Wer das Wort »Penthaus« bei Google eingibt, dem liefert die Suchmaschine hunderttausende Treffer für exklusive Immobilien. Beim »Pehnthaus« in Köln allerdings geht es um einen der einflussreichsten Architekturhistoriker der letzten Jahrzehnte: Wolfgang Pehnt (1931-2023). Bis September 2022 hatte der renommierte Kritiker in seinem eigenwilligen Einfamilienhaus in Köln-Weiden gelebt. Seit Ende 2022 ist es nun ein Studiengebäude der Architekturfakultät der TH Köln. Das Wortspiel, dem die Suchmaschine auf den Leim geht, war durchaus gewollt, sagt Daniel Lohmann, Professor für Architekturgeschichte und Entwerfen an der TH Köln. »Der Begriff war provokativ und lustig gemeint, eigentlich ein Arbeitstitel, der dann geblieben ist. Aber das führt dazu, dass Wolfgang Pehnt hier auch immer präsent ist«, sagt der Mitinitiator des Projektes.
Das Studienhaus sieht er noch als ein Experiment: »Es soll ein Wohnort für Studierende sein, Bibliothek und Veranstaltungen gehören dazu. Wir müssen dieses Haus aber auch als Studienobjekt sehen, das erforscht wird.« Und genau das passiert derzeit: Drei Architektur-Masterstudentinnen wohnen hier seit Februar 2023 und haben sich inzwischen mit jedem Detail auseinandergesetzt. Sie analysieren, warum sie den Hof häufiger nutzen als den Garten, sie nehmen bewusst wahr, dass die Glasbausteine im Bad nach Osten ausgerichtet sind, damit das Morgenlicht glitzernd einfällt, kennen aber auch die Stellen, an denen Feuchtigkeit Schimmel verursacht. Momentan haben sie das Wohnzimmer für ein Entwurfsprojekt, das in drei Wochen fertig sein muss, in ein Modellbauzimmer verwandelt: Boden, Tische, Bänke, alles ist bedeckt mit Plänen, Pappen und Modellen des Hauses, in dem sie nun wohnen. Bei einem Besuch sprüht einem die Energie förmlich entgegen, mit der sie das Haus er- und beleben, begeistert erzählen sie von den eingebauten Schreibtischen, die sich in der Sonne aufheizen oder vom Küchenfenster, das sie bei Festen wieder als Theke genutzt haben, wie vom Architekten einst gedacht. Und sie stellen fest, dass das Haus auch sie selbst verändert. »Ich bin eleganter geworden«, sagt Clara Grothkopp, »und ich kaufe neue Klamotten immer in schwarz, weiß und orange – die Farbpalette des Pehnthauses.«
Dass dies jetzt ihr Haus ist, kommt einem fast schon zwangsläufig vor, denn sie haben einen ganz besonderen Bezug zu Wolfgang Pehnt. »Immer wenn wir uns über seine Texte unterhalten haben, waren wir ganz begeistert und konnten nicht mehr aufhören«, erzählt Olivia Oelsen. Sie gründeten einen Pehnt-Fanclub und irgendwann schrieben sie ihrem Idol einen Brief, um ihm mitzuteilen, wie anregend sie sein Werk finden. »Wir haben uns gedacht, es schadet doch nichts, ihm zu sagen, dass wir uns über seine Texte angefreundet haben«, sagt Olivia Oelsen. Im Sommer 2022 lud Pehnt sie in sein Haus ein, aus dem er bereits seinen Auszug vorbereitete. Zeitgleich, aber völlig unabhängig davon, sprach er auch mit Daniel Lohmann über seine Bibliothek, die er nicht mitnehmen konnte und gerne an die Architekturfakultät der TH Köln geben wollte. Rund 7000 Bände zu Architektur und Architekturgeschichte, Kunst- und Designgeschichte, über 100 Regalmeter. »Es ist ein toller Fundus«, sagt Lohmann, »Pehnts Forschungsinteressen in einer exzellenten Bibliothek – es gibt nirgendwo ein besseres Konvolut zu Böhm, Schwarz oder Ungers.« Aber es gab auch ein Problem: Wie sollte der Transport der Bücher organisiert werden – und wohin überhaupt? »Wir haben uns gedacht: Wie wäre es denn, wenn wir nicht die Bücher rüberbringen, sondern das hier zum Studienzentrum machen?«, erzählt Lohmann. Pehnt war begeistert und dann ging alles ganz schnell: Im September 2022 zog er aus Alters- und Krankheitsgründen nach Süddeutschland zu seiner Familie, kurz danach renovierte eine Projektgruppe von Studierenden das Haus und schon im Februar 2023 konnten Olivia Oelsen, Clara Grothkopp und Fela Bancken einziehen. Dass die Zimmer an Studierende vermietet werden, war eine Idee der Familie Pehnt, der das Haus weiterhin gehört, berichtet Daniel Lohmann: »Sie wollten nicht, dass das Haus leer steht, sondern belebt ist.« Die drei WG-Zimmer wurden an der Architekturfakultät ausgeschrieben, »mit überschaubarer Resonanz«, wie Lohmann erzählt. »Mir wäre das hier zu öffentlich«, sagt auch Lisa Schmitz, die ebenso von Anfang an beim Projekt dabei war, aber selbst nicht im Haus wohnt. Wer hier einzieht, muss gastfreundlich sein, denn Studienhaus bedeutet auch Veranstaltungen mit zahlreichen unbekannten Menschen im Wohnzimmer. Bewusst werden aber bei Veranstaltungen oder in persönlichen Gesprächen auch die früheren Bewohner*innen und der Architekt des Hauses miteinbezogen. Wolfgang Pehnt selbst war nur wenige Monate vor seinem Tod zu Gast, auch seine beiden Kinder, die Bauherrin und der Architekt.
