TEXT: STEFANIE STADEL
Damen am Schreibtisch, Arbeiter mit Transparenten, Herren im Anzug, die Koffer tauschen. Und mitten drin auf einer Art Karussell Menschen und Autos, die an Bürohauskulissen vorbeiziehen. Die Bild-Sprache erinnert an Schaubilder aus dem Lehrbuch und in ihrer Retro-Ästhetik auch an Grafiken der Kölner Progressiven in den 20er Jahren. Alles schlicht und schematisch. Dafür sind die Inhalte umso verzwickter. Andreas Siekmann illustriert in seiner hochkomplexen Installation Strategien der deutschen Treuhandanstalt. Der Künstler will die Gewinnrechnungen von Staat, Banken, Unternehmen anschaulich machen, die Mechanismen der Weltfinanzwirtschaft.
Siekmann ist bekannt für seine kritischen Reflektionen ökonomischer und gesellschaftlicher Themen, die er auch hier mit Nachdruck auf den Tisch und an die Wand bringt. »Verhandlungen unter Zeitdruck«, so der Titel des schwer durchschaubaren Werkes, gehört zu den jüngeren Erwerbungen der Sammlung Rheingold. Zur Feier ihres zehnten Jubiläums wird es aus dem Lager ins Museum Abteiberg in Mönchengladbach geschafft und dort im offenen Foyer installiert. Nach dem Gastspiel will Rheingold es wieder abbauen und fortschaffen, alles auf eigene Kosten. Preisgünstiger geht es nicht für das arme städtische Museum.
GESCHENKE FÜR FÜNF INSTITUTE
Aber es gibt noch mehr Geburtstagsgeschenke – Rheingold verteilt sie in ganz Nordrhein-Westfalen an fünf Institute, mit denen man sich partnerschaftlich verbunden hat. »Jeder durfte sich etwas wünschen«, so Helge Achenbach, Kopf der Sammler-Freunde. Neben Mönchengladbach freut sich das Kölner Museum Ludwig, wo mit Rheingold-Geld produzierte Künstler-Videos laufen, Siegen zeigt Fotografie aus der Kollektion, auf Schloss Dyck finanziert die Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine Ausstellung mit begehrten Werken, die (noch) nicht ihr eigen sind. Und in der Kunsthalle Düsseldorf triumphiert der Club mit einem beeindruckenden Best-of von Beuys bis Butzer. Rauch, Ruff, Schneider, Schütte, Tillmans, Trockel stehen ebenfalls auf der Künstlerliste.
Zu dem Ausstellungsreigen spendiert Rheingold einen Katalog, der in Text und Bild auch die Geschichte vergangener Auftritte referiert. Seit 2004 findet man im barocken Wasserschloss Dyck im rheinischen Jüchen Jahr für Jahr eine schöne Bühne für die große Selbstdarstellung. Bisher beeindruckte Rheingold dort vor allem mit aktuellen Neuerwerbungen.
SCHLECHTE ERFAHRUNGEN MIT GROSSSAMMLERN
Allerhand ist da zusammengekommen unter den Händen der reichen Freunde, in Partnerschaft mit den namhaften Museen. Auf Initiative des versierten Kunstberaters Achenbach, dessen ausgefeiltes Konzept die Kritik am Sammler-Unternehmen inzwischen verstummen ließ. Anfangs war sie ziemlich laut. Wofür Achenbach auch Verständnis zeigt. Ganz frisch waren damals die schlechten Erfahrungen mit dem Großsammler und Spekulanten Hans Grothe, der Künstler getäuscht und das Museum als Durchlauf-Erhitzer missbraucht hatte.
Nicht zuletzt dieses Anti-Vorbild sei ihm 2002 Antrieb gewesen, so Achenbach. Er war damals 50, hatte als Art Consultant zwar viele private Sammlungen auf die Beine gestellt und in die erste Liga begleitet, dabei aber kaum einmal für sich selbst gesorgt. Was schon irgendwie traurig sei, wenn man darüber nachdenke, findet Achenbach. Er litt nicht lang, machte sich als »Rheinländer aus Leidenschaft« stattdessen daran, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.
Zunächst einmal scharte der gebürtige Siegener eine Handvoll hochvermögender alter Freunde um sich – die vier verbrüderten Unternehmer und Allkauf-Erben Eugen, Michael, Klaus und Bernd Viehof gehören dazu sowie die Düsseldorfer Unternehmensberaterin Hedda im Brahm-Droege. Gemeinsam begann man das Sammeln und ließ darbende NRW-Museen davon profitieren. Auf dass sie etwas besser dastünden im harten Konkurrenzkampf mit Berlin.
FÜR QUALITÄT BÜRGT EIN BEIRAT
Anders als Grothe gehorchen die Rheingolder dabei klaren Regeln: 20 Jahre lang darf demnach keine Kunst aus der Kollektion verkauft werden. Man engagiert sich mit großzügigem Sponsoring. Und für Qualität bürgt ein Beirat, besetzt mit renommierten Direktoren der Partner-Museen. Neben der Leiterin des Museum Abteiberg, Susanne Titz, findet sich darin Veit Loers, früher Direktor in Mönchengladbach, jetzt freier Kurator, außerdem Eva Schmidt, die das Museum für Gegenwartskunst in Siegen leitet, und Kasper König, solange er noch Direktor am Kölner Museum Ludwig ist.
