// Endlich wieder ein großer Abend an der Kölner Oper! Dass packendes Musiktheater niemals nur im Orchestergraben entsteht, sondern einzig in der perfekten Verbindung mit einem durchdachten, sorgsam erarbeiteten Bühnengeschehen, muss angesichts dieser »Katja Kabanova« selbst Gegnern des Regietheaters einleuchten. Dem durch Pleiten und Misslichkeiten gebeutelten Haus wollte man so recht gar nichts mehr zutrauen. Aber es geht eben doch. Wenn der richtige Regisseur kommt. Und eine Produktion von solcher Qualität und Tiefe mitbringt, dass sie eine Übernahme vier Jahre nach der Premiere unbeschadet übersteht. An der Vlaamse Opera in Antwerpen war Janáceks »Kabanova« in der Regie von Robert Carsen, einem der gefragtesten Koproduktions-Regisseure überhaupt, zuerst herausgekommen.
Nichts als Wasser auf der Bühne (Patrick Kinmonth), ein riesiges Bassin, in dem eine Schar weiß gewandeter Doppelgängerinnen der Titelheldin vor jeder Szene Holzplanken zu wechselnden Mustern verlegt. Zu Stegen, die sich nicht treffen wollen und in die Einsamkeit einer unendlichen Weite zu führen scheinen. Während der Ouvertüre liegen die weißen Frauen reglos im Wasser, Vorgängerinnen auch von Katja, die in der Wolga den Freitod fanden, den auch Katja wählen wird, weil sie keinen anderen Ausweg aus Scham über ihren Ehebruch sieht. Trügerisch begütigend beherrscht das ruhige Wasser die Geschichte, spiegelt sich sanft kräuselnd an der Decke und ist doch ein stilles, kaltes Grab.
Das minimalistisch reduzierte Geschehen leuchtet Carsen magisch aus, so dass Bilder von Atem nehmender Schönheit entstehen, stilisiert und doch von höchster psychologischer Verdichtung und logischer Präzision. Jede Geste, jeder Blick, jede Konstellation ist dabei der Musik abgelauscht, dem elementaren, Herz zerreißenden Realismus Janáceks. Katjas verzweifelte Suche nach Liebe, ihr versuchter Ausbruch aus kleinbürgerlicher Enge und liebloser Ehe sind schon zu Beginn gepaart mit Todessehnsucht, wenn sie sich barfüßig zur Wolga hinausträumt. Rebecca Nash geht die Partie stimmlich zunächst wie gebremst an, befreit sich aber zunehmend zu schwärmerischer Emphase, die zuletzt in glühender Intensität gipfelt. Doris Soffel unterstreicht als eisige Schwiegermutter mit lüsternem Doppelleben einmal mehr ihren Ausnahmerang als Sängerdarstellerin; im Tenorfach wetteifern Albert Bonnema als bisweilen an stimmliche Grenzen stoßender Liebhaber Boris, Hans-Georg Priese als schlapper Ehemann Tichon und Hauke Möllers präsent klarer Kudrjas. Dirigent Markus Stenz scheint mit der komplexen, nervös pulsierenden Partitur anfangs Koordinations-probleme zu haben, es dauert etwas, bis man sich findet. Dann gelingen Passagen schönster Transparenz und impulsiver Dramatik. Große Begeisterung. // REM