TEXT: INGO JUKNAT
Vater Violinist, Sohn DJ. Man kann sich vorstellen, wie das ablaufen kann: erzwungener Cello-Unterricht, feine Klamotten und sonntags mit den Eltern in die Oper. Dann, in der Pubertät, die Rebellion. Sohnemann schmeißt das Cello in die Ecke, zieht sich den Kapuzenpulli über und spielt HipHop. Ja, so könnte es gewesen sein. War es aber nicht.
Der Teil mit dem Cello-Unterricht stimmt zwar, der Übergang zum DJing kam allerdings langsam und ohne großen Aufstand. »Ich bin super dankbar für die musikalische Erziehung,« sagt Lukas Langeheine, »aber ich glaube, es ist ganz normal, dass man sich als Kind irgendwann ein bisschen abgrenzt.« Vater Langeheine nickt. Er kennt das aus seiner eigenen Jugend. »Ich stamme aus einer Hamburger Kaufmannsfamilie. Als ich sagte, ich wolle Musiker werden, hieß es auch: ›Mach lieber erst mal was anderes.‹«
Nun sind beide Profimusiker. Jens Langeheine verdient sein Geld seit mehr als 40 Jahren mit der Geige. Er hat in Köln und Bloomington (USA) studiert, später war er Konzertmeister in Kassel, Darmstadt und Mannheim. Dann kamen die Düsseldorfer Symphoniker. Dort spielt er seit 1972 die erste Geige. In diesen Tagen gibt er sein letztes Konzert als festes Mitglied des Orchesters. Verspürt er Wehmut beim Gedanken an die Rente? »Bisher komme ich mit dem Gedanken gut klar, nicht mehr fest im Orchester zu sein.« Er klingt nicht deprimiert. Eher, als freue er sich, nun nicht mehr an Spielpläne gebunden zu sein und lieber bei speziellen Anlässen auftreten zu können.
So wie im Januar. Da standen er und Sohn Lukas erstmals gemeinsam auf der Bühne, bei »3-2-1-Ignition«, einer Konzertreihe für junges Publikum in der Düsseldorfer Tonhalle. Lukas begleitete den Vater und das Orchester auf den Turntables, die mit einem Computer verbunden waren – durch die Bewegung der Schallplatte konnte Lukas Teile der Partitur in Form von Samples abrufen. »Das ist ein bisschen kompliziert zu erklären,« gibt er zu. Man muss Lukas Langeheine zugute halten, dass er sich den anstrengenden Insider-Slang und übercoolen Habitus vieler DJ-Kollegen spart. Er spricht ruhig, beinahe schüchtern. Trotzdem merkt man, dass er blitzschnell sein kann, wenn es darauf ankommt – wie einer dieser Weltklasse-Tischtennisspieler, die bis zu 200 km/h schnelle Bälle verschießen und im Gespräch wie Zen-Buddhisten wirken.
Der Vergleich hinkt nicht. Lukas Langeheine hat sich lange über Geschwindigkeit definiert – er ist sechsfacher DJ-Weltmeister, dreht und wendet Platten schneller als sein Schatten. Den Begriff »Sport« hört er in diesem Zusammenhang nicht so gerne. Auch »Wettbewerb« nicht, obwohl er durch DJ-Battles bekannt geworden ist. »Die Titel waren wichtig, um einen Namen aufzubauen. Aber ansonsten bin ich nicht für diesen Konkurrenzgedanken beim DJing.« Vielleicht hat er sich deshalb in letzter Zeit auf »normale« Sets verlegt, in denen es darum geht, Leute zum Tanzen zu bringen.
Wer so was für ein Hobby hält, wird sich wundern. Lukas, der sich als DJ Rafik nennt, kann vom Auflegen gut leben. Vor einer Woche war er noch in Asien unterwegs. »Ein Freund von mir wohnt in Hongkong. Ich wollte ihn schon länger mal besuchen. Da haben wir uns einfach überlegt, was so möglich ist.« Zusammen haben sie eine Tour auf die Beine gestellt. Die Club-Engagements haben den ganzen Asien-Trip finanziert. Lukas Heinemann protzt nicht mit seinem Erfolg. Man merkt ihm an, dass es ihm auf die Musik ankommt, weniger auf das Geld. Dass er von seinen Auftritten leben kann, ist wichtig, aber nicht alles. Demnächst will er ein Album produzieren. Rohversionen der Stücke existieren bereits, so richtig zufrieden ist er allerdings noch nicht.
Im Gegensatz zum Auftritt mit seinem Vater im Januar. Die Tonhalle war voll, es gab Applaus von allen Seiten. »Die Älteren waren erstaunt, wie sich der DJ in die klassische Musik einfügt, die Jüngeren, wie gut sich Klassik anhört.« Vater Langeheine ergänzt: »Das war im Grunde eine Weltpremiere. Das Wichtigste für mich war, dass der Beweis gelungen ist, dass man die Turntables wie ein echtes Instrument einsetzen kann.« Kein geringes Lob von jemandem, der auf einer 300 Jahre alten Geige spielt und von neuen technischen Entwicklungen vermutlich nicht sofort umgeworfen wird. Eine Wiederholung des Konzertes können sich beide jedenfalls vorstellen.
Steine hat Jens Langeheine seinem Sohn nie in den Weg gelegt. Auf den großen DJ-Battles war er dabei, hat den Sohn unterstützt. »Das war wichtig für mich,« sagt Lukas. Dennoch tut Jens Langeheine nicht so, als verstünde er alles, was sein Sohn macht: »Die DJ-WM war schon ein kleiner Kulturschock. Anders als im Konzertsaal stehen da alle, und dann war es auch sehr laut.«
Er schaut rüber zu seinem Sohn, »aber als ich gesehen habe, wie die Menge immer näher zu dir rankam, war das schon faszinierend.« Jens Langeheine sieht stolz aus in diesem Moment.
Jens Langeheine. Foto: Tonhalle Düsseldorf