Ihre Bewegungen sind gleich, ebenso ihre Mimik und die Gesten. Für jemanden, der die beiden nicht besser kennt, sind Irina und Marina Fabrizius nicht auseinanderzuhalten. An diesem Vormittag in ihrem Düsseldorfer Atelier ist es nicht anders: Ihre Stimmen klingen identisch, das Lachen und auch der Akzent. In Kasachstan sind sie 1981 zur Welt gekommen und neun Jahre später mit den Eltern nach Deutschland gezogen. Ihr ganzes Leben haben Marina und Irina bisher Seite an Seite verbracht, alle Karriereschritte gemeinsam gemeistert, das Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie, Ausstellungen wie zuletzt auf der PAN in Amsterdam oder der Art Karlsruhe. Kein Bild mehr malen sie allein. Wenn es um ihre Kunst geht, sehen sie sich deshalb als untrennbare Einheit: Fabrizius2 ist ihr Künstlerinnenname.
kultur.west: Irina und Marina Fabrizius, sind Sie heute Morgen gemeinsam hierher ins Atelier gekommen?
FABRIZIUS2: Wir wohnen zusammen, stehen gemeinsam auf und gehen auch zusammen zur Arbeit.
kultur.west: Und Sie malen dann immer im Duett, zusammen an einem Bild?
FABRIZIUS2: Immer. Diese großformatigen Bilder mit vielen Lasuren könnten wir gar nicht allein schaffen. Die Ölfarbe ist so stark verdünnt, dass sie sofort nach dem Auftrag verteilt werden muss, sonst würde sie herunterfließen. Ich trage die Farbe auf, und meine Schwester Marina kommt gleich mit dem Ziegenhaarpinsel hinterher und verteilt sie. Dann schließe ich mich an und verteile ebenfalls. Wir bewegen die Farbe auf der Leinwand so lange, bis wir eine Lasur erzielt haben, die hält. So legen wir bei einem Gemälde um die 20 Farbschichten an. Das geht natürlich nur, weil wir genau die gleiche Pinselführung haben.
kultur.west: Haben Sie schon immer die Arbeit am Bild geteilt?
FABRIZIUS2: Das machen wir erst seit 2011. Doch seit wir Kinder sind, haben wir immer zusammen an einem großen Tisch gearbeitet und die Ölfarben geteilt.
kultur.west: Die Entscheidung zum Kunststudium haben Sie auch gemeinsam getroffen?
FABRIZIUS2: Ja, angefangen haben wir gleichzeitig an der Freien Kunstakademie Nürtingen und uns dann zusammen an der Akademie in Düsseldorf beworben.
kultur.west: Was hätten Sie gemacht, wenn nur eine von Ihnen dort angenommen worden wäre?
FABRIZIUS2: Um das Risiko zu minimieren, haben wir die Bilder in unseren Mappen gemischt – in beiden stammte die eine Hälfte der Arbeitsproben von Irina, die andere von Marina. Und damit es ganz klar war, haben wir dazu noch vorne auf die eine Mappe »unzer« und auf die andere »trennlich« geschrieben.
kultur.west: Wie sah ihre Malerei damals an der Akademie aus?
FABRIZIUS2: Wir haben beide realistisch gearbeitet, unser gemeinsames Thema war das Licht. Damals haben wir das Licht in der Landschaft gesucht. Irgendwann stellten wir fest, dass wir eigentlich gar nicht getrennt malen müssen, weil unsere Sicht- und Malweise dieselben sind. Angeregt durch unseren Professor, Herbert Brandl, haben wir schließlich die abstrakten Bilder entwickelt – gemeinsam.
kultur.west: Gibt es vielleicht ab und zu Meinungsverschiedenheiten, unterschiedliche Vorstellungen im langwierigen Werkprozess?
FABRIZIUS2: Wir haben dieselben Vorstellungen – das ist ja das Mystische. Wir können uns das selbst nicht erklären. Ich sehe ein Bild wie meine Schwester Irina es sieht und umgekehrt. Ohne es zu besprechen, wissen wir beide, welche Farbe zu wählen ist, um eine bestimmte Stimmung zu erzielen. Wenn ich an der einen Seite des Bildes arbeite, weiß ich, dass meine Schwester es an der anderen genau macht wie ich und dass es am Ende exakt gleich aussehen wird. Diese Art von Malerei kann nur entstehen, weil wir in unserer Kunst dasselbe denken, dasselbe sehen und dieselbe Handschrift haben.
kultur.west: Was wäre, wenn eine von Ihnen krank wäre, einen Unfall hätte, nicht arbeiten könnte?
FABRIZIUS2: Dann malt die andere auch nicht. Würde einem von uns etwas zustoßen, dann wäre es das Ende dieser Bilder. Eine Katastrophe.
www.fabrizius2.de