Der Schlaf sei doch »die »köstlichste Erfindung«, hat Heinrich Heine gesagt. Doch am deutschen Arbeitsplatz ist er verpönt. Der Stadtverwaltung im niedersächsischen Vechta jedenfalls schlug Hohn und Spott entgegen, als sie ihre Beamten im Jahr 2000 eine längere Nickerchen-gerecht Mittagspause einräumen wollte. In deutschen Büros wird gefälligst gearbeitet, nicht gedöst. Ist das richtig? Winfried Randerath ist Chefarzt am Krankenhaus Bethanien in Solingen und erster Vorsitzender der Nordrhein-Westfälischen Gesellschaft für Schlafmedizin. Er erklärt, dass Büroschlaf durchaus Vorteile haben kann – unter gewissen Umständen.
kultur.west: Herr Dr. Randerath, wie halten Sie es selbst mit dem Büroschlaf: Haben Sie bei der Arbeit gelegentlich die Möglichkeit, sich aufs Ohr zu legen?
RANDERATH: Nein, das mache ich nicht. Dafür ist mein Arbeitstag einfach zu dicht und voller Aktivitäten.
kultur.west: Ist es denn generell für den Körper sinnvoll, während der Arbeit eine Schlafpause einzulegen?
RANDERATH: Da sind die Meinungen sehr unterschiedlich. Es wurde zum Beispiel bei Pflegekräften untersucht, ob sie davon profitieren, wenn sie während der Nachtschicht kurze Schlafepisoden einlegen. Positiv aufgefallen sind vor allem subjektive Veränderungen, etwa dass sich die Untersuchten erfrischter und fitter fühlt. Es gibt aber nur wenige Untersuchungen und Daten zu objektiven Veränderungen, etwa zu den Fragen, ob man beim Autofahren sicherer ist oder bei der Arbeit weniger Fehler macht. Man muss sich deshalb auf subjektive Faktoren beschränken. Und da gibt es Personen, die davon profitieren, und andere, die keinen Unterschied merken. Das ist eine Typ-Frage.
kultur.west: Im Büro bleibt meistens nur Zeit für ein kurzes Power Napping. Aber das ist gerade sinnvoll, oder?
RANDERATH: Ja, die Zeit ist von großer Bedeutung. Es gibt Untersuchungen, in denen Schlafphasen von zehn und 30 Minuten verglichen wurden. Dabei zeigte sich, dass zehn Minuten Schlaf einen Vorteil gebracht haben: weniger Schläfrigkeit, bessere Erholung, größere Aufmerksamkeit. 30 Minuten Schlaf waren dagegen eher nachteilig, die Müdigkeit nach dem Aufwachen überwog dann die Vorteile. Manche Menschen fühlen sich nach einem längeren Schlaf wie gerädert. Wenn, dann sollte man bei der Arbeit nur kurze Schlafepisoden einlegen und längere vermeiden.
kultur.west: Und wie schläft man dabei am besten – einfach den Kopf auf den Tisch legen?
RANDERATH: Da ist grundsätzlich alles möglich. Den Kopf auf die Arme zu legen, ist durchaus eine denkbare Option. Sich richtig hinzulegen, geht natürlich auch, da ist nur die Gefahr größer, dass man zu lange schläft.
kultur.west: Angenommen, ein langer Arbeitstag steht an und ich möchte kurz schlafen, um für den Rest des Tages fit zu sein, wie komme ich schnell in Schlafstimmung?
RANDERATH: Ein Vorausschlafen würde ich nie empfehlen. Nachgewiesen ist, dass die Schlafqualität vom vorigen Schlaf abhängt. Das heißt: Wenn Sie eine schlechte Nacht hatten, werden Sie danach mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder eine gute haben. Wenn man vorschläft, ist man dagegen danach nicht unbedingt erholter, man nimmt sich im Grunde den Schlafdruck. Das kann dazu führen, dass man in der nächsten Nacht dann weniger erholsam schläft. Ich würde es umgekehrt machen: Wenn Sie eine schlechte Nacht hatten, können Sie überlegen, sich am Tag kurz hinzulegen. Allerdings muss man wissen, dass der Schlaf dann in der nächsten Nacht nicht mehr so hohe Qualität hat.
kultur.west: Gibt es eine Regel, wie viel Schlaf überhaupt gut ist?
RANDERATH: Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, aber es gibt aus großen Untersuchungen Durchschnittswerte. Die Deutschen schlafen im Schnitt etwa sieben Stunden und 20 Minuten. Die Spanne, die man noch als gesund bezeichnen kann, geht etwa von fünf bis neun Stunden. Wenn es auf Dauer darüber oder darunter geht, kann das sogar mit erhöhter Sterblichkeit verbunden sein.