INTERVIEW: ULRICH DEUTER
Die Kulturministerin ist auch im zweiten Kabinett Kraft dieselbe: Ute Schäfer. Ebenso wenig hat sich am Zuschnitt ihres Hauses geändert, es verwaltet weiterhin zusätzlich Familie, Jugend, Kinder und Sport. Aus Schäfers erster, durch die Neuwahlen auf zwei Jahre verkürzten Amtszeit ragen vor allem zwei strukturelle Neuerungen heraus: erstens die Theater- und Orchesterkonferenz, in der die für die am meisten gefährdeten Kulturinstitutionen Verantwortlichen sich regelmäßig austauschen. Die Runde verwaltet auch die zusätzlichen 4,5 Millionen Euro, die Schäfer den Bühnen jährlich gewährt, und könnte der Keim sein für künftige Kooperationen ganz neuer Art. Sowie zweitens die Regionalkonferenzen als Vorbereitung einer gesetzlichen Neuregelung der Kultur-Etats der Städte – etwas was viele seit Jahrzehnten händeringend fordern.
Auch wenn die 1954 im ostwestfälischen Lage geborene SPD-Politikerin im Gespräch immer dann besonders aufzuleuchten scheint, wenn es um Bildungsfragen geht, lässt sie sich ihren Schneid im Einsatz für die Kultur im Land nicht abkaufen – entweder sie ist eine ausgezeichnete Darstellerin (was wenig zu ihrem ansonsten uneitlen Auftreten passen würde), oder sie empfindet wirklich tiefen Respekt und Verantwortung für die Kunst.
Deutlich wird, wie stark auch eine Landesministerin ins Geflecht aus Parteiinteressen und eifersüchtig gehüteten Ebenenzuständigkeiten eingebunden ist: Kritik an kommunalem Kulturbanausentum, das sich in der letzter Zeit häufte, ist im Grunde tabu und höchstens hinter verschlossenen Türen möglich, die vielen großen Städte in NRW sind eine mächtige Lobby.
Für einen Journalisten gehört ein Interview mit Ute Schäfer zu den angenehmeren Übungen: Sie kann zuhören und hält keine Vorträge, statt zu antworten. Nur einmal wird sie beinah schroff: bei der letzten Frage, die ihr gestellt wird.
K.WEST: Frau Ministerin, Politiker stellen für gewöhnlich gern ihre Erfolge heraus, lassen Sie mich zur Abwechslung mal fragen: Was ist Ihnen in Ihrer ersten Amtsperiode als Kulturministerin nicht zufriedenstellend gelungen?
SCHÄFER: Ehrlich gesagt, finde ich, dass wir in Sachen Kunst und Kultur ein paar Dinge sehr schön nach vorn gebracht haben! Eins muss ich allerdings doch nennen: Die geplante Ausweitung des Projekts JeKI – »Jedem Kind ein Instrument« – auf ganz Nordrhein-Westfalen konnte uns leider nicht gelingen. Als wir es von der Vorgängerregierung übernahmen, stellte sich nämlich heraus, dass von den angeblich vorhandenen 11 Millionen Euro Sponsorengeldern lediglich 500.000 Euro da waren. Deshalb war die Ausweitung unmöglich.
K.WEST: Unser Grundproblem in NRW ist: Die Städte sind verantwortlich für die Kultur, haben aber das Geld nicht mehr. Der »Kommunale Stärkungspakt« ließ daher auch hier Hoffnung schöpfen. Doch nun erweist sich die Wohltat als Danaergeschenk: Voraussetzung zur Teilnahme ist nämlich, dass die Städte einen Sanierungsplan erstellen. Und der kürzt dann gern dort, wo es am einfachsten ist: bei den freiwilligen Leistungen, der Kultur. Hat da die Kulturministerin bei der Planung des Stärkungspakts nicht aufgepasst?
SCHÄFER: Man kann mit Fug und Recht sagen, dass diese Landesregierung alles unternommen hat, um die Kommunen zu stärken. Mit dem Aktionsplan Kommunalfinanzen haben wir einen hohen dreistelligen Millionenbetrag zusätzlich ausgeschüttet. Die Summe der Mittelzuweisungen an die Kommunen hat mittlerweile den höchsten Stand erreicht, den es je gab. Ich will nichts beschönigen, einige Kommunen sind wirklich in einer prekären Lage. Viele Bürgermeister und Kulturdezernenten haben trotzdem ein großes Interesse daran, ihre kulturellen Angebote zu bewahren. Darüber hinaus stelle ich mal die provokante Frage: Warum muss man immer als erstes auf die freiwilligen Leistungen schauen, wenn es ums Sparen geht? Man kann auch die pflichtigen Aufgaben mal auf Einsparmöglichkeiten hin überprüfen.
