Wasser. Coltan. Kohle. Erdöl. Luft. Lithium. Fisch. Reis. E-Waste. Boden. Gold. Plastik. Baumwolle. Tantal. So unterschiedlich diese Rohstoffe sind, so begehrt sind sie auch. Der Abbau, ihre Ernte und der Handel dieser Rohstoffe verändern die Welt grundlegender, als sich der umweltbewusste Mitteleuropäer das vorstellen mag. Hier geht es nicht um falsch einsortierte Joghurtbecher, sondern um massiven Raubbau an der Natur und Eingriffe in soziale Systeme, um an die begehrten Rohstoffe zu kommen.
Das internationale Forschungs-, Ausstellungs- und Webprojekt »World of Matter« wurde von einer Gruppe aus Künstlern, Fotojournalisten und Theoretikern initiiert, die den öffentlichen Diskurs über Rohstoffe und globale Ressourcen erweitern wollen. Die Ausstellung widmet sich dem Thema mit ästhetischen und ethischen Positionen und stellt die anthropozentrische Perspektive in Frage, nach der die Rohstoffe vorrangig für den Menschen bestimmt sind. Die Arbeiten im Hartware MedienKunstVerein (HMKV) sind das Ergebnis gründlicher Feldforschung an Orten wie den Goldminen in Brasilien, Ölsande in Kanada, Reis- und Baumwollanbaugebiete in Südostasien, Landgewinnung in Ägypten, Fischerei in der Nordsee, Kohleförderung im Ruhrgebiet und Zuckerhandel in Nigeria.
Man sollte beim Besuch von »World of Matter« schon etwas Zeit mitbringen, um sich in die komplexe Thematik vorzuarbeiten. Doch dann entdeckt man Bemerkenswertes und Unbekanntes – wie in der Rauminstallation »Mineral Invisibility« der brasilianischen Künstlerin Mabe Bethônico, die sich mit dem ausufernden Bergbau in ihrer Heimat auseinandersetzt. Dort hängt ein Foto einer Gruppe Frauen in Partylaune, das man so in jedem Club aufnehmen könnte. Der Blick auf den Monitor daneben zeigt, dass diese Frauen im Alltag Bergarbeiterinnen sind, die die riesigen Maschinen und Kipplaster des Tagebaus steuern.
Oder das 3,1 Tonnen schwere »Monument of Sugar« von Lonnie van Brummelen und Siebren de Haan – zwei Felder aus 304 überdimensionierten Zuckerwürfeln vermitteln eindrucksvoll die Auswüchse des globalisierten Handels. Die eine Hälfte des Feldes funkelt in gewohntem Weiß, die anderen Würfel sind bräunlich verfärbt und zerbröckeln bereits. Dieser Zucker hat einen langen Weg hinter sich; ein 16-mm-Films erzählt vom Zuckerüberschuss der EU. Die süße Überproduktion wird in Länder außerhalb der EU, z.B. nach Nigeria, exportiert, und macht dort die Preise kaputt. Kein Einheimischer könnte zu diesem günstigen Kurs produzieren, weshalb Nigeria hohe Zölle auf den EU-Zucker erhebt, im Gegenzug aber Zucker aus Brasilien einführen lässt. Die beiden Künstler reisten nach Nigeria, um den Zucker vor Ort in die verfärbten Quader pressen und diese nach Europa zu verschiffen. Das erwies sich schwierig, schließlich mussten die Quader als Kunstwerk deklariert werden, um die EU-Handelsschranke für Zucker zu umgehen.
Nicht ganz so weit gehen die »Expeditionen« und der Audioguide der Künstlerin und Kunsthistorikerin Emily Eliza Scott. Sie bleiben in der Ausstellung, erweitern aber den Blick von den Installationen auf die Welt dahinter; in diesem Fall auf eine Säule des Dortmunder U – welche Rohstoffe wurden hier eigentlich verbaut, und woher kommen diese? Diesen gesamtheitlichen Blick könnte sich Scott aus ihrer Vergangenheit bewahrt haben, schließlich hat sie damals als U.S. Nationalpark Service Ranger gearbeitet.
»World of Matter«. Über die globalen Ökologien von Rohstoff, 1. März bis 22. Juni 2014 HMKV im Dortmunder U. www.worldofmatter.net + www.hmkv.de