Witten-Niedersprockhövel. Oder irgendwo dazwischen. Ruhrgebietsrand, fast idyllisch; also typisch. Ergrünte Natur und gepflegtes Fachwerk stehen im Kontrast zur rauschenden A43 und den Zweckbauten der mittelständischen Industrie. Das »Hammertal« hat seinen Namen nicht von ungefähr, überall findet man Spuren der industriellen Vergangenheit. Straßen und Bushaltestellen heißen hier »An der Pfannenschmiede« oder »Schmiedebach«. In dieser Umgebung entwirft und baut Uwe Feller (35) mit seinem Team futuristische wie umweltfreundliche Speedboote aus Glasfaser, die auch in anderen europäischen Ländern für Aufmerksamkeit sorgen.
»Feller Yachting« ist im ältesten Haus des Tals zu finden, das – wie sollte es auch anders sein – früher als Schmiede genutzt wurde. Aus dem offenen Rolltor dröhnt Heavy Metal; im dahinter liegenden Teil der Werkstatt, der Schreinerei, hängen kleine Bootmodelle aus Schaumstoff von der Decke. Uwe Feller macht erstmal Kaffee. In seinem kleinen Büro stapeln sich Papiere, an den Wänden hängen Skizzen und Designstudien, außerdem findet sich die gerahmte Autogrammkarte der erfolgreichsten deutschen Schlagersängerin: »Herzlichst, Andrea Berg«. Die Atmosphäre: freundlich, offen, angenehm unaufgeregt. Feller ist Diplom-Designer und gelernter Bootsbauer; ein klassischer Ausbildungsberuf. Zudem hat er am britischen »Lowestoft Boatbuilding College« sein Handwerk gelernt und in Köln Industriedesign studiert. Bereits während des Studiums geht er den Professoren mit seinen Boot-Ideen auf die Nerven. Sie raten ihm lieber zu Möbeln. Konsequenterweise besteht dann seine Diplomarbeit aus dem Entwurf eines Bootsrumpfes, der dem Design seiner jetzigen »dymax power«-Boote bereits stark ähnelt.
Eines davon, das »dymax_power 8.50 hybrid«, steht aufgebockt vor der Werkstatt und bildet einen interessanten Kontrast zu den Bierwagen, die auf dem Gelände den Winter verbracht haben und von kommenden Stadtfesten träumen. Das Boot ist Fellers momentanes Flaggschiff und beeindruckt durch Form und Größe. 8,50 Meter lang und 2,60 Meter breit, in der charakteristischen, scharfen Keilform, die alle Modelle der Serie aufweisen und die durch den extrem schmalen Bug über außergewöhnliche hydrodynamische Eigenschaften verfügt. Es ist das größte »dymax« der Reihe, mit Kajüte und ausgelegt für eine Crew von maximal acht Personen. »dymax_power 5.45« und »dymax_voltage 5.45« sind mit einer Länge von 5,45 Metern kleiner und für weniger Personen ausgelegt; das erste Modell ist ein klassischer Zweisitzer. Alle eint das Material sowie die Bauart, die traditionelles Handwerk mit modernen Verbundstoffen kombiniert. Holz, Schaum, Epoxid-Harz und Glasfaserverbundwerkstoffe werden zu den komplexen Formen verpresst, um eine leichte und gleichzeitig stabile Bootskonstruktion zu erreichen. Man habe sich das »im Prinzip wie bei einem Formel-Eins-Auto« vorzustellen, erklärt Feller. Das sogenannte »Deck-Layout«, also die Anordnung der Sitze und Steuerelemente, kann nach Kundenwunsch gestaltet werden, aber naturgemäß wird hier mit edlen Materialien gearbeitet.
