TEXT: ANDREAS WILINK
Staffan Valdemar Holm ist kein Mann der Heimlichtuerei. Seine Interesse geleitete Neugier steht dagegen. Ihm ist es eher um Offenlegen, als um Verbergen zu tun. Aber er müsse »mehr als geheimnisvoll« sein. Die Sache sei »fragil«, und er stünde auf »gefährlichem Grund«, würde er etwas preisgeben. Die Sache ist der Spielplan mit Programm, Namen und Stücken.
Der designierte Generalintendant des Düsseldorfer Schauspielhauses, der zur Saison 2011/12 das – je zur Hälfte – Stadt- und Staats-theater NRW übernimmt, darf noch nichts sagen. Gesprächig ist er trotzdem. Er wolle, so der 1958 in Südschweden geborene Holm, seine »Position als Ausländer benutzen«, um in und für Düsseldorf Theater zu machen, wolle sich den fremden Blick bewahren, der sich von dem des eingeborenen Rheinländers und einer touristischen Perspektive unterscheide. Er erwähnt die Elektromusik und die Kunst, hofft da Synergien zu schaffen. Schließlich wolle er »als Fremder nicht mit den Vorurteilen beginnen«. Davon gibt’s reichlich über Düsseldorf.
Das eine oder andere ist begründet. Etwa das über die schwierige Theaterstadt Düsseldorf und ihr Publikum, das Entertainment dem Experiment vorzieht, gern mal »Skandal!« schreit, Seherfahrungen und ästhetische Maß-stäbe kaum speichert, obgleich die über Jahr-zehnte durch Beier, Bruncken, Ciulli, Gosch, Gotscheff, Schroeter, Schleef oder Tragelehn vermittelt wurden. Stroux und Gründgens blie-ben die Hausgötter.
Holm, der am Dramaten in Stockholm auch so eine Überfigur hatte: Ingmar Bergman (»Schweden ist zu klein, als dass wir unsere Väter töten«), glättet Zweifel: »Ich bin nicht radikal«. Zumal er eine Tendenz, gerade auch bei der jüngeren Regie-Generation, sieht, postdramatisches Theater ad acta zu legen und »Erzählung und Emotion« zu reetablieren. »Wir werden was Gutes machen. Da sind Stilfragen und Regietheater-Formate egal.«
Holm und sein Dramaturgenteam um Stefan Schmidtke und Almut Wagner ist weit vernetzt. Das soll sich in der Regie-Liste spiegeln. Auch Michael Thalheimer und Andrea Breth findet er großartig… Und »die Stars von Übermorgen« will er holen. Überhaupt: »Ich habe die Vorstellung, dass alle Inszenierungen genial sein sollen.«
Für Holm gilt, das Lokale mit dem Globalen zu verbinden. Er wählt dafür das Bild der Weltkarte, die er neben und über den Düsseldorfer Stadtplan breitet, so dass sich Linien abzeichnen und Verbindungen stiften. Es geht ums Ganze – aber von hier aus. Ein Projekt, das die inter-nationale Ausrichtung des Schauspielhauses unter seiner Leitung repräsentiert, nennt er doch. Es wird von weit her geholt: In der Ata-cama-Wüste im Norden von Chile existieren verlassene Städte, deren Blüte zu Anfang des 20. Jahrhunderts lag, als in der extrem trockenen Zone Salpeter gefördert wurde und einen frühen Globalisierungseffekt auslöste. Zehn The-ater aus Europa und zehn aus Südamerika wollen für 24 Stunden eine diese Städte be-völkern – die Aktion wird als Live-Übertragung im Internet zu sehen sein. Global play.
Ein typischer Holm-Satz lautet: »Ich will sehen, was passiert.« Als richte ein Wissenschaftler sein forschendes Auge auf das Gewimmel der Welt und präpariere Unterschiede heraus. Holm erzählt von einer Arbeit in Stockholm, für die Schauspieler unterschiedlicher Länder den Text von Obamas Sieges-Rede in Chicago nachgesprochen und interpretiert hätten. Deutsche und englische Schauspieler hätten zum Beispiel Distanzen eingezogen, die Isra-elis vom Habima-Theater hingegen nicht: »Wir können das nicht mit Ironie behandeln«. Le-bensumstände geben den Ton vor. So etwas interessiert Holm.
Dass die Finanzkrise eine »Marginalisierung« von Theater und Kultur zur Folge habe; dass die »Vermittlungsinstanz Theater« im Zentrum der Städte vielleicht Auslaufmodell sei, das ohnehin nur noch in Mitteleuropa existiert (»Anderswo spielt man in den Shopping-Malls – da, wo die Leute sind«); dass es mit Verteidigung der Privilegien nicht getan sei, sondern »man sich formulieren muss, warum man hier ist« – weiß er alles. Auch, dass es in Düsseldorf, »schon optisch betrachtet, Geld gibt. Aber wenn jemand etwas von Geld und Finanzen versteht, versteht er auch die Notwendigkeit von Innovationen«. Holm sagt es so: »Man muss die Stadt irgendwie penetrieren.« Düsseldorf könnte auf sanfte Gewalt gefasst sein.