TEXT: ULRICH DEUTER
Künstler haben sich schon immer mit dem Tod befasst, sie haben seinen Schrecken zu bannen, seine Süße zu kosten versucht, haben ihn hero-isiert und verflucht, ihn beschworen und sich an ihm geweidet. Romeo und Julia, Lucretia, Ophelia, Jesus sind in der darstellenden Kunst beliebte Tote; der Tod und das Mädchen, Danse macabre, Schädel und Sanduhr immer wieder gestaltete Motive. Und in der frühen Neuzeit schmückten liebevollst ausgeführte, lustige Halbverweste, die »Tödlein«-Figurinen, die Anrichten der Bürger. Ohne Zweifel dauert die Angstlust am Tod und allem, was mit ihm zusammenhängt: Gewalt, Auslöschung, Zerfall, so lange fort, wie der Mensch sterben muss. Mithin auch heute – Anlass für eine Doppelausstellung in der Kunsthalle Wuppertal wie in der Städtischen Galerie Remscheid, um nachzusehen, wie denn die Kunst der letzten 20 Jahre mit dem Thema verfahren ist: »DEAD_Lines. Todesbilder in Kunst, Medien, Alltag«.
Da wir in einer steigenden Bilderflut schwimmen, in der ausgestellte Körperlichkeit den größten Raum einnimmt, müsste sich auch in der Ikonografie der Kunst etwas verändert haben. Begreift man diese – von dem Remscheider Galerie-Leiter Oliver Zybok sowie der Medientheoretikerin Birgit Richard kuratierte – Ausstellung mit ihren ca. 70 Arbeiten von über 50 Künstlern als thematische Übersicht, so lässt sich resümieren: Die alten Muster und Motive gelten immer noch. Nur heute als Foto, in Latex oder auf Video. Da lässt der Maler Daniel Richter Skelett und Stundenglas auftreten, fügen die Holzschnitzer Gert & Uwe Tobias Schädel und erlegte Vögel zum bekannten Vanitas-Ensemble, natürlich beides in zeitgemäßer Formsprache; da bezeugen Fotos von jugendlichen Gothic-Freaks mit leichenweißer »Corps Paint«-Gesichtsbemalung die Fortdauer der Totentanztradition; da malt Dirk Skreber crashende Autoteile, lässt Ene-Liis Semper eine Art Modefotoshooting als Shooting of the Model enden, womit beide Künstler, nicht anders als ihre Vorgänger, die fragile Maske des Schönen zerreißen. Susanna Majuri fotografiert in düsterem Wasser schwimmende Ophelias, während John Isaacs den eigenen Körper in Wachs und Latex nachbildet und ihn dann »seziert« – Fortsetzung des jahrhundertealten Interessen von Künstlern am Öffnen des menschlichen Körpers.
Große Kunst bekommt man nur wenig zu sehen; eine Themenausstellung birgt halt immer die Gefahr, schwächere Arbeiten aufzunehmen, weil sie vielleicht besser die These belegen – so etwa Almut Lindes Mobile aus 1347 Erkennungsmarken oder Iris van Dongen Groß-Gouache eines Punk-Mädchens mit Totenschädelkippbild in Nachtwaldgeäst. Oder aber das Plakatmotiv, Erwin Olfas Foto-Porträt der Lady Di, in deren blutende Oberarmwunde ein Mercedes-Stern gedrungen ist. Der Katalog hingegen ist gewichtig und versammelt neben üppigem Bildteil einige lesenswerte Gedanken zum Tod in seiner zeitgenössischen Erscheinung, etwa aus der Feder des mortal einschlägig vorgebildeten Philosophen Thomas Macho. Nur »Things that can be are that which we know« von Isaacs erschüttert: Ein Kubus, ein veritabler Kubikmeter Fettfleischmasse, Gekröse, Bindegewebe, aus irgendetwas noch Gewaltigerem herausgeschnitten und auf eine Transportpalette gestellt, mit einem auf der Oberseite eingelassenen Gullydeckel – das ist (obwohl aus Wachs, Farbe und Latex gebaut) eine ungeheurere Anklage gegen das, was wir in Schlachthäusern aus Leben machen: Material.
Von der Heydt-Kunsthalle, Wuppertal, bis 14. Februar 2012. www.von-der-heydt-kunsthalle.de. Galerie der Stadt Remscheid, bis 8. Januar 2012. Katalog 34,80 Euro.