kultur.west: Herr Witkowski, Sie haben in Ihrem ersten Monheimer Veranstaltungsjahr Events vom Theater bis zu DJ-Sets und jetzt auch noch Open-Air-Kino organisiert. Für wie viele Menschen?
WITKOWSKI: Insgesamt hatten wir 115 Veranstaltungen in zwölf kleinen und großen Spielstätten und etwa 28.000 Gäste.
kultur.west: Ist das aus Ihrer Sicht viel oder wenig?
WITKOWSKI: Ein guter Anfang, würde ich sagen. Sie müssen bedenken, dass es solch ein vielfältiges Kulturprogramm noch nie in Monheim gab.
kultur.west: Der große Saal der »Kulturraffinerie« soll je nach Bühnenzuschnitt mindestens 1100 Sitzplätze fassen. Es wäre sogar ein Umbau auf bis zu 3800 Stehplätze möglich. Warum braucht eine so kleine Stadt eine so große Konzerthalle?
WITKOWSKI: Die Kulturraffinerie ist keine Konzert-, sondern eine Veranstaltungshalle und Monheim hat bisher keine große Spielstätte. In die Aula am Berliner Ring Platz passen rund 600 Menschen. Das ist zu klein.
kultur.west: Kürzlich hat die Rheinische Post das Projekt aber als neue »Elbphilharmonie am Rhein« bezeichnet…
WITKOWSKI: Das ist aber falsch. So wollen wir gar nicht sein. Die Elbphilharmonie ist ein Konzerthaus. Wir aber stehen für uns selbst.
kultur.west: Aber bräuchte es nicht große Namen wie Lang Lang, um so viele Reihen zu füllen?
WITKOWSKI: Natürlich hätten wir nichts dagegen, dass er mal bei uns auftritt. Aber der Unterschied zwischen uns und den Konzerthäusern, zum Beispiel in Köln oder Düsseldorf, ist, dass wir uns inhaltlich viel breiter aufstellen. Unser Kulturprogramm wird nur etwa ein Drittel der gesamten Veranstaltungskapazitäten einnehmen. Das Haus ist multifunktional angelegt, es erlaubt viele Zuschnitte. Der große Teil wird durch Kongresse, Messen, Karnevalsveranstaltungen, Firmen- und Privatevents gefüllt, die zum Teil auch parallel zum Konzertbetrieb laufen. Das heißt: Würde Lang Lang bei uns spielen, wäre das nur ein kleiner Teil unseres Kulturprogramms.
kultur.west: Die Tonhalle oder Philharmonie lassen sich gern vertraglich zusichern, dass Spitzenmusiker nach einem Konzert bei ihnen erstmal einige Zeit nicht im Umland auftreten dürfen. Um die Exklusivität des eigenen Standorts zu wahren. Wie soll es Ihnen da gelingen, Lang Lang nach Monheim zu holen?
WITKOWSKI: Ich bin da sehr zuversichtlich, mein Netzwerk ist jedenfalls gut und entscheidend sind am Ende die Agenten, die diese Künstler vertreten sowie meine persönlichen Kontakte in die Künstlerschaft. In diesem Jahr wäre immerhin schon das Concertgebouw Orchester zu uns gekommen, allerdings nur in der Kammervariante, weil die Bühne der Aula am Berliner Ring zu klein ist. Aber dann kam leider Corona dazwischen. Außerdem muss ich nicht wie die Kollegen der Elbphilharmonie den Markt an Spitzenmusikern leerräumen, um ein Spitzenprogramm an Klassik herzubringen. Unsere Halle fußt inhaltlich auf mehreren Säulen.
kultur.west: Bräuchte man nicht ein stärkeres Standortprofil, um für die Künstler interessant zu sein?
WITKOWSKI: Wir müssen nicht wie etwas sein, sondern können uns einfach entwickeln. Dabei lasse ich mich ungern in irgendwelche Schubladen stecken. Wir denken vom Inhalt her und bieten Künstlern eine offene Bühne.
Was die Tonhalle oder Philharmonie auszeichnet, ist ihr eigenes Ensemble. Planen Sie das auch?
WITKOWSKI: Nein, wir werden ein Veranstaltungsbetrieb für Gastspiele bleiben und dafür zum Beispiel mit den Landestheatern zusammenarbeiten. Auch ich inszeniere nichts selbst. Allerdings werden wir durchaus ein eigenes Programm kuratieren.
kultur.west: Monheim – die neue Touristenattraktion am Rhein?
WITKOWSKI: Warum nicht? Erst im Mai 2018 ist ein neues Hotel an der Raffinerie entstanden. Weitere sind geplant. Wir wollen jedenfalls, dass das Kulturpublikum, aber auch Geschäftsleute über Nacht bleiben. Eine Zusammenarbeit mit der Köln-Düsseldorfer läuft längst – und einen Schiffsanleger haben wir inzwischen auch.
Der Musik- und Kulturmanager Martin Witkowski kam 1976 in Siegen zur Welt und war zuletzt Leiter des Künstlerischen Betriebsbüros und Disponent der Tonhalle Düsseldorf.