… ist der Aufbruch. Über den Jahreswechsel 2023/2024 fand das Provinzkapitel unserer Schwesterngemeinschaft statt. Dieses Treffen, das alle drei Jahre abgehalten wird, dient dazu, wichtige Entscheidungen darüber zu treffen, wie wir als Schwesterngemeinschaft in die Zukunft gehen wollen. Dafür haben wir ein Leitwort formuliert: »Mit großer Liebe sammelt er uns, hoffnungsvoll brechen wir auf.« Uns war klar: Wir wollen etwas Neues versuchen, Dinge verändern, einen Aufbruch wagen. Zunächst haben wir diese Pläne vor allem auf den Gebäudeprozess hier auf dem Kloster Sießen bezogen. Aber in mir machte sich die Frage breit, um was für einen Aufbruch es noch gehen könnte. Wo könnten wir gebraucht werden?
Inmitten dieser Überlegungen erreichte uns eine E-Mail vom Generalvikar des Erzbistums Paderborn mit der Anfrage, ob wir einen kleinen Konvent in der Dortmunder Innenstadt gründen könnten. Diese Idee traf auf offene Ohren, da wir bereits einen Konvent in Wilnsdorf haben. Die Idee, nicht nur auf unsere Gebäude zu schauen, sondern auch dort präsent zu sein, wo wir gebraucht werden, entspricht unserem franziskanischen Selbstverständnis. Vielleicht ist es verrückt, einen solchen Aufbruch zu wagen. Doch gerade in Zeiten, in denen die Schwesternschaft kleiner wird, ist es so wichtig, immer in Bewegung zu sein.
Nach ersten Gesprächen in der Provinzleitung und Videokonferenzen reiste ich im April 2024 also erstmalig nach Dortmund, um die Gegebenheiten vor Ort kennenzulernen. Die Propsteikirche in der Innenstadt hat mich sehr berührt. Menschen unterschiedlichster Hintergründe kamen dort zusammen. Jemand betete, eine Frau schlief auf der Kirchenbank, ein Mann bettelte.
Da hatte ich das Gefühl schon im Herzen: Es ist gut, wenn jemand da ist und diese Menschen empfängt. Die Idee eines Cityklosters nahm also Gestalt an. Wir stellten die Anfrage der gesamten Gemeinschaft vor, und schnell zeigte sich, dass es Schwestern gab, die Lust auf diese Aufgabe hatten. Besonders eine Schwester, die sich schon lange wünschte, wieder mitten in der Stadt zu leben, war sofort begeistert. Es war wichtig, dass dieser Aufbruch nicht von der Leitung vorgegeben wird, sondern es Schwestern gibt, die dafür brennen. Und besagte Schwester schaut zur Vorbereitung auf ihren Einsatz jetzt schon BVB-Spiele. Dortmund ist sicher ein Kontrast zu unserem Kloster in Bad Saulgau – landschaftlich und kulturell. Aber für uns ist es entscheidend, dort zu sein, wo die Menschen sind. Gemeinschaft zu leben bedeutet nicht, an einem bestimmten Ort zu verharren, sondern offen für Veränderungen zu sein. Der Aufbruch nach Dortmund ist ein Zeichen dafür.
Unser Alltag im Ruhrgebiet wird sich sicher von dem in Bad Saulgau unterscheiden und welche Projekte die Schwestern im Konkreten in Dortmund umsetzen werden, steht noch nicht fest. Aber es gibt erste Inspirationen. Der Klostergarten zum Beispiel ist wunderschön und könnte im Sommer ein neuer Ort der Begegnung, zum Beispiel mit Kindern, werden. Aber wir wollen in erster Linie offen bleiben. Das ist ja das Tolle, dass es keine fertige Stellenbeschreibung gibt, sondern man schauen kann: Was kommt einem von den Menschen entgegen und was brauchen sie? Danach wollen wir unser Angebot richten.
Das Ursprüngliche Franziskanische ist geprägt von der Liebe zum Menschen und zur Schöpfung. Franziskus von Assisi begegnete den Armen und Ausgestoßenen mit Respekt und Nähe. Aber für mich gehört genauso die heilige Klara als starke Frau ihrer Zeit dazu. Sie hat Franziskus zum Vorbild gehabt und wollte so leben wie er, obwohl es Frauen verwehrt blieb wie die Brüder durch Städte und Wälder zu ziehen. Doch die heilige Klara hat für ihre Rechte gekämpft und kann auch heute als Vorbild dienen. Dafür, die eigenen Anliegen zu verfolgen und für das, was einem wichtig ist, einzustehen. Auch das wollen wir nach Dortmund bringen.
Die Rückkehr von Ordensgemeinschaften in die Städte ist ein Zeichen dafür, dass Kirche nicht nur in den Klostermauern stattfindet, sondern mitten im Leben der Menschen. Unser Ziel ist es, Lebenswelten zu verbinden und gegenseitige Bereicherung zu ermöglichen. Aufbruch ist nicht nur eine geografische Veränderung, sondern auch eine innere Haltung: offen zu sein für das, was kommt, und bereit, dort zu wirken, wo wir gebraucht werden. Am 8. März 2025 werden die Schwestern M. Annette Eisele, Maria Schneiderhan und Marilen Arteaga in einer offiziellen Einführung des CityKlosters in Dortmund vorgestellt.
Aufgezeichnet von Simone Saftig
Name: Schwester Marie-Sophie Schindeldecker
Alter: 52
Beruf: Provinzoberin, Sozialpädagogin, Sozialarbeiterin und systemische
Familientherapeutin
Wohnort: Bad Saulgau
In diesem Frühjahr brechen vier Schwestern der Franziskanerinnen von Sießen aus dem idyllischen Bad Saulgau nach Dortmund auf, um in der Propsteigemeinde mitten in der Innenstadt das »CityKloster« zu gründen und den Menschen vor Ort zu begegnen. Die Entscheidung für den Aufbruch ihrer Schwestern ins Ruhrgebiet hat ihre Provinzoberin Schwester Marie-Sophie Schindeldecker getroffen.