// Das Kölner Museum für Angewandte Kunst widmet sich in einer neuen Dauerausstellung der Designgeschichte. Das allein ist schon eine gute Nachricht. Denn in den letzten Jahren war es still geworden um das MAK, wie es kurz und bündig genannt wird. Man konnte sogar mit Fug und Recht von Grabesstille sprechen. Das Haus kann zwar auf eine hervorragende Sammlung zurückgreifen. Darüber hinaus war das MAK lange Zeit ein selbstverständlicher Teilnehmer am Markt der öffentlichen Diskussion zu designrelevanten Themen.
Über Jahrzehnte wurde der Diskurs sowohl mit der ständigen Ausstellung als auch mit guten Sonderausstellungen gepflegt. Zum Beispiel richtete man zur internationalen Möbelmesse im Januar den Fokus auf das aktuelle Design eines Landes. Mit diesen teils spektakulären Sonderschauen gehörte das MAK zu den Gründungsteilnehmern der Designschau »Passagen«, die seit 20 Jahren parallel zur Möbelmesse stattfindet. Weiterhin gab man Visionären wie Buckminster Fuller oder Architekten wie Norman Foster Darstellungsraum.
Mit der Präsentation »Design und Kunst im Dialog« erhebt sich das Museum aus seinem Dornröschenschlaf und schafft den Sprung zurück in die Liga der wichtigsten deutschen Ausstellungen über Design. Das Beziehungsgeflecht zwischen Kunst und Design als Leitfaden zu wählen, erfordert Wagemut. Denn zu oft sind daran Ausstellungsmacher in den zurückliegenden Jahren gescheitert. Entweder stellten sie das Design als Fortsetzung der Kunst mit anderen Mitteln dar. Oder als das genaue Gegenteil. Beide Ansätze werden jedoch dem Phänomen Design und den vielschichtigen Verbindungen zur Kunst nicht gerecht.
Das traditionsreiche Kölner Museum hat sich nicht davon abschrecken lassen – und dieser Mut wurde belohnt. Denn die Ausstellung bietet alles, was für das Verständnis der Geschichte des Designs notwendig ist. Sie ist lehrreich, wenn man sich belehren lassen möchte, und zugleich unterhaltsam, wenn man sich unterhalten lassen möchte. Ein Ergebnis der nachvollziehbaren, erfreulich klaren Konzeption des Gastkurators Matteo Kries.
Er hat die mehr als 400 Exponate streng chronologisch auf zwei Ebenen verteilt. Das Erdgeschoss widmet sich der Zeit von 1900 bis 1945. Das Obergeschoss schließt daran an und endet mit Exponaten, die vor wenigen Monaten noch im Kaufhaus erhältlich waren. Die Raumarchitektur auf beiden Geschossen ist unaufdringlich: Ein umlaufender Zeitstrahl an den Außenwänden reiht die wichtigsten Ereignisse aus Politik, Wirtschaft, Technik, Kultur und Gesellschaft auf und schafft dadurch eine Klammer für die Exponate, die in Kabinetten im Inneren arrangiert sind.
Der Besucher wird von einem Bleiglasfenster des amerikanischen Architekten Frank Lloyd Wright empfangen, einer streng rhythmischen Komposition aus geometrischen farblosen und farbigen Flächen. Es erlaubt den Blick auf seine Möbel, die im Kabinett dahinter aufgebaut sind – es kann aber auch autonom als Kunstwerk wahrgenommen werden. Im Jahr 1907, als diese Arbeit für das Avery Coonly Haus in Illinois entstand, stritten in Europa Künstler, Architekten, Literaten und Industrielle bereits heftig über das richtige Verhältnis von individueller Eigenständigkeit und industrieller Serie. Die internationale Avantgarde formierte sich im Deutschen Werkbund, der 1907 in München gegründet wurde, und in dessen Umfeld. Die USA standen abseits. Das Ensemble der Möbel Frank Lloyd Wrights, die hierfür exemplarisch den zeitgenössischen Entwürfen von Peter Behrens oder Henry van de Velde gegenübergestellt sind, verdeutlicht die Suche nach dem angemessenen Ausdruck der Zeit und der Nationen in ihren Sitzmöbeln.
Weitere Stationen der historischen Entwicklung werden anhand von Ikonen der Designgeschichte anfassbar. Auf den Werkbund folgte das Bauhaus, das wesentliche Impulse von der westeuropäischen Künstlerbewegung De Stijl erhielt. Ihr Mitglied Theo van Doesburg ist durch ein wunderbares Glasfenster von 1916 repräsentiert, das im Kontext zeitgenössischer Mondrian-Gemälde und des berühmten rot-blauen Stuhls von Gerrit Rietveld steht, als ob dieser Stuhl eine Holz gewordene Komposition aus abstrakten geometrischen Flächen in den Grundfarben Rot, Blau, Gelb mit Schwarz wäre. Ein paar Schritte später kann der Besucher auch die Entwurfsskizze zum Glasfenster entdecken – eine überraschende Reihenfolge, die aber beabsichtigt ist, weil sich dadurch Bezüge auch im Nachhinein entdecken lassen. Diese Methode hat der Kurator mehrfach umgesetzt.
Den Schwerpunkt bilden Exponate des Produktdesigns, vor allem Stühle, aber auch Zeitschriften und Werbung sind zu sehen. Kurios ist in der oberen Etage ein mit Radios voll gepfropftes Regal. Es bezeugt die Vorliebe des rheinischen Architekten Richard Winkler (dessen umfangreiche Designsammlung dem Museum als Stiftung zur Verfügung steht und aus der sich diese Schau zu großen Teilen speist). Hier kann man stundenlang stehen und sich wundern, denn am Radiogerät lassen sich grundlegende Themen der Designgeschichte beispielhaft ablesen. Etwa die Rolle, die die Entwicklung des Materials spielt: Auf Holz, das nur Entwürfe im Rahmen des Möbelbaus zuließ, folgte Bakelit, der Vorläufer des Kunststoffs. Der Volksempfänger hatte schon eine freiere, technisch motivierte Hülle. Die Kunststoffe der Nachkriegszeit dann entfesselten den Gestaltungswillen der Designer: Alles wurde möglich. Form und Farbe der Gehäuse konnten der Mode folgen. Design wurde als Turbo für den schnellen Abverkauf entdeckt und missbraucht. Die Vielfalt der Stilarten war grenzenlos, von schnittigen Stromlinien und durch den Automobilbau inspirierten Kühlergrillimitaten in den USA über die Nierentischergänzung bis zum coolen, sachlichen Perfektionismus eines Dieter Rams.
Schräg gegenüber dem Radiosetzkasten hängt eine Installation des Künstlers Fernandez Arman, der benutzte Kochtöpfe dicht an dicht zusammenpackt und uns ihre verbrannte und zerkratzte Unterseite vor Augen hält: Die Kehrseite des Gebrauchs der schönen Dinge. Hier wird deutlich, dass die Kunst in den 1960er Jahren beginnt, sich kritisch mit dem Konsum – und damit auch dem Design – auseinanderzusetzen. Der Dialog zwischen Kunst und Design setzt spätestens hier ein, und falls das Gespräch nicht vom Publikum weitergeführt werden sollte, liegt es nicht an dieser Ausstellung. //
Museum für Angewandte Kunst Köln, www.museenkoeln.de/museum-fuer-angewandte-kunst