TEXT: STEFANIE STADEL
Seit Jahren dümpelte sie vor sich hin. Alle Versuche, die alte Mutter aller Kunstmessen wieder flott zu machen, schienen vergeblich. Immer mehr Top-Galerien gingen von Bord. Doch nun sieht es auf einmal so aus, als habe die Art Cologne wieder Fahrt gewonnen – der Ruck, den man 2009 in Köln verspürte, ist nicht ohne Wirkung geblieben. Die Ausstellerliste der kommenden 44. Ausgabe hat gegenüber der vom letzten Jahr qualitativ noch einmal zugelegt. Und die Stimmung unter den rund 200 Galerien, die vom 21. bis zum 25. April ihre Kojen in Köln belegen werden, fühlt sich wie Aufbruch an.
Dabei schaut die komplette Besatzung offenbar hoffnungsfroh auf den neuen Messeleiter Daniel Hug, Kunsthistoriker und Galerist aus Los Angeles, der vor knapp zwei Jahren das Ruder in Köln übernahm. Bereits bei seiner ersten Art Cologne hatte er 2009 die Präsentation auf den zwei Ebenen in Halle elf übersichtlicher gestaltet. Das bewährte System wird beibehalten: Unten die klassische Moderne, Nachkriegskunst und durchgesetzte Zeitgenossen, oben weniger Etabliertes und jüngste Positionen.
Auch war es Hug im vergangenen Jahr gelungen, eine Hand voll einflussreicher Galerien aus dem In- und Ausland zurückzuholen. Den Düsseldorfer Hans Mayer etwa und, besonders erfreulich, Annely Juda aus London. Sie sind auch diesmal wieder dabei. Hinzu kommen 2010 noch einige prominente Wiederkehrer mehr: Karsten Greve mit Galerien in Köln, Paris und Sankt Moritz zum Beispiel oder Jörg Johnen aus Berlin; Rüdiger Schöttle aus München und Sprüth Magers, die Galerien in Berlin und London führen.
Wie hat es Hug geschafft, die Aussteiger erneut für Köln zu begeistern? »Ich glaube, das hat sehr viel zu tun mit dem Erfolg 2009«, lautet die Antwort. »Die Verkäufe waren sehr gut – trotz der Krise.« Die Bilanz ist aber wohl nicht alles. Der neue Chef – es hat sich herumgesprochen – steht für Quali-tät und Konzentration auf dem Kölner Kunstmarkt. Und für mehr Internationalität, die allenthalben gelobt wird, wenn von Hugs Arbeit in Köln die Rede ist.
Allerdings scheint der Blick auf die deutsche Szene dem Amerikaner mit Schweizer Pass mindestens ebenso wichtig. Deutschland sei nach den USA der zweitwichtigste Standort für Kunst, so Hug. »Aus den Vereinigten Staaten und aus Deutschland sind in den letzten hundert Jahren die wichtigsten Künstler gekommen.« Ein Pluspunkt, den Hug hoch bewertet.
Franziska Holstein ohne Titel (2 Kreise) Acryl, Öl, Siebdruck auf Leinwand 150 x 200 cm 2009. Galerie Ehrentraut
Er will mit der Art Cologne einen Querschnitt durch die deutsche Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts bieten. »Das erwarten die internationalen Sammler – für viele ist genau das der Grund, nach Köln zu kommen.« Damit liegt er sicher richtig. Es braucht schon etwas Eigenes, um sich aus der großen Menge internationaler Kunstmessen herauszuheben. Und die Art Cologne kann dabei sicher am ehesten auf ihre Tradition und die Standortvorteile im an Sammlern und Kunstinstitutionen reichen Rheinland setzen. Nachvoll-ziehbar deshalb auch der große Ehrgeiz, den Hug darauf verwendet, die wichtigsten deutschen Galerien in Köln zu versammeln.
DIE WIEDERKEHRER Unter den Größen, die 2010 auf die alte »Art« nach Köln zurückkehren werden, ist auch Gerd Harry Lybke und seine in Leipzig und Berlin ansässige Galerie Eigen + Art. Als Galerist ist Lybke mit der »Neuen Leipziger Schule« groß geworden – und sie mit ihm. Neben der hochgejubelten Maler-Truppe stehen auf seiner Liste aber auch viele Künstler, die nichts mit dem Leipzig-Hype zu tun haben. Mit einem großen Blick übers Programm will Lybke nun in Köln Eindruck machen und dabei auch an seinen letzten Art-Cologne-Auftritt vor zwölf Jahren anknüpfen: Birgit Brenner, Carsten und Olaf Nicolai, Martin Eder, Maix Mayer, Neo Rauch, Matthias Weischer, Tim Eitel … – die meisten waren schon damals dabei und haben nun eigens für den Kölner Auftritt frische Arbeiten abgeliefert.
Warum hat Gerd Harry Lybke sich zur Rückkehr entschlossen, nach so langer Zeit? »Es ist uns wichtig, den Sammlern, die wir aus Köln und Umgebung kennen, die Arbeiten in ihre Stadt mitzubringen«, antwortet er und hat dabei natürlich nicht nur den selbstlosen Service-Gedanken im Kopf. Vielmehr bemerkt der Galerist, dass die rheinische Kundschaft wieder zunehmend das Angebot vor der Haustür nutzt. »Es gab eine Zeit, da spielte sich alles in Berlin ab«, doch die sei wohl vorbei. Und wenn der Kunde nicht mehr nach Berlin kommt, dann muss man sich eben selbst in Bewegung setzen. Auch sieht Lybke Besserung, was das Interesse internationaler Sammler angeht. Nach vielen schlechten Jahren kämen jetzt wieder viel mehr davon an den Rhein, bemerkt er. »Es liegt sicher daran, dass die Messe viel kleiner geworden ist und auf höhere Qualität setzen kann.«
Lange nicht gesehen hat man auch Rüdiger Schöttle in Köln. Er war in den Anfangsjahren des Kunstmarktes dabei, pausierte aber dann Jahrzehnte. Beworben habe er sich nun eigentlich nur wegen Hug, den er sehr schätze. Schöttle bringt aus München Arbeiten der Becher-Schüler Thomas Struth und Candida Höfer mit. Dazu überraschende Neuigkeiten von Thomas Ruff, der in seinen jüngsten Werkgruppen »Cassini« und »Zycles« auf Material aus dem astronomischen Archiv der NASA zurückgreift sowie auf Kupferstichtafeln aus dem 19. Jahrhundert, die elektromagnetische Felder zeigen. Daneben will die 1972 in Mexiko Stadt geborene Lorena Herrera Rashid in Schöttles Förderkoje riesige Papierblumen präsentieren.
