Der Schweizer Akrobat, Musiker, Tänzer und Schauspieler James Thiérrée macht gern ein Geheimnis aus seiner Abstammung, denn er möchte nicht, dass sein Publikum vor allem deshalb kommt: um einen Enkel Charlie Chaplins zu sehen. Aber vielleicht führt dieser überraschende Fakt ja dazu, die Neugier auf sein Programm – und das gesamte Düsseldorf Festival, das mit einer tollen 32. Ausgabe aufwartet – zu erhöhen.
Der Sohn von Charlie Chaplins Tochter Victoria konnte seinen berühmten Großvater leider kaum noch kennen lernen. Er starb, als er drei Jahre alt war. Trotzdem stand er schon früh in seinen Fußstapfen, lerne Akrobatik und Pantomime, stand schon mit fünf Jahren in Zirkus-Programmen seiner Eltern auf der Bühne. In langen Jahren hat er sich eine immer größere künstlerische Freiheit erarbeitet. Ein Ergebnis davon kann man jetzt auf dem Düsseldorf Festival bestaunen: Das Programm, das er am 14. und 15. September zusammen mit seiner Compagnie du Hanneton im zentralen Spielort des Theaterzelts am Burgplatz aufführt, heißt »Mo’s – The Damn Jam Concerto«.
Die Grenzen eines normalen Konzerts wird es allerdings spielerisch sprengen. Musik ist nur die treibende Kraft neben Komik und kunstvoller Action, mit der die Musiker und Darsteller*innen von Mo erzählen, einem imaginären Schnulzensänger. Barocke Intermezzi, Rock und geisterhafte Elektroklänge begleiten haarsträubende und komische Szenen, die oft in Chaos zu münden scheinen. In Wahrheit beherrscht der charismatische Thiérée sie aber perfekt: die Orchestrierung von Instrumenten, Körpern, Kuriositäten und gesprochenem Wort. »Ein Musikinstrument ist ein guter Vorwand, um von dessen Körperlichkeit und vom menschlichen Körper zu erzählen«, sagt er. »Und selbst Gesang ist letztendlich eine Art des Körpers, sich auszudrücken und zu tanzen.«
Tanz gegen den Wind
James Thiérrées schwer auf ein Genre zu bringender Abend geht schon ein Stück in die Richtung, auf die das Düsseldorf Festival seit langem einen großen Schwerpunkt legt: Neuer Zirkus. Was sich darunter alles fassen lässt, davon kann man sich dieses Jahr wieder neu überraschen lassen. Zum Beispiel bei der neuen Kreation des französischen Choreografen Mourad Merzouki und den Tänzer*innen seiner Compagnie Käfig vom 23. bis 25. September im Theaterzelt. »Zephyr« heißt sie, benannt nach dem griechischen Gott der milden Westwinde.
Auf der Bühne tauchen aus runden Öffnungen, die Bullaugen an Bord eines rostigen Frachtraums sein könnten, Körper auf, Ventilatoren bewegen die Luft und erzeugen jenen Atem des Zephyrs. Merzoukis Bewegungssprache ist ein faszinierender Tanz mit und gegen den Wind und bewegt sich elegant zwischen poetischer Leichtigkeit und Kraft, zeitgenössischem Tanz und Hip-Hop. Und sie ist weit entfernt von einer Nummernrevue, wie man sie im Zirkus erwarten würde, sondern erzählt sehr poetisch eine zusammenhänge Geschichte.
Steht »Zephyr« an der Schwelle von Neuem Zirkus und Tanz, zeugen Performances wie die des großartigen, israelischen Choreographen Hofesh Shechter von den aktuellsten Entwicklungen im Zeitgenössischen Tanz. Und auch in der Musik gibt es mindestens eine unbedingte Empfehlung der Redaktion: Das Konzert des Jazz-Pianisten Alfa Mist am 12. September, der zu den Stars der vibrierenden Londoner Szene gehört und die Grenzen des Genres mit mitreißenden Grooves in Richtung Soul, R’n’B und HipHop öffnet.
Düsseldorf Festival!: 7. bis 26. September
Burgplatz und andere Orte in Düsseldorf; duesseldorf-festival.de