K.WEST: Darf ich das so verstehen: Der Stärkungspakt hat keinen Konstruktionsfehler, falsch ist eher die u.U. nicht so ganz kluge Reaktion der Kommunen?
SCHÄFER: Die Frage ist, wie ein Rat sich zu Kunst und Kultur in seiner Stadt verhält. Jemand, der an die Zukunft des Landes und seiner Stadt denkt, darf an Kunst und Kultur nicht sparen. Ich habe selbst elf Jahre lang Kommunalpolitik gemacht und weiß, dass man sich sehr vehement für die Kultur in seiner Stadt einsetzen muss. Man kann das bei Kommunalpolitikern voraussetzen: Wenn sie ihre Stadt liebens- und lebenswert erhalten wollen, dann müssen sie für Kultur und auch für Sport kämpfen.
K.WEST: Voraussetzen heißt: erwarten?
SCHÄFER: Ja.
„Die Frage ist, wie ein Rat sich zu Kunst und Kultur in seiner Stadt verhält. Jemand der an die Zukunft seiner Stadt denkt, darf an Kunst und Kultur nicht sparen.“
K.WEST: Vor zwei Jahren sagten Sie im Interview mit K.WEST: »Im Koalitionsvertrag ist ein Auftrag formuliert zu prüfen, ob nicht ins Gemeindefinanzierungsgesetz so etwas wie eine Kulturpauschale aufgenommen werden kann, als Zweckbindung bestimmter Mittel für die Kultur.« Der Antrag der beiden Regierungsfraktionen nach einem solchen Gesetz ist gut ein Jahr alt. Seitdem hört man davon nicht mehr viel.
SCHÄFER: Inzwischen haben wir fünf Regionalkonferenzen abgehalten, in denen – übrigens erstmals – alle Kulturschaffenden der jeweiligen Region zusammengeholt wurden, um mit ihnen die kulturelle Entwicklung zu debattieren sowie die Möglichkeit eines solches Gesetzes. Das war ein sehr erfolgreicher Aufschlag. Der entsprechende Bericht wird gerade von meinem Haus erstellt. Allerdings lagen in der Zwischenzeit Neuwahlen. Und die haben uns in der Tat ein halbes Jahr Zeit gekostet. Jetzt machen wir da weiter, wo wir aufgehört haben, d.h. wir werden auf der Basis dieser Regionalkonferenzen einen Gesetzentwurf vorbereiten und den ins Parlament einbringen. Ende nächsten Jahres soll das Verfahren abgeschlossen sein.
K.WEST: Sie sind nach wie vor guter Hoffnung, dass die Festschreibung bestimmter Mittel für Kultur die Lösung ist?
SCHÄFER: Auf den Regionalkonferenzen wurde das sehr kontrovers diskutiert. Legt man nämlich eine Kulturpauschale als Zweckbindung fest, kann dies durchaus dazu führen, dass Kommunen, die bisher mehr Geld ausgegeben haben als diesen prozentualen Anteil, ihre Ausgabe für Kultur anschließend herunterfahren. Das Instrument Kulturpauschale ist also zweischneidig und sicherlich kein Allheilmittel.
K.WEST: Kulturschaffende beklagen eine Klimaveränderung: »Kultur kann weg« ist kein Tabu mehr. Die Namen der Städte, wo nach Meinung teils maßgeblicher Leute der finanzielle Engpass etwa durch Theaterschließungen behoben werden sollte, ist lang: Moers, Bonn, Bochum, Duisburg, Wuppertal, zuletzt Münster, wo mehrere Dezernenten die Schließung zweier Sparten vorschlagen. Natürlich hat die Landesregierung keine Kommune zu maßregeln, solange sie sich im rechtlichen Rahmen bewegt. Aber hier geht es ja um Symbolisches – Frau Ministerin, warum stellen Sie sich nicht einmal hin und geben ein starkes Bekenntnis zum Erhalt der kulturellen Vielfalt im Land ab? Wer von den Einsparern sich direkt angesprochen fühlen möchte, kann das ja dann tun.
