgewählt. Natürlich wurde eine Bouteille auch auf »Leonore« getauft. Schließlich hieß so eine junge Dame, in die Beethoven noch zu Bonner Zeiten genauso verschossen war wie sein guter Freund Franz-Gerhard Wegeler, der später auch das gleichnamige Weingut mitbegründete.
Dieser in kleiner Stückzahl abgefüllte Beethoven-Wein gehört zu den eher kuriosen Beiträgen eines Mammutprogramms, mit dem die Bonner »Beethoven Jubiläums GmbH« 2020 den Zukunftsmusiker hochleben lässt. Unter dem Motto »Beethoven neu entdecken« wurde dafür unter der künstlerischen Gesamtleitung von Malte Boecker ein Veranstaltungsreigen zusammengestellt, der nicht nur Konzerte, Ausstellungen, Vorträge, Flashmobs und Mitmach-Aktionen umfasst, sondern sich quasi wie ein riesiges Netz von Aachen bis Paderborn auf ganz NRW legt.
Dreh- und Angelpunkt von »BTHVN2020« (so das offizielle Logo) ist natürlich die ehemalige Bundeshauptstadt, wo die Beethoven-Maschinerie schon jetzt auf erste Hochtouren kommt. Nach dem feierlichen Eröffnungstusch am 16. Dezember, bei dem Bonns GMD Dirk Kaftan unter anderem Beethovens herrlich pathetische »Chorfantasie« dirigiert, sollte man sich fünf Tage später ausreichend Verpflegung für einen Beethoven-Marathon einpacken. An 30 Spielorten garantieren rund 60 Ensembles und Künstlergruppen in fast 90 Vorstellungen vertraute und ungewöhnliche Einblicke in die Welt Beethovens. Dirk Kaftan und sein Beethoven Orchester spielen alle neun Sinfonien. Die Tanztheatergruppe BonnDanza erzählt choreographisch aus dem Leben des Musikrevolutionärs. Und auch mit Jazz wird der Bogen zum Wiener Klassiker geschlagen.
Kammermusikfest »Beethoven pur«
Der erste große Höhepunkt im eigentlichen Beethoven-Jahr findet dann im Bonner Beethoven-Haus statt. Das von der Top-Bratscherin Tabea Zimmermann kuratierte Kammermusikfest »Beethoven pur« präsentiert in 16 Konzerten erstklassige Interpreten wie die Geigerin Isabelle Faust und den Hammerklavier-Spezialisten Kristian Bezuidenhout. Den Eröffnungsvortrag hält Jörg Widmann. Kein Musiker des 21. Jahrhunderts, so der Komponist, Klarinettist und Dirigent, komme heute an Beethoven vorbei: »Seine revolutionären Neuerungen sind so frisch, aktuell und uns herausfordernd wie am ersten Tag. Und obwohl man Beethoven eigentlich nicht speziell feiern müsste, ist das Jubiläumsjahr 2020 eine tolle Gelegenheit, die humanistische Botschaft und den Wunsch Beethovens Realität werden zu lassen, dass seine Musik ‚von Herzen wieder zu Herzen gehen‘ möge.«
Simon Rattle in Bonn
Warum Widmann vor allem Beethovens 7. Sinfonie wegen ihrer unwiderstehlichen bacchantischen Energie bewundert, lässt sich im Februar anhand einer First-Class-Aufführung nachvollziehen. Wenn das London Symphony Orchestra unter Leitung von Simon Rattle mit dem sinfonischen Klassiker in Bonn gastiert und dabei auch ein Werk des Chinesen Tan Dun uraufführt. Selbstverständlich ist aber auch in den musikalischen Spitzenzentren von NRW Beethoven allgegenwärtig. In der Essener Philharmonie gibt es halbszenisch den »Fidelio« mit der schwedischen Weltklasse-Sopranistin Nina Stemme als »Leonore«. Im Mai ist Ulrich Tukur als Sprecher zusammen mit Dirigent Ivor Bolton in Beethovens Schauspielmusik »Egmont« zu erleben. Im Dortmunder Konzerthaus steht hingegen nicht nur mit Dirigent Thomas Hengelbrock die Rekonstruktion eines reinen Beethoven-Konzerts an, das am 22. Dezember 1808 in Wien stattfand. Am 20. Juni wechselt sich das Belcea Quartet mit dem Quatuor Ébène bei Beethovens sämtlichen Streichquartetten ab. In der Düsseldorfer Tonhalle kombinieren die Symphoniker dann etwa im Juni ein neues Percussionkonzert von John Psathas mit Beethovens »Pastorale«. Wie für den Dortmunder Konzerthaus-Intendanten Raphael von Hoensbroech ist übrigens auch für Tonhallen-Intendant Michael Becker der langsame Satz aus Beethovens »Hammerklavier«-Sonate ultimativ. Es stammt aus dem »Einsame Insel«-Stück.