Das »phil« im Namen bezieht sich nicht bloß auf Philosoph*innen, die ihre Diagnosen zur Welt abgeben. Auch Historiker*innen, Psycholog*innen oder Schriftsteller*innen kommen bei der zwölften Ausgabe des Festivals zu Wort. Von Kant bis Krisen reicht der thematische Radius der Veranstaltungen, die sich über verschiedene Schauplätze verteilen – darunter die Balloni Hallen, das Comedia Theater, die Kulturkirche, die Stadthalle, das WDR Funkhaus und die Zentralbibliothek.
Das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 und das Pulverfass, auf dem nicht nur Israel und Palästina sitzen, lassen wohl niemanden kalt. So hat der Veranstalter, der Verein zur Förderung der Literatur und der Philosophie, aus gutem Grund eine Eröffnungsveranstaltung ins Programm genommen, die den Nahen Osten in den Blickpunkt rückt. In der Flora erörtern der israelische Soziologe Natan Sznaider und der Schriftsteller Navid Kermani das uralte Menschheitsthema »Krieg und Frieden«. Mit dem Gedankenaustausch der beiden Freunde wird ein engagierter E-Mailwechsel fortgesetzt, der soeben in Buchform unter dem Titel »Israel. Eine Korrespondenz« erschienen ist (11.6., 17 Uhr).
Wird es in der heillos zerrissenen Region jemals Frieden geben? Eine Frage, auf die keiner eine verbindliche Antwort geben kann, weil die Zukunft wider Erwarten vielleicht doch besser wird als die verheerende Gegenwart. Diesen, zumindest potenziell optimistischen Standpunkt vertreten die Zukunftsforscherin Florence Gaub und der Sozialpsychologe Harald Welzer in ihrem »Gespräch über die Möglichkeit positiver Erzählungen« (17.6., 20 Uhr, Balloni Hallen).
Politik im Fokus
Auch Robert Menasse gehört zu jenen, die über den Tellerrand der Gegenwart hinausblicken. »Die Welt von morgen«, so hat der österreichische Schriftsteller seinen neuen Essay genannt. Ein Plädoyer für ein vereintes Europa (13.6., 21 Uhr, WDR Funkhaus). Keine Überraschung, dass Richard David Precht, der in den Medien omnipräsente Denker und Publizist, ebenfalls zur Phalanx der Propheten gehört. Weil der Klimawandel alle Menschen gleichermaßen betreffe, könne sich niemand, der bei klarem Verstand ist, der Rettung der Menschheit verweigern. Precht sieht deshalb – möglicherweise – ein Zeitalter der Toleranz heraufziehen (17.6., 20 Uhr, Flora Köln).
Wie der aktuelle Krieg gegen die Hamas den Blick auf Israel verändert hat, darüber spricht bei der phil.cologne der ehemalige israelische Botschafter Avi Primor, anknüpfend an sein neues Buch »Bedrohtes Israel« (11.6., 20 Uhr, Stadthalle Köln). Um das Damoklesschwert, das seit Jahrzehnten über den Menschen im Nahen Osten schwebt, geht es auch in einem Vortrag der französisch-israelischen Soziologin Eva Illouz – nach dem 7. Oktober hat sie sich mit heftiger Kritik an der Regierung Netanjahu positioniert (12.6., 21 Uhr, WDR Funkhaus).
Politik gibt also den Ton an beim größten Philosophie-Festival Deutschlands. Demgegenüber treten klassische Aspekte der Philosophie zurück. Doch es gibt sie. Immanuel Kant, dessen 300. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird, spielt auch bei der phil.cologne eine bedeutsame Rolle. Der Schriftsteller Daniel Kehlmann und der Philosoph Omri Boehm machen den Erfinder des kategorischen Imperativs kurzerhand zum Zeitgenossen. Bei ihrem Auftritt, betitelt »Der bestirnte Himmel über mir« (16.6., 20 Uhr, WDR-Funkhaus), befassen sich Kehlmann und Boehm mit der Frage, wie ein Philosoph, der 1724 geboren wurde, unser Denken im Jahr 2024 maßgeblich beeinflussen kann. Keine Überraschung: Auch heute hat uns Kant viel zu sagen – nicht nur über Vernunft und Aufklärung, Freiheit, Kunst und Gerechtigkeit, sondern auch über Rassismus und Kolonialismus.
phil.Colonge. Internationales Philosophiefest, Köln
11. bis 18. Juni