Text Volker K. Belghaus
Die besten Ideen entstehen aus Chaos und Unordnung. Die Hoffnung auf himmlische Eingebung ist dafür nicht nötig, oft genügt ein Blick auf den eigenen Schreibtisch. Neben dem üblichen Büromaterial finden sich dort immer mehr elektronische Geräte – Notebooks, Tablets, Smartphones, Tastaturen und Mäuse. Diese werden von der einen in die andere Ecke des Tisches geräumt, sind dadurch aber nicht verschwunden. Anna Morosow und Dirk Wember vom Design-Label »zweigespann« erkannten das Problem bereits während ihrer gemeinsamen Ausbildung als Projektgestalter an der »Akademie für Gestaltung« in Münster. Aus ersten Ideen und Skizzen entstand der Schreibtisch »Altius«, der mit dem leidigen Problem aufräumt. Kurz gesagt: Klappe auf, Technik weg.
Die Tischplatte kann beiseite geschoben werden, ohne den Tisch abräumen zu müssen. Darunter verbirgt sich ein großes Fach, um das Notebook oder einen flachen Scanner unterzubringen. Außerdem befinden sich dort drei Steckdosen sowie ein Kabelkanal, um das Notebook an den großen Bildschirm auf dem Tisch anzuschließen. In einer Schublade an der Längsseite kann die Tastatur verschwinden. Damit der Schreibtisch nicht wie ein klobiger Kasten aussieht, haben Morosow und Wember die Tischplatte nach innen angeschrägt. Gefertigt wird das Möbel aus Eichenholz und mit einem Effektlack überzogen, um Kratzern vorzubeugen und gleichzeitig den Charakter
des Materials zu wahren. Ein Großteil der Tischplatte besteht aus hellgrauem, robustem Desktop-Linoleum, das sich optisch und haptisch vom Naturholz unterscheidet.
»Altius« ist Teil der Kollektion des Labels »zweigespann« geworden, das Morosow und Wember im April 2014 in Datteln gegründet haben. Was auf den ersten Blick wie eine durchaus solide Möbelkollektion anmutet, bietet raffinierte Details. »MoMo« ist so ein Kandidat – ein modulares Schrank- und Regalsystem mit offenen und geschlossenen Elementen, in einer Farbkombination aus dunklem Grau und Mintgrün. Die Elemente lassen sich aufeinander stapeln und sind untereinander durch ein Schienensystem verbunden. Wechselt »MoMo« den Standort und hat mehr Platz, können die Bauteile auseinandergezogen werden, so dass zusätzlicher Stauraum entsteht. Was nicht passt, wird eben passend gemacht. Bei der Namensgebung der Garderobenleiste »Kylie« ist bei den beiden Designern lautstark der Wortspielmannszug vorbeimarschiert. Statt Haken werden zehn kleine Keile aus Metall in ein genutetes Brett gesteckt. Die Abstände der Keile sind frei wählbar, außer für Jacken könnte man »Kylie« auch für Küchenutensilien oder Spielzeuge verwenden. Die Keile sind auch mit Loch erhältlich und werden so zum Schlüsselanhänger, der seinen festen Platz an der Garderobe findet.
Morosow und Wember spielen gern mit dem ersten Eindruck, auch was das Material ihrer Produkte angeht. Die beiden Leuchten ihrer »Dia«-Serie irritieren im ausgeschalteten Zustand zunächst mit einem Lampenschirm aus Holz – der flache Zylinder ist aber nicht so massiv, wie er scheint. Das verbaute Eichenholz ist nur 0,7 Millimeter dick, kann so in die runde Form gebracht werden und wird von Hand zusammengenäht. Die Naht aus Kreuzstichen gehört zum Konzept und ist in der selben Farbe gehalten wie der filigrane Metallunterbau der Stehlampe, der in Weiß oder Türkisblau erhältlich ist.
Auch an den Werkstoff Beton haben sich die Beiden gewagt, der sich in der Originalitätsskala für pfiffige Designermöbel schon eine ganze Weile im unteren Bereich bewegt, seit auf Kreativmärkten grobschlächtige Stühle und Tische aus Beton angeboten werden, die jede Wohnung wie eine Baustelle aussehen lassen. Nicht so beim »zweigespann« – für ihre »Cupula«-Leuchten haben sie sich an der Eichel orientiert. Wie in der Natur trennt sich »Cupula« in zwei Teile. Der tragende Kelch ist aus Beton gefertigt und dient als Leuchtmittelfassung; eine große, runde Glühbirne übernimmt die Form der Eichel. Der Beton wird in der eigenen Werkstatt gegossen, besitzt eine zarte und samtene Haptik und wird in mehreren sanften Pastellfarben komplett durchgefärbt. Damit das 4 Kilogramm schwere Betonlicht nicht abstürzt, ist im Innern des Kabels ein Stahlseil verbaut. Und weil Morosow und Wember gerade dabei waren, haben sie den »Cupula«-Kelch verkleinert und zu robusten Beton-Eierbechern umfunktioniert – an die Stelle der Glühbirne tritt nun das Hühner-Ei. Das leuchtet zwar nicht, macht dort aufgrund seiner Kalkschale aber eine sehr gute Figur als Frühstücks-Ei(chel).