Politisch, kritisch, unbequem – das ist Hans Haacke. Immer wieder prangert der Künstler die wirtschaftlichen Verflechtungen von Kunst, Markt und Museen an. Dafür ist er bekannt und weiterhin hoch geschätzt. Fünfmal wurde er in den vergangenen Jahrzehnten zur Documenta nach Kassel geladen, und 2019 kürte die Zeitschrift Monopol den heute 83-Jährigen gar zum einflussreichsten Künstler des Jahres. Im Museum Abteiberg lernt man den in Köln geborenen und lange schon in New York lebenden Haacke nun von einer etwas anderen Seite kennen. Mit Fotos, Filmen, Katalogen entdeckt eine kleine dokumentarische Ausstellung dort sein ökologisch motiviertes Frühwerk.
Eines der historischen Fotos in den Vitrinen zeigt eine Gruppe gut frisierter Damen in Mantel und Kostüm, die sich 1972 zur Ausstellungseröffnung in Haus Lange einfanden. Ob den wohlsituierten Krefelderinnen gefiel, was Hans Haacke ihnen dort bot? Wahrscheinlich weniger. Der junge Künstler hatte seinen Auftritt ganz dem Thema Umweltverschmutzung gewidmet. Mitten drin hing das »Krefelder Abwasser-Triptychon«, das jetzt auch in der Schau in Mönchengladbach zu sehen ist. Auf Tafeln an der Wand informiert es genauestens über allerlei Abwässer, die ortsansässige Unternehmen ungeklärt in den Rhein leiteten. Im Triptychon flankieren sie ein stark gerastertes Schwarz-Weiß-Foto, auf dem man aashungrige Möwen über den verdreckten Fluss kreisen sieht.
Doch bleibt es nicht bei der Anklage: Mit Wasserflaschen, Pumpen, Schläuchen und einem großen Bassin auf dem Parkettboden führte der Künstler einst in der Krefelder Museums-Villa auch vor, wie man es besser machen könnte. Seine Rheinwasser-Aufbereitungsanlage verwandelte die verschmutzte Flussbrühe zu Wasser, in dem sich Haackes Goldfischlein offensichtlich wieder wohl fühlen konnten – wie die alten Fotos belegen.
Ameisen hinter Plexiglas
Die Ausstellung im Museum Abteiberg dokumentiert viele Beispiele mehr für Haackes frühe Beschäftigung mit Ökosystemen. So befreite der Künstler etwa zehn Schildkröten aus ihrer Gefangenschaft in einer Tierhandlung, um sie zurück in den Kreislauf der Natur zu überführen. Er setzte Ameisen in ein Plexiglasgefäß und verglich ihre nun entstehenden Tunnels mit dem New Yorker Straßennetz. Auch schickte Haacke einmal eine Ziege als lebende Skulptur in den Museumsgarten der Fondation Maeght. Dort ließ er das hungrige Tier fressend das Grün modellieren, um Kunst und Natur als Systeme in Beziehung zu bringen.
In Erinnerung an den Tierfreund, Ökologen, Pazifisten und Ordensgründer Franz von Assisi bezeichnete Haacke diese frühen als seine »Franziskanischen Arbeiten«. Rund ein halbes Jahrhundert alt sind sie nun, aber hoch aktuell, auch weil er hier immer wieder und mit Nachdruck die Trennung von Kultur und Natur hinterfragt. Eine Idee, die damals in der Szene recht ungewöhnlich war, heute dafür aber umso deutlicher ihre Kreise durch die Kunst zieht. Das kann man auch im Museum Abteiberg beobachten, wo ganz aktuell die US-Künstlerin Andrea Bowers mit einer Einzelausstellung zu Gast ist und Themen wie Umweltaktivismus, Ökofeminismus oder Klimagerechtigkeit aufs Tapet bringt.
Während bei Bowers Objekte und Installationen für sich sprechen, kann man Haackes in der Regel einmalige Kunst-Aktionen in Mönchengladbach naturgemäß meist nur mittelbar kennenlernen. Durch Fotos und Materialien, die Kuratorin Ursula Ströbele vom Münchner Zentralinstitut für Kunstgeschichte zum Teil selbst aus Haackes New Yorker Archiv entleihen konnte. Es gibt also keine grün umwucherten Erdhügel und keine gefüllten Aquarien zu bestaunen. Man trifft keine befreiten Schildkröten und auch keine hungrigen Ziegen im Museumsgarten. Dafür findet der Besucher viel zu lesen. Gründlich recherchierte Fakten und fundierte Informationen zu jeder einzelnen Arbeit – natürlich gedruckt auf Recyclingpapier.
»HANS HAACKE – KUNST NATUR POLITIK«, »ANDREA BOWERS – GRIEF AND HOPE«, BIS 25. OKTOBER, TEL.: 02161/252637