Sie ist sich sicher: Irgendwo da draußen existiert intelligentes Leben. Mit einer selbstgebauten Antennen-Skulptur tourt Mona Schulzek deshalb durch Europa und funkt die Botschaften ihres Publikums in den Kosmos. Dafür hat die Künstlerin sogar ein eigenes Alphabet kreiert.
Sie erinnert ein wenig an ein Insekt – mit ihren dünnen langen Beinen, die den runden Körper tragen. Doch ist es eine Parabolantenne, die Mona Schulzek entworfen und konstruiert hat. Unlängst zur Eröffnung der Grand Snail Tour sah man die junge Künstlerin mit diesem geheimnisvollen »Outer Space Transmitter« auf dem Marktplatz in Xanten. Auch in Zukunft will Schulzek immer wieder einmal bei der Tour auftreten und Besucher*innen einladen, Botschaften ins All zu senden. Wer einen Fake vermutet, liegt falsch. Die Antennen-Skulptur ist voll funktionsfähig, und die 1992 in Moers geborene, vor kurzem nach Berlin gezogene Künstlerin hat eigens eine Ausbildung zur Funkerin absolviert – die noch dazu für ganz Europa gilt. So konnte sie in den letzten Jahren nicht nur von Xanten, Köln, Düsseldorf, Recklinghausen, Neuss oder Berlin sondern auch von Krakau, Krems und Alicante aus funken.
Weiter geht es demnächst mit der Grand Snail Tour nach Datteln. Die Revier-Reise der Urbanen Künste Ruhr bietet ihr ideale Bedingungen, das Projekt fortzuführen. Auch weil Mona Schulzek sich im öffentlichen Raum besonders wohlfühlt, »an Orten, zu denen Menschen aus sämtlichen Bereichen Zugang haben, partizipieren können, Teil des Projekts werden«. Sie glaube fest daran, dass Kunst die Realität mitgestalten könne, fügt sie mit Nachdruck hinzu. An diesem Tag trifft man die große, schlanke Künstlerin mit dem streng zurückgebundenen Haar ohne ihre Antenne. Nicht auf dem Marktplatz, sondern im Café der Düsseldorfer Kunsthalle sitzt sie, während im Parkhaus darunter ihre neueste Arbeit trocknet – ein schwarzer Schriftzug, den Schulzek kurz zuvor frisch mit der Farbrolle an die Garagenwand gebracht hat.

Erst einmal interessiert die Parabolantenne. »Soll ich einfach mal erzählen?«, fragt sie und legt auch gleich los. Es geht um mögliches fremdes Leben im All und um die Golden Records – Datenplatten mit Bild- und Ton-Informationen, die von der NASA 1977 mit Raumsonden verschickt wurden. Es geht um Kommunikation mit vermuteten Außerirdischen und um die universelle Sprache der Kunst, die dabei helfen könnte – Mona Schulzek hat deshalb ein eigenes Alphabet erfunden.
Da kommt einiges zusammen an Gedanken, Ideen, an astronomischen und auch philosophischen Überlegungen. Sie finden sich immer wieder in ihrem Schaffen, das an der Schnittstelle von Kunst und Naturwissenschaft ganz eigene Wege geht. Einige Beispiele hatte die Künstlerin letztes Jahr in der Kunsthalle Recklinghausen präsentiert, wo sie kurz nach dem Studium an der Düsseldorfer Akademie bereits den Kunstpreis »junger westen« bekam und bei der zugehörigen Ausstellung unter anderem mit einer durchdringenden Klangskulptur beeindruckte: Zwei gewaltige Orgelpfeifen ließen die obere Etage des Ausstellungshauses vibrieren durch ihren ultratiefen Ton, der sich bis in die Magengrube brummte. »16 Herz – das ist so tief, dass wir es kaum mehr auditiv wahrnehmen können«, erklärt Schulzek. In der Kirchenmusik spreche man vom Demutston, weil er Demut empfinden lasse.
Hört man genauer hin, geht es bei Mona Schulzek immer wieder um dieses Gefühl der menschlichen Begrenztheit. Ob sie nun über Töne spricht, die zu tief für unsere Ohren sind oder über Radiowellen, die niemand sieht und die länger als unsere Erde im All existieren werden. Es gebe unendliche viele Dingen, die sich unserer Wahrnehmung entziehen – auch im inneren der Erde, in den Tiefen der Meere. »Wir nehmen nur einen ganz kleinen Ausschnitt der eigentlichen Welt und des Kosmos wahr«, bemerkt die Künstlerin. Und wundert sich, dass unser Ego trotz der Trivialität unserer Existenz eine so wichtige Rolle spielt. Vielleicht, so überlegt sie, würde uns ja die Begegnung mit Außerirdischen in ein Zeitalter der Demut führen. Mona Schulzek ist jedenfalls fest davon überzeugt, dass irgendwo da draußen intelligentes Leben existiert, sie bezweifelt allerdings, dass man je Kontakt aufnehmen kann. Allein schon, weil die Nachrichten wahrscheinlich unendlich lang unterwegs wären und wir uns rein zeitlich verpassen würden.
Kein Grund, es nicht wenigstens zu versuchen. Und zuzuhören, denn interessant sind sie allemal jene Botschaften, die Schulzeks »Outer Space Transmitter« zugetragen werden. Was möchten die Menschen den fremden Wesen mitteilen? »Das ist ja eine superspannende Frage, weil es da um Meinungen, um Haltungen geht, die sich in der Regel von der eigenen Person und ihren Bedürfnissen im Hier und Jetzt entfernen.« Häufig, so die Künstlerin, würden Wünsche formuliert, Friedens- oder Genesungswünsche. Auch Philosophisches komme vor. »Habt ihr noch ein Ego, und wenn nein, wieso nicht?«, zitiert die Künstlerin einen der ins All gefunkten Sätze, der zu ihren persönlichen Highlights zähle.
Unten im Parkhaus mit Blick auf Schulzeks neueste Arbeit ließe sich die Frage nach dem Ego weiter erörtern. In großen schwarzen Lettern ist da ein Zitat aus der Bibel an die Wand geschrieben: »Machet Euch die Erde Untertan.« Ein Satz, der heute gern als Freibrief für die Ausbeutung der Natur verstanden wird. Die ursprüngliche Bedeutung sei aber, so Schulzek, eine andere: »Wir sollten die Erde pflegen, wie ein Gärtner seinen Garten.« Das alles beherrschende Ego müssten wir dann also hintanstellen.
Mona Schulzek macht bei der Grand Snail Tour am 10. April in Datteln Halt.