Das Museum für Angewandte Kunst in Köln zeigt unter dem Titel »The Look of Sound« Musiker-Fotos von Norman Seeff.
Blitz, Blitz, Blitz. Und dazu: Kleine Improvisationen am Klavier. Lässig dahin geklimpert von Ray Charles, während das Licht hart in sein Gesicht schießt und ihm Norman Seeff unentwegt Fragen stellt: Seit wann spielst du Klavier? Was bedeutet dein Instrument für dich? Wie entsteht eigentlich Kreativität? Vor allem die letzte sollte zu einer Schlüsselfrage für den Südamerikaner werden: Jahrzehntelang hatte Norman Seeff Musiklegenden der 60er bis 80er Jahre wie Patti Smith, die Rolling Stones, Johnny Cash oder Miles Davis, aber auch den Pop-Art-Künstler Andy Warhol oder Apple-Mitbegründer Steve Jobs fotografiert und versucht, ihren Leidenschaften nachzuspüren. Wenn Seeff Fragen stellte, dann sehr konkret zu dem, was die Künstler vor der Kamera gerade beschäftigte, woran sie gerade arbeiteten. Nicht selten begleitet von der Filmkamera, die eben auch die Gespräche zwischen Modell und Fotograf festhielt. Heute sind Seeffs Sessions ein Stück Musikgeschichte in Schwarz-Weiß. Und nun bis 8. März 2020 im Museum für Angewandte Kunst in Köln (MAKK) ausgestellt.
Im Bett mit Chaka Khan
Dass Seeff überhaupt seine Aufnahmen zeigt, ist besonders. Denn obwohl er geradezu ikonische Musiker-Fotos machte – ausgestellt wurden sie sehr lang nicht. Der Autodidakt, der in Südafrika eigentlich als Arzt arbeitete, ehe er 1968 als Illegaler nach New York kam, um schon zwei Jahre später Artdirector von United Artists Records und dem Jazzlabel Blue Note zu werden, hatte sie nie öffentlich gezeigt – abgesehen natürlich von Plattencovern mit seinen Aufnahmen. Erst 2009 war Seeff durch eine Ausstellung über den US-amerikanischen Architekturfotografen Julius Shulman auf den Kurator Thomas Schirmböck aufmerksam geworden, der seine 170 Fotos (darunter auch Kontaktabzüge), Entwürfe und Collagen nun in Köln präsentiert. Das Besondere an der Schau im MAKK ist die Kombination der Fotos mit kurzen Filmpassagen, die nicht nur Seeffs Arbeitsweise zeigen. Sondern auch geradezu intime Charakterstudien sind: 1976 tanzte Donna Summer so selbstvergessen in Seeffs Studio, dass unser Blick auf sie fast voyeurhaft wirkt – zu intim scheint der Moment, die Pose mit ausgestellten Hüften und geschlossenen Augen. Zweifelnd prüft Tina Turner ihr Aussehen in einem Taschenspiegel, während Frank Zappa einen Ventilator wie eine Trophäe präsentiert: »Ich musste vor allem lernen, eine Umgebung zu schaffen, in der sich die Personen zutrauten, sie selbst zu sein«, erinnert sich Seeff.
Selbstzufrieden reibt sich John Travolta auf einem seiner Fotos den Bauch. Breitbeinig, in hohen Stiefeln und Reizwäsche räkelt sich Carly Simon auf dem Fußboden. Ja, das wirkt erotisch, aber nicht lasziv, sondern irgendwie auch entwaffnend. Vergnügt liegt Chaka Khan im Bett und zeigt ihre nackten Füße. »Wenn der Augenblick echt und lebendig war, dann war auch das Bild echt und lebendig«, so Seeff, der allein Joni Mitchell ab 1972 über 15 Jahre zwölf Mal fotografierte. Besonders ist die verblüffende Nähe, die der Betrachter spürt: Unendlich weit entfernte Bühnengötter wirken bei Seeff wie zwar selbstbewusste, aber vor allem nahbare Künstler, die ihn entweder in seinem Studio besuchten oder den Fotografen selbst in ihr unmittelbareres Umfeld, in ihre vertraute Umgebung, einluden. Dass die Ausstellung »The Look of Sound« heißt, ist nur konsequent, denn sie erinnert auch an jene Ära der Schallplattenhüllen, auf denen die Musikindustrie das Image einer Band mit der Bildebene verband. Gerade in Zeiten von Spotify längst ein Stück Musik- und Kulturgeschichte – reif fürs Museum.
bis 8. März 2020