SCHÄFER: Ein Bekenntnis zum Erhalt der kulturellen Vielfalt in Nordrhein-Westfalen gebe ich bei jedem Kulturtermin ab, den ich mache. Und ich mache viele. Wenn ich mich nicht zu unserer Kulturlandschaft bekennen könnte, wäre ich nicht Kulturministerin geworden und hätte keine Theaterkonferenz mit zusätzlicher Förderzusage des Landes initiiert.
K.WEST: Eine stärkere Führung in der »Klima«-Frage, des Umgangs mit gewachsener Kultur, die würde ich von der Kulturministerin erwarten.
SCHÄFER: Ich beurteile das, was Sie als Klima-Frage bezeichnen, anders. Es gibt nach wie vor unglaublich viel und energische Unterstützung für Kunst und Kultur in den jeweiligen Städten. Wichtig finde ich vielmehr, dass wir aufpassen, dass die Kunst die eigene Kraft und den eigenen Raum behält, die sie in der Vergangenheit gehabt hat. Nur so kann sie Motor einer gesellschaftlichen Entwicklung bleiben.
„Wichtig finde ich, dass wir aufpassen, dass die Kunst die eigene Kraft und den eigenen Raum behält, die sie in der Vergangenheit gehabt hat. Nur so kann sie Motor einer gesellschaftlichen Entwicklung bleiben.“
K.WEST: Das renommierte Moers-Festival stand vor dem Aus, das Land hat es finanziell gerettet – dafür wird NRW im Namen vorkommen. Ist das eine neue Interpretation des NRW-Slogans »Stadt und Land, Hand in Hand«: Das Land und eine Stadt betreiben eine wichtige Kulturinstitution gemeinsam?
SCHÄFER: In diesem Fall sind wir eingesprungen.
K.WEST: Noch mal nachgefragt: Ist das ein Modell für die Zukunft?
SCHÄFER: Das halten wir ja mit vielen Projekten schon so. Es ist wichtig, dass wir uns vergewissern, welche landespolitische Ausrichtung wir im Bereich Kunst und Kultur in NRW haben wollen und wo man tatsächlich verstärkt unterstützt. Das hat ganz viel mit Transparenz in der Kulturförderung zu tun, die mir ein zentrales Anliegen ist.
K.WEST: Sie haben nun volle fünf Jahre Gestaltungszeit. Was möchten Sie am Ende erreicht haben?
SCHÄFER: Erstens möchte ich gern, dass dann Nordrhein-Westfalen Jugendkulturland Nummer eins wird. Ich möchte, dass wir im Bereich der kulturellen Bildung einen Schritt nach vorn machen, dass wir viele junge Menschen begeistern für Kunst und Kultur. Der Kulturrucksack ist da übrigens ein gutes Instrument, inzwischen sind schon 55 Kommunen dabei und pflegen ihre kulturellen Angebote in ein Internetportal ein, in dem man wunderbar nachschauen kann, was für junge Menschen angeboten wird. Das ist der »Kulturkenner« für junge Menschen sozusagen. Zweitens möchte ich, dass das Kulturfördergesetz in Kraft tritt und dadurch auch ein jährlicher Kulturbericht im Landtag erfolgen kann. Ich möchte drittens eine Transparenz in der Kulturförderung erreichen, damit klar ist, wie sind die landespolitischen Rahmenrichtlinien für die Weiterentwicklung von Kunst und Kultur. Dann möchte ich noch mehr zur Förderung von jungen Künstlerinnen und Künstlern tun, das ist mir ein ganz zentrales Anliegen. Fünftens möchte ich, dass wir es schaffen, JeKI weiter zu entwickeln.
K.WEST: Mir fehlt etwas: die Erhöhung des Kulturförderetats!
SCHÄFER: Ich habe am Anfang gesagt, Rot-Grün kürzt nicht in der Kultur. In Zeiten wie diesen, in denen wir im Landeshaushalt drastisch sparen müssen, ist es bereits eine Herausforderung, den Status quo zu halten. Im Übrigen haben wir ja in den letzten zwei Jahren den Etat sogar um 12 Millionen Euro erhöht. Dass das so weitergeht, das Versprechen kann ich nicht geben. Würde ich gern, kann ich aber nicht.