Zum zweiten Mal unternimmt es der Kurator der Langen Foundation, Chrysanthi Kotrouzinis, Künstler des japanischen und europäischen Kulturkreises miteinander in Beziehung zu setzen und »Zwischenräume« zu gestalten, in denen sich ein Dialog ereignet. Während Günther Forg aus Deutschland kommt, stammt Leiko Ikemura aus Japan, hat aber ihre Vorbilder längst in Europa gefunden und unterrichtet an der UdK in Berlin. Doch die ohnehin nur halb bilaterale Begegnung
– auf ähnliche Geburtsdaten Anfang der 50er Jahre gestützt – bleibt äußerlich, wenn die Hängung in Tadao Andos Museumsräumen in Neuss sich daran ausrichtet, die Bild-Farbe des einen Künstlers auf einem Werk des anderen wiederkehren zu lassen. Was beider Qualität nicht gerecht wird. Dennoch ist das Wiedersehen eine Freude.
Ikemuras Landschaften wirken wie Konzentrate, Förgs Arbeiten eher leicht, locker und scheinbar spontan, die Farben offen, die Kompositionen eher zufällig, als entstünde eine heitere, mediterrane Gegenwelt. Bei ihr treffen etwa Orangerot und dunkles Karminrot mit Weinrot zusammen oder ein Violett wird von Rottönen und schließlich vom Blau bedeckt, um jenen wunderbar sonoren, geheimnisvollen Ton zu erzeugen, der Ikemura zu einer »Malerin der Nacht« macht. Sie wagt sich bis zur äußersten Dunkelheit des Firmaments, wo das Schwarz zum Nichts und die Aggressivität der Durchleuchtung zur Tiefe wird.
Ikemura, die selbst oft zwei Jahre an einem Bild arbeitet, registriert bei Förg den »erfassten Moment« und bewundert, wie er seine Kunst auf den Punkt bringe.
Gegensätze und Kontraste: Ikemura benutzt Eitempera, deren satte Pigmente die intensive Farbigkeit erzeugen. Förg rast mit der flüssigen Acrylfarbe flott und zielsicher über den Untergrund. Bei ihr sitzen die aufgelösten Farbkörner auf der sehr groben Jute-Struktur, einem großporigen Material, so dass die Farben in den Schatten der Fasern versinken und wieder zurückgeworfen werden. Förgs Gründe indes sind fein, so dass die Motive wie obenauf zu sitzen kommen.
Manchmal geht auch Ikemura in der letzten Phase der Bildherstellung mit dem Pinsel über die Leinwand und legt mit einem bloßen Strich eine Wiese offen. Vielfach erinnert das Ergebnis an Emil Noldes frühe Aquarelle, im Verweis auf die Landschaften und phantastischen Lebewesen. Auch sie interessierten die »Farbbesonderheiten«, bestätigt sie. Um sich dann gegen den Vorgänger abzusetzen. Der Maler des Nordens habe »die Farben fast nebeneinander gesetzt, bei mir sind sie gestaffelt, sie verschieben sich, dadurch entsteht eine Vibration«. Im nächsten Gedankengang zieht sie auch eine Grenze zu Gotthard Graubner, dessen Farbräume moussieren und ins Illusionistische changieren. Auf ihre Horizonte und zart verwischten Menschen deutend, meint sie: »Ich brauche etwas Konkretes, bin weniger abstrakt. Mir geht es um Metaphysik. Ich frage nach unserer Existenz, nicht nur nach dem Farbraum.«
In einer kleinen Dreiergruppe, entstanden in diesem Jahr, wird deutlich, was Ikemura will: Bilder auslösen, die gleich wieder auslöschen. Sie hat zwei junge Frauen fotografiert, wie sie auf dem Kopf liegen und schlafen. So fremd und fern, als halte sie der andere Zustand umfangen, würden die Gedanken spielen, verloren der Individualität, versunken in einem unbewussten Bereich. Und siehe da: Es scheint, als verändere sich dabei auch die Farbe. Es gleiten die Träume über die Stirn hinweg ins Haar, das in die geradezu bunte Ausdruckskraft des Schlafes mit einbezogen wird. Zuweilen hat man den Eindruck, auf den Bildern bleibe ein leichter Mittelfleck zurück, als ob da vor kurzem noch ein Mensch gestanden habe und nun fort gegangen sei, doch seine Anwesenheit spürbar hinterließ. Menschen klaren auf und verglimmen, wie ein Wetterleuchten.
Günther Förgs Bilder wiederum brauchen zu ihrer Entfaltung nicht den Menschen, sie sind mit sich beschäftigt und mit sich zufrieden. Das Flüchtige führt nicht zu einem anderen Aggregatzustand, sondern beweist »nur« die Souveränität im Umgang mit Fläche, Raum, Figur und Grund. Louise Bourgeois, große alte Dame der Kunst, zeigt derzeit auf der Biennale in Venedig auch ein hin gefetztes Gitterkonstrukt, doch in ihrem Netzwerk ist der Mensch ein- und ausgesperrt. Bei Förg verfängt sich niemand, der Mensch wird nicht einmal ausgespart. Die Natur der Sache hat eben ihre Tag- und Nachtseiten, so oder so.
Bis 11. November 2007, 02182 / 57-010; www.langenfoundation.de