DIE BERLINER Mit über 40 Galerien auffallend stark ist diesmal die Fraktion der Berliner – selbst im Vergleich zu Köln mit rund 35 Teilnehmern. Nach einigen Jahren Art-Cologne-Pause reist auch Giti Nourbakhsch nun wieder an, nicht zuletzt, weil sie angetan ist von Hugs Arbeit. Am Gemeinschaftsstand werden sie und ihre Kollegin Karin Günther ein sicher sehr effektvolles Solo mit Arbeiten von Berta Fischer arrangieren. Die 1973 in Düsseldorf geborene Künstlerin schafft aus Folien, PVC und Acryl feine, federleichte Objekte. Sie liegen auf dem Boden oder hängen an dünnen Fäden von der Decke. Manchmal kommt Laserlicht ins Spiel oder Motoren, die leise kreisend zum monotonen Tanz antreiben. Nourbakhsch hatte sich von der Art Cologne verabschiedet, weil sie mit ihrem Standing als Berliner Galerie in Köln nicht glücklich war. Inzwischen aber seien die Grabenkämpfe zwischen Köln und Berlin ermattet und die rheinischen Gastgeber vielleicht neugieriger und unvoreingenommener, so hofft sie.
Christian Ehrentraut hat ein gespaltenes Verhältnis zu Kunstmessen, deshalb verzichtete er 2009 ganz auf Messeauftritte. Seine Galerie mit ihrem malerisch geprägten Programm zähle zwar zu den jungen, passe aber profilmäßig nicht recht hinein in topaktuelle Zusammenhänge. Ehrentraut beschreibt seinen Geschmack als eher konservativ. Auch deshalb sei ihm der traditionsreiche Kunstmarkt in Köln viel sympathischer als die hippen Messen zwischen London und Miami. Einen Pluspunkt sieht er bei der Art Cologne im breiten Angebot von klassisch bis aktuell, das Hug in allen Bereichen auf ein sehr gutes Level gebracht habe. Auch das Publikum in Köln gefällt Ehrentraut – statt Modekunden kämen Connaisseure. Er will ihnen drei Positionen präsentieren – alle Maler und alle in den Siebzigern geboren.
DIE JUNGEN Gratiskojen für den Künstlernachwuchs, das Förderprogramm für junge Galerien – mit solchen Vergünstigungen bemüht sich die Art Cologne seit vielen Jahren um frischen Wind in den Messehallen. Auch der 2005 eingeführte Open Space, eine Art Spielwiese für oft ungewöhnliche Einzelauftritte, scheint besonders bei den jüngeren angesagt.
Der Blick auf die Ausstellerliste zeigt, dass Hug speziell den jüngeren Bereich in Sachen Qualität und Internationalität ein schönes Stück nach vorn gebracht hat. Mit 1301PE aus Los Angeles und mit den New Yorkern John Connelly Presents und Broadway 1602 sind drei neuere Topgalerien aus den USA an Bord.
Ein Umfeld, in dem sich auch Iris Kadel sehr wohl fühlt. In den wenigen Jahren seit der Eröffnung ihrer Galerie 2003 in Karlsruhe hat sie einen steilen Weg nach oben hinter sich gebracht mit einem Programm, das sich ungefähr zur Hälfte aus internationalen Positionen und zur anderen aus Künstlern von der Akademie in Karlsruhe zusammensetzt. Diese Mischung bestimmt nun auch ihre Präsentation in Köln. Zur Karlsruher Abordnung gehört die 37-jährige Myriam Holmer. Mit allerlei Zutaten – Glasfarben, Pigmente, Beize – setzt sie auf großen Aluplatten beinahe alchemistische Malprozesse in Gang.
Man scheint in Köln offen für ausgefallene Ideen. Ein gutes Beispiel bietet dieses Jahr Ben Kaufmann aus Berlin, der im früheren Berufsleben selbst Künstler war. Beim Auftritt in seiner Koje für Nachwuchsgalerien startet er einen wagemutigen Versuch und zeigt ausschließlich eigene Werke, geschaffen zwischen 1993 und 2003. Für Kaufmann ist es der zweite Auftritt bei der Art Cologne, die er ebenfalls, dank Hug, im Aufwind sieht. Dabei hat er auch eine Erklärung für den Erfolg parat: »Ich glaube, es liegt daran, dass Hug von so weit her kommt und mit einer gewissen Naivität ausgestattet ist«, meint Kaufmann. Der Mann aus Los Angeles sei mit dem festen Glauben an Bord gegangen, dass es möglich sei, das Schiff wieder flott zu machen. Viele andere, die näher am Thema sind, hätten wahrscheinlich erst gar keinen Versuch unternommen, lieber gleich gesagt: »Das hat doch eh’ keinen Sinn mehr.«
44. Art Cologne 21. bis 25. April 2010. www.artcologne.de