Wie heißt es so schön: Die Familie kann man sich nicht aussuchen. Aber stimmt das überhaupt? Oder können wir unsere Familie auch ganz einfach selbst kuratieren? Diese und viele weitere Fragen stellen sich die Duisburger Akzente unter dem Motto »Familienbande«: Vom 1. bis 24. März lädt das Kunst- und Kulturfestival an über 30 Orte nach Duisburg ein, um traditionelle Familienbilder zu hinterfragen und alternative Konstellationen zu erforschen. In Theateraufführungen, Konzerten, Ausstellungen, Filmen und Diskussionen werden abwesende Väter angeklagt, konservative Rollenbilder aufgelöst und Stadtteile zu Familien gemacht, generationsübergreifende Geschichten geschrieben, Familienausflüge gemalt und Kindheitserinnerungen besungen.
Das diesjährige Thema »Familienbande« sei allerdings nicht im Sinne eines ganzheitlichen Familienfestivals zu verstehen – dafür stehe im Mai das KinderKulturFestival an, erklärt Petra Schröder, Leiterin der Kulturbetriebe Duisburg. Events für die ganze Familie gibt es bei den Akzenten nur vereinzelt, dafür jedoch eine große Band(en)breite an inhaltlicher Auseinandersetzung mit dem Thema.
Seit 1977 sei das Festival wesentlicher Bestandteil des kulturellen Lebens der Stadt, betont Schröder. Als sein »Herzstück« bezeichnet sie das Akzente-Theatertreffen, das neben Eigenproduktionen des Theaters Duisburg wieder hochkarätige Gastspiele einlädt. Besuch aus Hamburg gibt es zur Eröffnung des Theatertreffens vom Thalia Theater mit dem Stück »Intervention!« von Sven Regener und Regisseur Leander Haußmann: Eine Familie plant die Intervention gegen Markus‘ (Jens Harzer) missratenen Sohn Jannis. Als »Intervention der Intervention« bezeichnet Projektmanager Clemens Richert diese Inszenierung, die von den Autoren nach der Uraufführung auf zwei Stunden ohne Pause gekürzt wurde. Wer sich für die Genese des Stücks interessiert, sollte die Einführung eine halbe Stunde vor den Aufführungen im Foyer nicht verpassen. Aus Berlin begrüßen die Akzente das Theaterkollektiv Glossy Pain mit Golda Bartons »SISTAS!«, einer Überschreibung von Tschechows »Drei Schwestern«. Erst 2023 war das Stück, das Identität und Zugehörigkeit einer Schwarzen Familie in Deutschland thematisiert, für den Mülheimer Dramatikpreis nominiert.
Literatur, Musik und bildende Kunst
Dass die Zentralbibliothek in Duisburg nach zwei Jahren wieder »in die Akzente-Familie zurückkehrt«, freut Richert besonders. Hier kann man bei sechs Lesungen Autor*innen und ihre Familiengeschichten erleben. So etwa Judith Hermann, die mit ihrem autofiktionalen Roman »Wir hätten uns alles gesagt« über die eigene Kindheit zuletzt mit dem Wilhelm-Raabe-Preis ausgezeichnet wurde. Noch nicht ganz so lange dabei, doch schon jetzt hoch gelobt ist auch Caroline Wahl. Sie liest aus ihrem mit dem Ulla-Hahn-Autorenpreis prämierten Debütroman »22 Bahnen«, der von der Zerrissenheit einer jungen Frau zwischen familiärer Verantwortung und individueller Freiheit erzählt.
Eine besondere Rolle misst Richert dem musikalischen Programm des Festivals bei und hebt in diesem Zuge die Duisburger Musiker Tom Liwa und Philipp Eisenblätter als ausgezeichnetes Singer-Songwriter-Duo hervor. »Ausgezeichnet« im wahrsten Sinne, wurde doch Liwas Album »Eine andere Zeit« vom Rolling Stone zum Album des Jahres 2022 ernannt. Für Partystimmung wollen die Brüder David und Elias Engler sorgen, die seit ihrer Kindheit gemeinsam Musik machen. Mit ihrer Electric-Soul-Band Tanga Elektra bringen sie an Geige und Schlagzeug Neo-Soul- und Funk-Elemente in die cubus kunsthalle.
Auch Fans der bildenden Kunst dürften auf ihre Kosten kommen, etwa bei der Ausstellung »Ties that Bind – Photography and Family« in der Kulturkirche Liebfrauen: Jedes Jahr prämiert die Stiftung World Press Photo die besten Pressefotografien der Welt. In einer eigens für die Duisburger Akzente kuratierten Sammlung werden 60 Fotos der vergangenen 23 Jahre ausgestellt, die unterschiedliche Familienkonzepte und Verbindungen aufgreifen – von einer Fußballmannschaft aus Ebola-Überlebenden über Bauernfamilien in Rumänien bis zu LGBTQ+-Communities auf den Philippinen. Wer mit der ganzen Familie zum Festival kommen möchte, kann an Aktivitäten für Groß und Klein teilnehmen. Beim Open-Air-Marathon »Duisburg tanzt!« können Familien gemeinsam das Parkett am Dellplatz stürmen. Das Konzept ist einfach: Wer am längsten durchhält, gewinnt.
Zu einem kostenlosen Familientag lädt das Lehmbruck Museum in eine »interaktive Tastausstellung« ein. Während Anfassen normalerweise im Museum streng verboten ist, ist es bei »Shape!« sogar erwünscht. So können Formen und Figuren ertastet und Materialien erkundet werden. Nicht zuletzt bietet das Thema Familie Zündstoff für Diskussionen, die bei diversen Vorträgen und Gesprächsrunden ausgeführt werden: Welche Familienbanden werden im Alten Testament beschrieben und welche Arbeiterfamilien in Büchern übers Ruhrgebiet? Welche Geheimnisse stecken hinter der Sagrada Familia? Und was bewegte Familien zu Kriegszeiten?
1. bis 24. März