Meist kämen die Vorschläge für Neuerwerbungen aus den Reihen der Museumsleute und würden dann im großen Kreise diskutiert, so Achenbach: »In unseren Sitzungen geht es oft recht lebhaft zu.« Er selbst allerdings schweigt, will sich ganz auf die Geschäftsführung beschränken.
Wenn Einvernehmen herrscht, schlägt Rheingold zu. Mit genauen Angaben zum Etat hält Achenbach sich zurück. Nur so viel: Er entspreche dem eines Museums mit ordentlicher Budgetgröße. 20 Prozent davon würden für die laufenden Kosten aufgewendet – Verwaltung und Sponsoring. Der ganze Rest des Etats bleibe für die Erwerbungen.
Rund 700 Werke hat Rheingold dafür im vergangenen Jahrzehnt erstanden. Nicht eingerechnet die etwa 300 Schätze aus der Top-Sammlung des Kölner Arztes Reiner Speck, die 2008 allein von den Viehofs für Rheingold gekauft wurden. Ein Coup, der Achenbach noch immer ein stolzes Lächeln ins Gesicht treibt. Hätte er seinerzeit den Deal mit Speck nicht eingefädelt, wäre diese ausgezeichnete Sammlung wohl zerstreut worden und für das Rheinland verloren gewesen. Jetzt scheint sie sicher, zumindest fürs Erste.
Alles in allem stapeln sich in den Rheingold-Lagern also um die 1000 Kunstwerke – wenn sie nicht gerade unterwegs sind. Aktuell finden sich allein 25 als Leihgaben auf Weltreise. Man zähle jedes Jahr mehr als 50 Anfragen internationaler Museen, auf die das rheinische Sammler-Team in der Regel großzügig reagiert.
Viel weiter reicht das Engagement von Rheingold den auserwählten Partner-Museen gegenüber: Beim Museum Abteiberg in Mönchengladbach, wo die Viehofs zu Hause sind, dem Museum für Gegenwartskunst in Achenbachs Heimatstadt Siegen, beim Museum Kunstpalast, das ausgewählt wurde, weil es in der Kunstmetropole Düsseldorf sitzt und das Museum Ludwig, weil Köln und Düsseldorf nach Achenbachs Dafürhalten zusammengehören. Als Fremdling hinzu kommen die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, denen man sich seit dem verheerenden Elbhochwasser 2002 verbunden fühlt. »Es muss immer auch eine emotionale Sache sein«, so Achenbach.
Diese fünf werden nicht nur mit Leihgaben bedacht, sondern dazu noch heftig unterstützt. Nach Ausstellungen etwa mit »wunderbaren Werken« beschenkt. Das Museum Ludwig bekam beispielsweise eine Arbeit von Peter Doig und ein Immendorff-Selbstbildnis.
EIN GEBEN UND NEHMEN
Sieht Rheingold sich als Wohltäter? Nein, es sei ein Geben und Nehmen, widerspricht Achenbach – eine »Win-win-Situation.« Was Rheingold gibt, ist klar. Und worin besteht das Nehmen? Vor allem im Austausch mit dem Beirat, sagt Achenbach. Bürge er doch für Qualität und gebe den Sammlern Sicherheit.
Daran ist wenig zu beanstanden. Die Museen zeigen Stücke, die sie selbst ausgesucht haben, hinter denen sie stehen. Sie müssen sich nicht vom Sammler gegängelt fühlen. Das spricht für sich, auch wenn Rheingold mit seinen Interessen nicht zurücksteht. Denn, es stimmt: Auge und Votum der Museumsdirektoren bieten eine gute Versicherung dafür, dass die Kunst, die man kauft, Zukunft hat – nicht nur im Museum, sondern auch auf dem Markt. Von der flächendeckenden musealen Präsentation der Rheingold-Werke werden dabei vor allem die jüngeren, noch nicht so etablierten Künstler profitieren.
Dem, der Rheingold deshalb der Spekulation verdächtigt, können die Sammler entgegenhalten, dass sie 20 Jahre lang nichts verkaufen werden. Eine lange Zeit, aber keine Ewigkeit – zehn Jahre liegen schon hinter ihnen. Und was kommt danach? Das kann auch Helge Achenbach nicht endgültig sagen. Doch möchte man ihm die Lauterkeit seiner Ziele abnehmen – die Begeisterung, die Liebe zur rheinischen Kunst-Landschaft und den Wunsch nach Dauerhaftigkeit. Die Rheingold-Sammler seien jetzt alle zwischen 50 und 60 Jahre alt, stellt er fest. Und alle hofften, dass es eine Kontinuität geben werde. »Die Next Generation steht schon bereit«.
Ausstellungen zum Jubiläum: Schloss Dyck, Jüchen: »Orchesterwechsel«; bis 28. Oktober 2012. Kunsthalle Düsseldorf: »Juwelen im Rheingold«; 27. September bis 25. November 2012. Museum Ludwig, Köln: »Rheingold – Edition Bewegte Bilder«; 29. September 2012 bis 21. Januar 2013. Museum Abteiberg, Mönchengladbach: »Andreas Siekmann – Verhandlungen unter Zeitdruck, Aus: Faustpfand, Treuhand und die unsichtbare Hand«; 30. September bis 18. November 2012. Museum für Gegenwartskunst, Siegen: »Durchsucht, fixiert, geordnet – Zeitgenössische Fotografie in der Sammlung Rheingold«; 7. Oktober bis 25. November 2012. www.sammlung-rheingold.de