Dort, wo Annette von Droste-Hülshoff einst wandelte, ist ein Lyrikweg entstanden. Auf ihm lässt es sich nicht nur wunderbar zurück auf ihre großartige Literatur schauen, sondern auch nach vorn – dafür haben Autor*innen, Künstler*innen und Wissenschaftler*innen Texte, Bilder, Hörstücke und Filme beigesteuert.
Manchmal kann man sie also auch fühlen. Die gute, alte Zeit: Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848) wanderte nicht nur viel, sie sammelte auch. Ständig. Und war nicht zuletzt auch dafür unterwegs. Marion Poschmann erinnert daran, in dem sie sich in ihrem Text »Die Mergelgrenze« künstlerisch mit Annettes Gedicht »Die Mergelgrube« auseinandergesetzt hat. Auf dem neuen Lyrikweg zwischen Burg Hülshoff und Haus Rüschhaus gibt es eben nicht nur reichlich Texte zu entdecken, sondern auch das: eine ertastbare Fossiliensammlung mit Muscheln, Ammoniten und Mammutzähnen.
Was hat die Droste uns heute noch zu sagen? Was beeinflusste ihre Literatur und ist bis heute noch sichtbar – und wie geht es weiter mit ihrem Werk? Mit all diesen Fragen beschäftigt sich das Centre for Literature in Havixbeck programmatisch das ganze Jahr über. Jetzt allerdings auch inmitten der Natur: Auf einem sieben Kilometer langen Wanderweg werden Vergangenheit und
Gegenwart in Verbindung gebracht. Gedichte und Briefe
der Droste treffen auf heutige Texte, sollen mit neuen Künsten und Medien ins Gespräch kommen und den Wandel der Landschaft zeigen. So haben etwa der amerikanische Autor Shane Anderson und der Musiker Hendrik Weber aka Pantha du Prince Annettes zentralen Themen Abschied und Wandel ein Denkmal gesetzt – am Gedenkstein auf halbem Weg zwischen ihren beiden Lebens- und Arbeitsorten. Zu hören gibt es ein Hörstück, per App. Antje Vowinckel hat einen Audiowalk entwickelt, eine Tour durch eine Art »Sprechlandschaft«, wie es in der Ankündigung heißt. Im Rüschhaus wartet ein animierter Kurzfilm von Anna Kohlweis auf die Besucher*innen. Ein Werk über Räume und Rückzug, Sehnsucht und Fernweh – genau richtig, um Neues in der Heimat zu entdecken.
Dark Droste
Mittsommer auf Burg Hülshoff: Vom 23. bis 27. Juni erforscht ein digitales Festival die dunkle Seite der Droste.
»Oh schaurig ist’s, übers Moor zu gehen / Wenn es wimmelt vom Heiderauche / sich wie Phantome die Dünste drehn / und die Ranke häkelt am Strauche.« Annette von Droste-Hülshoff konnte hervorragend Schauergeschichten erzählen, wie ihre Ballade »Der Knabe im Moor« aus dem Jahr 1842 zeigt.
Das Droste Festival des Center for Literature stellt dementsprechend vom 23. bis 27. Juni sein digitales Programm aus Lesungen, Performances, Film-Vorführungen, Workshops und Walks unter das Motto »Dark Magic«. Sind wir tatsächlich aufgeklärter als zu Drostes Zeiten? Die heutigen Verschwörungstheorien zeigen, dass der Glaube an dunkle Mächte nicht verschwunden ist. Was bedeutet Magie im 21. Jahrhundert, wo ist sie zu finden? Und warum braucht man sie, wenn scheinbar nichts mehr hilft?
Dieser Frage widmen sich die Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal und der Filmemacher Michael Roes in ihren Keynote Lectures. Der schottische Dichter John Burnside liest aus seinem Memoir »Liebe und Magie« und Marcel Beyer widmet sich mit Anna Polke den Korrespondenzen zwischen Thomas Kling und Sigmar Polke. Der Autor, Maler und Musiker Hendrik Otremba ist mit einer Lesung von »Kachelbads Erbe« dabei und die Dichterin Rike Scheffler traut sich auf einen nächtlichen Witchcraft-Walk auf den dann neueröffneten Lyrikweg. Und wer weiß? Vielleicht ist’s ja doch nicht so schaurig, übers Moor zu gehen?
23. bis 27. Juni 2021