Mit Anfang 30 machte Therese Mogger Schluss. Mit ihrem Mann. Und den Konventionen ihrer Zeit. Sie ließ sich scheiden, brachte ihre drei Söhne ins Internat, versilberte ihr Erbe und begann ein Architekturstudium. Auf einem Foto von 1907 ist sie im Zeichensaal der Technischen Hochschule München zu sehen. Ihr adretter weißer Arbeitskittel täuscht – rein äußerlich mag diese ungewöhnliche Frau vielleicht noch im Zeitgeist des Kaiserreichs aufgetreten sein. Doch mit ihren Entwürfen war sie längst in eine neue Zeitrechnung aufgebrochen. »Frau Architekt« heißt eine Ausstellung im Düsseldorfer Haus der Architekten (durch einen Aufkleber mit dem Zusatz »Innen« ergänzt, ein schönes Detail), die Pionierinnen des Berufstands vorstellt, aber auch eine Art Bestandsaufnahme der aktuellen Architektinnenszene in NRW wagt.
Warum aber dieser Fokus – bauen Frauen anders als Männer? Wohl kaum. »Mein Ziel ist es, – in diesem Falle! – von meiner Weiblichkeit abzusehen und mich ganz selbstvergessen nur der Bauaufgabe zuzuwenden«, ist denn auch im Treppenhaus ein Statement von Susanne Gross des Kölner Büros Ksg zu lesen. Mit anderen Worten: Sie wolle nicht in dieser Ausstellung gezeigt werden, »nur« weil sie eine Frau ist. Gross’ Reaktion zeigt das Dilemma, in dem Architektinnen bis heute stecken: Beurteilt werden wollen sie nach ihrer Arbeit. Aber Karriereknicks durch Elternzeiten und Männernetzwerke sorgen noch immer dafür, dass sie in der Anonymität von Bürogemeinschaften verschwinden. Nach einer Statistik der Bundesarchitektenkammer verdienen Frauen noch heute etwa 20 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Seit seiner Gründung 1979 ging der Pritzker-Preis gerade zwei mal an Frauen – an Zaha Hadid und Kazuyo Sejima von SANAA. 53 Prozent der Architekturstudenten in Deutschland seien Frauen, heißt es im Katalog, aber im Beruf kämen gerade mal 30 Prozent an. »Ich entscheide mich unter Tränen gegen die Ehe und Kinder, für die Architektur« hatte 1973 noch die auf Stahlbauten spezialisierte Verena Dietrich in ihrem Tagebuch notiert, die sich fortan für Gleichstellung engagieren sollte.
Lilly Reich und Maria Schwarz – aus dem Schatten der Männer
Feministinnen wie sie, bekannte Größen wie Margarete Schütte-Lihotzky, Frauen, die allzu lange im Schatten ihrer Männer standen wie Lilly Reich oder Maria Schwarz – sie alle versammelt diese Ausstellung. Aber eben auch eher Unbekannte wie Victoria zu Bentheim und Steinfurt (1887-1961), die auf den Familiengütern Bauernhäuser entwarf. Bereits 2017 war »Frau Architekt« am Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt gezeigt, für Düsseldorf aber verkleinert und um NRW-Positionen ergänzt worden. Im oberen Stockwerk der lichten, aber nüchternen Ausstellungsfläche herrscht: Arbeitsatmosphäre. Dafür haben die Kurator*innen pragmatisch Schreibtische mit Lampen aneinandergereiht, auf denen es Modelle und (zu) viel Flachware zu sehen gibt: Hier geht es um Pionierinnen wie Deutschlands erste Architektin Emilie Winkelmann oder eben Therese Mogger, die in Düsseldorf Wohnungen nach den Grundsätzen des Neuen Bauens entwarf.
Und welche Architektinnen sind heute wegweisend? Um das zu klären, hatte ein Beirat einige ausgewählt und um Statements zu ihrer Arbeit gebeten. 21 Frauen werden nun im Foyer vorgestellt. »Die meisten haben erstmal ihr Büro beschrieben, die Ich-Form kam in den Selbstdarstellungen eigentlich gar nicht vor«, erinnert sich Ursula Kleefisch-Jobst, die als Generalkuratorin des Museum Baukultur NRW die Düsseldorfer Ausstellung eingerichtet hat. Das sei typisch für weibliches Selbstmarketing.
Die Schau bezieht Stadt- und Landschaftsplanerinnen, aber auch Frauen wie Ellen Birkelbach (1924-2011) mit ein, die über 50 Jahre ein Büro für Innenarchitektur in Wuppertal führte und nicht nur ikonische Ausstattungen für das Café Heinemann oder die Chefetagen der Deutschen und Dresdner Bank in Düsseldorf schuf, sondern als Professorin eine Generation von Innenarchitektinnen prägte. Sie zeigt Entwürfe von Laura Heuschneider für die Bundesgartenschau 2021 in Erfurt. Oder historische von Herta Hammerbacher (1900-1985), die von sich selbstironisch behauptete, selbst ein Stück Garten zu sein – was zu ihrer »Neuen Landschaftlichkeit« passte, die Haus, Garten und Mensch als organisches Ganzes verstand. Mit ihrer Tochter Merete Mattern war sie nach dem Krieg an allen großen Bundes- und Landesgartenschauen (so 1957 und 1971 in Köln) beteiligt.
Mit dabei sind Positionen aus West und Ost, etwa Iris Dullin-Grund als eine der renommiertesten Architektinnen in der DDR. Dann die langjährige Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner, die Düsseldorfer Stadtbaudezernentin Cornelia Zuschke, die zuletzt mit dem Konzept einer Neuordnung der Innenstadt auf sich aufmerksam machte. Dörte Gatermann, die 2006 mit dem Kölntriangel ein Hochhaus mit Signalwirkung entwarf – nicht nur durch seine Korrespondenz mit dem Dom, sondern auch in Bezug auf die Deutzer Stadtentwicklung. Oder Anne-Julchen Bernhardt (BeL Soziatät), die ein genossenschaftliches Wohnprojekt im Bau als wegweisend für ihre Arbeit beschrieb. Und das schönste Zitat der Ausstellung zu ihren oft hintersinnigen Arbeiten lieferte: In ihren Entwürfen ginge es nicht nur um »willfährige Pflichterfüllung«, sondern auch um »liebevolles Unbehagen«, wird Bernhardt zitiert. »Ich möchte eine wohlerzogene Revolutionärin sein.«
bis 2. Oktober 2020, Haus der Architekten Düsseldorf, Besuch der Ausstellung nur nach Anmeldung vor Ort