Auch in diesem Sommer wird Bayreuth wie bei den 105 Ausgaben zuvor zur Pilgerstätte für Wagnerianer. Erneut sollen internationale Top-Stimmen für Staunen, Stille und Jubel sorgen. Doch auch 2016 muss man wie bei den zurückliegenden Wiederaufnahmen des von Frank Castorf inszenierten »Ring« ohne den seit Jahren unbestritten unerreichten Wotan auskommen. Denn statt im Festspielhaus mit seinem raumfüllenden, dabei so nuancenreichen Bass-Bariton den Großgott zu geben, liegt Bryn Terfel lieber entspannt am spanischen Strand. Trotz Verehrung für den Komponisten und einer Partie, die in Terfels Künstlerleben einen Sonderplatz einnimmt, gehört für ihn die sonnige Jahreszeit der Familie. Da können die Bayreuther Anfragen noch so verlockend klingen, um den Opern-Titan für eine Produktion zu gewinnen. Terfels Antwort lautet »no way«.
Als Hans Sachs in den »Meistersingern«
Darben müssen die Fans des Wagner-Sängers deswegen nicht. So liegt auch auf DVD der gesamte New Yorker MET-»Ring« von 2010/12 vor, bei dem Terfel aus einem wahren Allstar-Cast mit Jonas Kaufmann und Deborah Voigt herausragt. 2017 gibt er am Londoner Covent Garden den Hans Sachs in den »Meistersingern«, um danach an der Wiener Staatsoper erneut als Wotanissimo aufzutrumpfen. Zwischendurch geht er – wie jetzt kurz vor Saisonende – mit dem kanadischen Stardirigenten Yannick Nézet-Séguin auf Tournee und gastiert mit Ausschnitten aus »Tannhäuser«, den »Meistersingern« und aus der »Walküre« im Dortmunder Konzerthaus.
Nun ist der aus dem walisischen Pantglas stammende Zwei-Meter-Hüne kein Mann für nur eine Tonart. Seit seinem Durchbruch 1989 beim Singer-of-World-Wettbewerb in Cardiff hat Terfel quer durchs Opernrepertoire ziemlich alle großen Schurken, Macht- und Übermenschen interpretiert: Händels Giulio Cesare, Mozarts Don Giovanni, Puccinis Scarpia oder Arrigo Boitos Mefistofele. Nebenbei gehört der Sänger zu den wenigen Opernweltstars, denen Ausflüge in den Jazz, ins Musical-Fach und in die Folk-Musik stilecht und ohne falsches Pathos gelingen.
Cat Stevens’ »Morning has Broken«
Besonders geht dem bodenständigen Terfel das Herz bei Songs der Heimat auf: »Kratz einen Waliser, und er singt für dich«, lautet ein Sprichwort. Selbst für zu Tode gesungene Evergreens wie »Amazing Grace« und Cat Stevens’ »Morning has Broken« besitzt seine Stimme das Ideal von Geschmeidigkeit und lyrischem Schmelz. Gleichzeitig kann er zupackend energisch oder herrlich buffonesk aus der Haut fahren, wenn es die Rolle verlangt, wie als Verdis Falstaff und Mussorgskys Boris Godunow. Da ist er ein Naturereignis.
Mit Yannick Nézet-Séguin hat Terfel schon Wagner-Schlachten geschlagen, darunter vor zwei Jahren in Wien, als Terfel unter Leitung des designierten Met-Musikdirektors den »Fliegenden Holländer« sang. Beim Abschlusskonzert seiner dreijährigen Residence im Dortmunder Konzerthaus dirigiert Nézet-Séguin das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks; nach der Pause gibt es Bruckners Siebte; zuvor jedoch stellt er sich in Dienst der Sangeskunst von Bryn Terfel.
Bryn Terfel, Yannick Nézet-Séguin, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks: Werke von Wagner und Bruckner; 9. Juli 2016, Konzerthaus Dortmund.