Wolfgang Meisenheimer hatte das Einfamilienhaus 1976/77 ursprünglich für den Afrikanisten Franz Rottland, seine Frau und ihre zwei Kinder gebaut. Als die Familie auszog, wurde es zunächst vermietet, dann sollte es verkauft werden. Meisenheimer selbst vermittelte es an Wolfgang Pehnt, der hier seit den 1980er Jahren mit seiner Familie lebte. In einem Architektenhaus, das einem strengen Konzept folgt: Die Straßenfront ist fast vollständig geschlossen, nur ein schmaler Schlitz zwischen geometrischen Baukörpern gewährt Einlass. Für Wolfgang Meisenheimer ist es das »Stadttor«, durch das man zunächst in die öffentlichen Bereiche gelangt: Das quer verlaufende Esszimmer als Straße, der dahinter liegende Hof als »Marktplatz« mit dem Küchenfenster als Ausschank. Der Bodenbelag hier ist aus Stein, »die Schritte sollen klappern«, erzählt Clara Grothkopp aus einem Gespräch mit Meisenheimer. Ganz im Gegensatz zum privaten Bereich. So ist die Treppe nach oben als Abgrenzung mit Teppich belegt, »das funktioniert», berichtet Clara Grothkopp weiter, »die Gäste fragen, ob sie nach oben dürfen und ob sie die Schuhe ausziehen sollen«. Das Treppenhaus ist der Bereich, der die meiste Veränderung seit der Bauzeit erfahren hat – früher war die Wand zum Esszimmer schwarz gestrichen, das Treppenhaus selbst orange, wie sowohl Farbproben, als auch Gespräche mit dem Architekten ergeben haben. Vermutlich waren es die Mieter, denen schlichtes Weiß besser gefiel. Wahrscheinlich hatten sie auch weniger Verständnis für die Kunst, die Meisenheimer dem Bau mitgab: Zwei Skulpturen, ein Mann und eine Frau in Lebensgröße, die sich gegenüberstehen, er im Hof, sie innen im Esszimmer. Die jetzigen Bewohnerinnen finden sie sehr besonders: »In welchem Haus hat man schon so eine Frau an der Wand, gegen deren Busen man immer läuft?«, amüsiert sich Olivia Oelsen.
Das Obergeschoss erinnert am stärksten noch an Wolfgang Pehnt. Eine Abstellkammer birgt bis unter die Decke gestapelte Diakästen, die Inhalte seiner Vorlesungen an der Ruhr-Universität Bochum. Das ehemalige Elternschlafzimmer war als »Höhle« konzipiert worden und ist zu dunkel, um es als WG-Zimmer zu nutzen, deshalb soll es die Bibliothek werden. Wochenlang haben die Studierenden »Bücher-Tetris gespielt«, um während der Renovierung die frühere Sortierung beizubehalten. Noch immer warten Bücher mit Pehnts Notizzetteln darauf, in die Regale eingeräumt zu werden. Direkt neben der jetzigen Bibliothek ist das ursprüngliche Arbeitszimmer, das Franz Rottland und auch Wolfgang Pehnt als solches nutzten – in ihm lebt jetzt Clara Grothkopp. Der Blick geht in die Bäume gegenüber, es sei ein abgeschiedener Raum meint sie, »ein Raum für die Dichter und Denker«, aber auch ein sehr schönes Zimmer, aus dem heraus man über den Hof eine akustische, aber auch eine Sichtverbindung zum Esszimmer herstellen könne. Und so sind es gar nicht unbedingt die materiellen Dinge, die an die ehemaligen Bewohner*innen erinnern, sagt Clara Grothkopp: »Wolfgang Pehnt hatte diese Blicke, die wir jetzt haben, über Jahrzehnte. Es war der gleiche Eindruck, den wir hier erleben. Das haben wir mit allen gemeinsam, die hier gelebt haben.«