Wer dieses Wort hört, denkt an vieles: »Wunder« ist das Motto der diesjährigen Akzente. Das »Wunder von Bern« kommt einem in den Sinn, Zarah Leanders Evergreen »Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n«, Katja Ebsteins Schlager »Wunder gibt es immer wieder« oder Whitney Houstons Song »Miracle«.
Fest steht: Das Programm ist so vielseitig wie unkonventionell. Los geht es beim 44. Festival im Duisburger Theater am 3. März mit der Schweizer Maskentheatergruppe Mummenschanz. Deren Show »50 Years« lässt pantomimische Highlights aus einem halben Jahrhundert Revue passieren. Aber was hat es mit dem Hundesalon Amigo auf sich? Kein Geschäft, in dem Vierbeiner verschönert werden, wie anzunehmen wäre, sondern eine Location für Live-Events und Kultur in der Musfeldstraße 110. Am 31. März dient sie drei »weißen, männlichen Theatermachern« als Ort für eine wunderbare bis wundersame Neubearbeitung der »Proletenpassion«, einem Werk der österreichischen Politrock-Gruppe Schmetterlinge von 1976. Die Regie bei der Duisburger Inszenierung »Gespielt wird nicht! Jetzt sind wir dran!« hat Patrick Dollas.
Traditionell sind die Theateraufführungen das Standbein der Akzente. Mit Heinrich von Kleists »Der zerbrochne Krug« und Molières »Der Geizige oder die Schule der Lügner« stehen zwei Klassiker auf dem Programm. Kleists Lustspiel handelt von einem Dorfrichter, der sich selbst zum Verhängnis wird: Er dringt in das Haus der jungen Eve ein, die er begehrt und bedrängt, er wird vom Verlobten auf frischer Tat ertappt, zerschlägt bei der Flucht einen Krug, vertuscht diese Tat und muss deshalb am Ende gegen sich selbst zu Gericht sitzen. Eine kanonische Komödie, die das Deutsche Theater Berlin in einer Fassung von Anne Lenk und David Heiligers spielt. Ein Werk von zeitlosem Rang ist auch Molières Stück über den Fiesling Harpagon, dessen Reichtum nur noch von seinem Geiz übertroffen wird. Das Thalia Theater Hamburg unter der Regie von Leander Haußmann nimmt sich des Antihelden an. Weitere Highlights des Akzente-Theatertreffens sind »Curtain Call!« von Judith Rosmair, »How to Date a Feminist« von Samantha Ellis und »Endlose Aussicht« von Theresia Walser.
Wunderwanderung durch die Innenstadt
In der Rubrik »Freie Produktionen, Theater, Tanz, Performance« bieten die Akzente zwölf Veranstaltungen. So lädt die Deutsche Oper am Rhein zu einer »Wunderwanderung« durch die Duisburger Innenstadt. Entlang des Weges erwarten einen Performances, dargeboten von Sänger*innen und Tänzer*innen des Ensembles. Überraschungen, die oft mit dem Unterwegssein verbunden sind, bringt auch die neue Choreographie von Avi Kaiser und Sergio Antonino mit sich. Ihr Studio haben die beiden Tänzer im Duisburger Innenhafen. Während der Akzente ist die Cubus-Kunsthalle Schauplatz ihrer Produktion »Die stille Karawane«. Darin geht es um das Reisen, um körperliche Bewegung und mentalen Aufbruch zu neuen Ufern.
Kurt-Schwitters-Fans und solche, die es werden wollen, sollten am 2. April, 16 Uhr, im Lokal Harmonie (Harmoniestraße 41) vorbeischauen. Dort wird die »Ursonate« des großartigen Dadaisten aufgeführt. Experimentelles und Humor gehen in dem Lautgedicht eine unvergessliche Mischung ein – Schwitters (1887-1948) hat es in den 1920er Jahren komponiert und selbst wiederholt vorgetragen. In Duisburg übernimmt Thomas Frahm die Rezitation der »Ursonate«. Dazu wird eine Collage mit filmischen Dokumenten der Goldenen Zwanziger präsentiert, die der Fotograf Gernot Schwarz ausgewählt hat.
Obwohl die Akzente hauptsächlich im Zeichen des Performativen stehen, spielen Ausstellungen eine wichtige Rolle. So auch in diesem Jahr. Der Bogen der Präsentationen spannt sich von einer zeitgenössischen Wunderkammer in der Cubus Kunsthalle und Cyrus Overbecks Rauminstallation »Else Lasker-Schüler« (Alte Brotfabrik von 1904) über ein Sonderprogramm des Lehmbruck Museums, das die aktuelle Ausstellung »Surreale Welten« flankiert (Motto: »Max im Wunderland«), bis zur Schau »Göttliche Geheimnisse – Sterben und Wiederauferstehen in antiken Mysterienkulten« im Kultur- und Stadthistorischen Museum. Vielleicht die ungewöhnlichste, allemal die spektakulärste Akzente-Ausstellung: Luke Jerrams »Museum of the Moon« in der Salvatorkirche. Mithilfe gestochen scharfer Fotografien der NASA hat der britische Künstler ein mächtiges Modell des Mondes gebaut. Sieben Meter umfasst der Durchmesser dieser Nachbildung. Bilder, Licht und Sound fügen sich in der Salvatorkirche zu einem spacigen Gesamtkunstwerk. Im Mittelschiff der Kirche hängt der Erdtrabant – manche Wundern sind also doch zum Greifen nah.
»Wunder«
44. Duisburger Akzente
3. März bis 2. April