Das wissen vor allem die Buchhändler*innen im Land. Dieses Mal Uli Ormanns, der, wie seine Agnes-Buchhandlung, tief im Kölner Veedel verwurzelt ist. Genauso tief taucht in die Bücherwelt ein, wer den Laden betritt: In hellen Holzregalen warten links vom Eingang gleich die Klassiker, rechts Kinder- und Jugendbücher. »Die Literatur nimmt einen großen Raum ein«, sagt der gelernte Buchhändler, der Wert auf unabhängige Verlage in seinem Sortiment legt. Allerdings gibt es hier wirklich nur Bücher – und ein paar Postkarten – da ist Ormanns Purist. Ganz anders als sein Vater Rolf, dessen üppiges »Papelito«-Geschäft auf der Zülpicher Straße voll kostbarer Kleinigkeiten steckte – auch aus Papier. Und der seinen Kindern hunderte illustrierte Geschichten vor ihre Zimmertüren legte, wenn er zu viel arbeitete und sie zu wenig sah. Sie sind in der Agnes-Buchhandlung auch nach seinem Tod noch zu entdecken – im Schaufenster. Auch Uli Ormanns Mutter Regine war Buchhändlerin, von ihr übernahm er den Laden 2001, der schon vier Mal beim Deutschen Buchhandlungspreis prämiert wurde, zuletzt 2021 als eine der fünf besonders herausragenden Geschäfte in Deutschland. Sieben angestellte Buchhändler*innen und Auszubildende beraten hier, das sind viele für die kleine Größe des Ladens: »Wir sind sehr an den Gesprächen mit den Kunden interessiert«, sagt Uli Ormanns, »wie wahrscheinlich die meisten Läden, aber meistens fehlt ihnen Personal«. Ihm aber sei es wichtig, dass keiner der Angestellten überlastet wird – und dass er auch ein Privatleben führen könne. Neun bis zehn Veranstaltungen organisiert Ormanns, der 2022 Juror beim Deutschen Buchpreis war. Also geht es der Agnes-Buchhandlung wirtschaftlich gut, Herr Ormanns? »Uns geht es so gut, wie es dem Buchhandel gehen kann bei diesen geringen Margen. Ich werde dadurch nicht reich, aber ich werde dadurch glücklich.« VL
Uli Ormanns empfiehlt:
Timon Karl Kaleytas »Heilung«
Ein namenloser Mann um die 40 irrlichtert durch sein Leben. Eigentlich sollte er zufrieden sein. Gut, seine Frau lässt ihn seine eigene Karriere hintanstellen, er ist nur ein Teil des Unternehmens, das sich dem Vertrieb ihrer immer erfolgreicheren Kunst widmet. Er leidet, kann aber nicht benennen, woran. Seine Schlaflosigkeit wird zum Problem und seine Frau organisiert ihm von jetzt auf gleich einen Platz in einem Luxussanatorium in den Dolomiten. Dort gerät er unter die Fittiche einer verführerischen Frau und in den Bann des Direktors, der ihn in sein »inneres Unbehagen« abtauchen lassen möchte. Die Begegnungen und Begebenheiten werden immer grotesker. Nach einer aus dem Gleis laufenden Jagd auf Bären, die das umzäunte Areal des Sanatoriums bedrohen, flieht der Mann. Verängstigt aber voller Hoffnung macht er sich auf zu seinem ehedem besten Freund. Dieser hat zusammen mit seiner Frau einen ökologischen Selbstversorgerhof aufgebaut. Durch die körperliche Arbeit erhofft er sich nun in der wohligen Erinnerungsgemeinschaft mit dem Paar seine Gesundung. Aber sein Körper zeigt ihm, dass ihn sein gefühlfernes Herumwabern nur fehlleitet. Ein skurriler Roman über den spätkapitalistischen Mitteleuropäer, zwischen der Erwartung, dass ihm doch alles zusteht und dem Wunsch nach Einfachheit in dieser verwirrenden Welt.
Timon Karl Kaleyta: »Heilung«, Piper, 208 Seiten, 22 Euro
Am 5. Juni heißt es in der Agnes-Buchhandlung in Köln:
»Flanieren oder die Kunst des langsamen Reisens«. Nach einem Vortrag zum Thema können die Besucher*innen ein Mini-Flanier-Praktikum durch das Agnesviertel absolvieren.