Der Feststellung, dass das »dymax_power 8.50 hybrid« nicht nur an futuristische Star Wars-Raumgleiter erinnert, sondern auch an die verwinkelten Stealth-Flugzeuge der Amerikaner, entgegnet Feller mit einem Lächeln und kontert: »Es gibt hier einen Kollegen, der auch dauernd fragt, wann wir denn endlich das Maschinengewehr auf den Bug montieren.« Dazu wird es nicht kommen, Feller wuchtet die Heckklappe auf, und zeigt einen Motor, der dafür verantwortlich ist, dass man mit dem Boot nicht nur mit 40 Knoten (ca. 75 km/h) über das Wasser heizen kann, sondern dabei auch nicht die Umwelt belastet. Es sind eigentlich vier Motoren, die der 35-Jährige verbaut hat. Zwei Elektromotoren für die leise Navigation, etwa um morgens aus dem Hafen fahren zu können, ohne die schlafenden Besitzer der Nachbarboote zu wecken. Die Hauptmotoren sind für die Geschwindigkeitsfahrt gedacht, verbrennen aber kein Benzin, sondern das Wasserstoff-Methanol-Gemisch »Formula Clean«, dessen einzige Emission wiederum Wasser ist. Feller arbeitet dafür mit der Schweizer Firma »Silicon Fire« zusammen, die den Kraftstoff aus Kohlenwasserstoff, CO2 und Solarstrom herstellt und praktischerweise am Vierwaldstättersee beheimatet ist, an dessen Ufer drei »dymax_power 5.45« für Testfahrten stationiert sind. In Zukunft werden es sieben Boote sein, die im Dienste der Wissenschaft stehen. Die TU München forscht hier, und auch die Schweizer Regierung hat die Zeichen der Zeit erkannt und unterstützt die Entwicklung von Methanol-Antrieben.
Es gibt aber auch private Interessenten für das »dymax_power 8.50 hybrid«, das vor der Wittener Werkstatt auf seinen Einsatz wartet – für einen Kaufpreis von 200.000 Euro kann man damit die Gewässer unsicher machen. Jedenfalls da, wo es erlaubt ist. Auf der Ruhr nicht, auch der Kemnader Stausee ist gesperrt für solche Boote. Feller nutzt für seine Testfahrten freigegebene Gewässer wie den Baldeneysee oder den Rhein, dessen »raues Wasser« er schätzt. Zudem findet in diesem Frühjahr die »dymax_tour 2011« statt, die ihn mit seinen Booten nicht nur auf den Baldeneysee und den Vierwaldstättersee führt, sondern auch auf den Garda- und Bodensee, das niederländische Ijsselmeer und die Nordsee.
In der Wittener Werkstatt wartet indes viel Arbeit in Sachen Boots-konstruktion. Für das »dymax_power 8.50 hybrid« kann man schon ein halbes Jahr Bauzeit rechnen, und so sind es vornehmlich die Wintermonate, in denen gebaut wird; schließlich möchten die Kunden ihr Boot am Saisonstart im Frühjahr startklar wissen. Und wenn Uwe Feller mal wieder richtig Zeit hat, möchte er wieder Möbel entwerfen. Die gibt es momentan nur auf Anfrage oder im Rahmen von Inneneinrichtungskonzepten, an denen er mitarbeitet, etwa für ein Loft in Münster oder eine Wohnung in Berlin. Feller schwebt aber, was das Material für Möbel angeht, Ungewöhnliches vor: »Wie man ein Boot baut, so kann man auch Möbel bauen!« Man merkt ihm an, wie es ihm in den Fingern juckt, damit zu experimentieren und Einrichtungsgegenstände oder ganze Räume aus Glasfaserverbundstoff zu formen. Im Sanitärbereich gibt es so etwas bereits, als fugenlose Badezimmer aus einem Guss, wie sie 1972 im Münchener Olympischen Dorf verbaut wurden. Nicht direkt neu, aber anders. Damit hat Uwe Feller bereits Erfahrung. Denn auch der Methanolantrieb ist eigentlich nichts Neues und wurde schon in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts in Duisburg erfunden – für die Flugzeugindustrie.