Er hat es richtig schön. Am Rande der Stadt in einem uralten, hübsch restaurierten Bauernhof. Mit Familie, Hund, Katze und Kunst. Doch reicht der Blick aus dem Wohnzimmerfenster, um Heinz Macks Stimmung zu drücken. Da stehen lauter Werke von ihm unter grauem Himmel auf dem grünen Rasen und werden nass. Angesichts solch verhangener Aussichten zitiert der Künstler süffisant die beiden »Lieblingsvokabeln deutscher Feuilletonisten«. Im Kulturteil der FAZ lese er sie täglich mindestens zweimal: »verstörend« und »abgründig«.
Dies seien das richtige Klima und die passenden Adjektive für Kollegen wie Kiefer oder Baselitz. »Auch für diesen Neuen aus Leipzig…«, eine kleine Pause, dann fällt ihm der Name Neo Rauch wieder ein. Natürlich auch für Beuys, den Schamanen, der Mack im Verlauf des Gesprächs noch gelegentlich Grund zu ehrlicher Verärgerung liefert. »Diese ganzen Archäologen, die hier arbeiten und in ihrer tiefen Seele wüten.« Ihm selbst sei diese Welt inzwischen völlig fremd geworden.
Wohler fühlt Mack sich in seinem Anwesen auf Ibiza – »ein kleines Paradies«. Leider komme er aber viel zu selten dorthin, der Arbeit wegen. Aktuell fällt besonders viel davon an. Denn rund um den 80. Geburtstag am 8. März wollen allein drei Museen in der Gegend den Künstler mit Ausstellungen ehren. Das museum kunst palast in Düsseldorf macht bekannt mit dem Zeichner Heinz Mack. Mönchengladbach zeigt im Museum Abteiberg dessen kinetische Objekte. Und die Bonner Bundeskunsthalle hebt an zur »großen Hommage«.
Der ganze Rummel hängt wohl nicht zuletzt mit dem nach jahrzehntelangem Schlaf plötzlich erwachten Interesse an der Künstlergruppe ZERO zusammen. Fast könnte man von einer Art Hype reden, den Medien, Markt, Museen und junge Künstler um die drei Pioniere Otto Piene, Heinz Mack und Günther Uecker inszenieren. Und um jene alte Geschichte, die das Trio verbindet. Sie begann am 11. April 1957. Weil Ausstellungsraum für neue Kunst rar war in Düsseldorf, hatten Piene und Mack kurzerhand ihr Atelier ausgeräumt und zur ersten »Abendausstellung« geladen. Solche Veranstaltungen wurden zur Regel, die Gladbacher Straße 69 in Düsseldorf zur Heimat von ZERO.
1961 stieß Günther Uecker zu den beiden, und im Umkreis fanden sich immer mehr ähnlich Denkende. Bald schon sah man sich vernetzt mit Gleichgesinnten in ganz Europa. Licht, Raum, Bewegung, Dynamik – mit diesen neuen Elementen und einem ausgeprägten Sinn für Effekte suchte die »Generation ZERO«, sich endgültig aus der muffigen Nachkriegsära zu befreien.
Piene entwickelte Lichtballette und Rauchbilder. Uecker begeisterte sich für den Nagel mit seinem Schattenwurf. Und Mack entdeckte ein neues Medium, als er daheim versehentlich auf ein Stückchen Alufolie trat und diesem dabei die Struktur des Sisalteppichs einprägte: »Spiegelblank poliert, genügt ein geringes Relief, um die Ruhe des Lichts zu erschüttern und in Vibration zu bringen.«
Nach dieser kleinen Sensation begann er, feine Strukturen in polierte Aluminiumbleche zu prägen und nannte sie Lichtreliefs. In der Folge wird Mack für seine Lichtspiele außer der Folie auch Alugitter einsetzen, Linsen und Spiegel, Well- und Plexiglas. Neben den Stelen entstehen Lichtflügel und -mauern. In kinetischen Objekten bringt er das Ganze dann auch noch in Bewegung.
Das ZERO-Bündnis hielt beinahe zehn Jahre, immerhin. Und es sind ganz besonders die Werke jener Zeit, auf die der Markt neuerdings so fliegt. Mack kommt gern zu sprechen auf die jüngsten Verkaufserfolge bei Galerieausstellungen in London und New York. Natürlich sei er stolz, aber auch ein bisschen wehmütig, denn der Ausverkauf lasse ihm selbst immer weniger Stücke aus den alten Zeiten, sagt er und schaut auf eine Armada transparenter Stelen, die den hinteren Teil des Raums besetzt –fast alle aus der ZERO-Zeit. »Die behalte ich auf jeden Fall.«
Beim gemeinsamen Blick hinüber zum leichten, lichten Ensemble kommt Mack unvermittelt selbst auf jenen Vorwurf zu sprechen, den er in seinem Leben schon so oft gehört habe: »Ja das, was der Mack macht, ist doch viel zu schön, das ist ja dekorativ.« Ein »typisch nordischer Affront«, wie er findet. Hier dürfe die Kunst einfach nicht schön sein.
Im Süden sei das alles anders. Diese Erkenntnis führt weit zurück in seine Künstlervita: Mack war 19, talentierter aber mittelloser Student an der Düsseldorfer Kunstakademie, als man ihm dort als Zeichen der Anerkennung einen 50-Mark-Schein zusteckte. Geld genug für einen Trip nach Paris, der den jungen Künstler zum Erweckungserlebnis führte. In einer kleinen Ausstellung begegnete er Werken von Picasso, Miró und Matisse, für die er sich sehr begeistert habe – lange bevor der Maler zum Liebling des breiten Publikums geworden sei, wie Mack nebenbei bemerkt. Und was ist es, das ihn so einnahm für die Werke des Franzosen? »Die mediterrane Kultur«. Denn, so weiß Mack, »die Befreiung der Farbe, der Vitalität, der Sinnlichkeit hat im Süden stattgefunden, nicht nördlich der Alpen.«
Neben dem Kunst-Studium schloss Mack früh ein weiteres der Philosophie ab – auch das hat wohl gewirkt. Zumindest fällt es dem Künstler vor diesem Background leichter, sich gegen etwaige Vorwürfe zu wehren. Mit Hegel und Goethe etwa tritt er all jenen entgegen, die seine Kunst der Oberflächlichkeit bezichtigen. »Hier im Norden herrscht das Vorurteil vor, geistiges Leben bedeute, in die Tiefe zu dringen«, und schon wieder scheint er ziemlich aufgebracht. »Ja, einverstanden – aber was in die Tiefe führt, muss sich auch an der Oberfläche widerspiegeln; sonst ist es in der Tiefe untergegangen.«
Kurzum, Mack will keine Privatmythologie. Er möchte mit seiner Kunst viele Menschen erreichen. Daher kommt wohl auch sein Streben nach möglichst großen Skulpturen, die er für jedermann sichtbar und zugänglich zu präsentieren sucht. Der Künstler stemmte allerhand »Kunst am Bau«-Projekte. Es klingt fast wie ein Schimpfwort, Mack nennt es lieber »Kunst im öffentlichen Raum«. Lichtpfeiler, Steinstelen, Brunnen, Metallreliefs, Mosaike, ganze Plätze, auch Kirchen hat Mack gestaltet.
Doch führte ihn der Drang raus aus dem Museum weit über Stadt und Land hinaus. In die Antarktis, wo er eine Lichtskulptur aus 100 Pechfackeln installierte. Oder in die Sahara. Mack baute dort einen Corso aus Metallstelen und Spiegelmauern, die das Sonnenlicht einfingen und die Wüste als vibrierenden Lichtraum erscheinen ließen. Es gibt auch völlig utopische Stadtentwürfe von Mack und die surreale Idee, über besonders hässliche Areale Spiegelplantagen zu stülpen, die alles kubistisch zersplittern würden – ganz im Sinne von Pablo Picasso und seinem analytischen Kubismus.
Gegen Ende der Unterhaltung kommt der Jubilar dann auch noch einmal auf Matisse zurück. »Alles was in einem Kunstwerk noch sprachlich fassbar ist, gehört nicht hinein«, habe der einmal gesagt. Genauso denkt Mack, und stellt klar, dass seine Kunst seit 60 Jahren eine ungegenständliche sei, eine, die sich selbst genügen müsse. Aber auch eine, die dabei ansprechen will. Nach wie vor traut er sich zu sagen, dass er »schöne« Kunst machen will. Ein Begriff, der leider inzwischen völlig korrumpiert worden sei. Wieder verärgert: »Wenn es nur darum ginge, die Welt mit ein paar dekorativen Floskeln zu verschönern, dann hätte ich bestimmt nicht mein ganzes bisheriges Leben damit verbracht – dann hätte ich lieber etwas anderes gemacht.«
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn: »Heinz Mack. Licht – Raum – Farbe«;18. März bis 10. Juli 2011. Tel.: 0228/9171200; www.bundeskunsthalle.de
Museum Kunst Palast, Düsseldorf: »Mack – die Sprache meiner Hand«;26. März bis 10.Juli 2011. Tel.: 0211/8996211; www.smkp.de
Museum Abteiberg, Mönchengladbach: »Heinz Mack Kinetik«; 3. April bis 25. September 2011.Tel.: 02161/252637; www.museum-abteiberg.de