Manchmal kann das süße Teenager-Dasein schneller vorbei sein, als man es sich wünscht. Lange war der junge Louis XIV. einfach durch die Welt getanzt, doch am 7. Juni 1654 begann für ihn der Ernst des Lebens. An jenem Tag wurde er in der Kathedrale zu Reims zum König von Frankreich gekrönt – in einer Zeremonie, die, dem Anlass entsprechend, natürlich teuer und prächtig ausfiel. Auch die Musik kam bei der mehrstündigen Feier nicht zu kurz. Zwar weiß man nicht mehr ganz genau, was da gesungen und gespielt wurde. Immerhin aber konnte der französische Barockdirigent Sébastien Daucé zusammen mit den Musikwissenschaftlern vom Centre de musique baroque de Versailles die gesungenen Texte, die beteiligten Musiker und damit den musikalischen Ablauf nachzeichnen.
Daraus ist ein musikhistorisches Spektakel entstanden, bei dem nicht nur royalistisch tickende Zeitgenossen Gänsehaut bekommen dürften: Gleich zu Beginn des Kölner Originalklang-Festivals FELIX! präsentiert Daucé zusammen mit seinem Ensemble Correspondances »Die Krönung Louis XIV.« als fulminante Raumklang-Inszenierung. Dafür verwandelt die Spanierin Rosabel Huguet, die mit Regisseuren und Choreografen wie Romeo Castellucci und Sasha Waltz zusammengearbeitet hat, die Philharmonie in eine weltliche Klangkathedrale.
Seit vielen Jahren sorgt das Musikerteam um Sébastien Daucé mit solchen Rekonstruktionen gerade der französischen Barockmusikgeschichte für Aufsehen. So wurde etwa das nicht weniger aufwendige Projekt »Ballet Royal de la Nuit« regelrecht mit Schallplattenpreisen überschüttet. Nun also eröffnen diese aus der Gourmethochburg Lyon stammenden Trüffelschweine der Alte Musik-Szene die vierte Ausgabe des fast einwöchigen FELIX!-Festivals.
Diesmal wurde Kölns Generalmusikdirektor Franҫois-Xavier Roth eingeladen, das prallgefüllte Programm zu kuratieren. Entsprechend frankofon ist denn auch die Gästeliste ausgefallen. Die Barockgeigerin Amandine Beyer widmet sich mit ihrem Ensemble Gli Incogniti dem aus Hochsavoyen stammenden Geiger Georg Muffat, und unter der Leitung des Flötisten Franҫois Lazarevitch laden die Musiciens de Saint-Julian mit »The Queen´s Delight« zu einer unterhaltsamen Stippvisite in England ein. Der russische Hammerflügel-Spezialist Alexander Melnikov spielt sich in der Lisztschen Klavierfassung der »Symphonie fantastique« von Hector Berlioz in einen Klangfarbenrausch. Und gleich mehrfach zu erleben ist Franҫois-Xavier Roth mit seinem Originalklang-Orchester Les Siècles.
Mal spannt man den Bogen von Rameau bis Ravel. Mal stemmt man an einem Abend gleich alle drei berühmten Strawinsky-Ballette – »Feuervogel«, »Petrouschka« und das »Frühlingsopfer« – auf Instrumenten ihrer Entstehungszeit. Unter den vielen Konzerten, mit denen FELIX! nicht nur die Philharmonie bespielt, sticht aber eines ganz besonders heraus: Cantus Cölln und sein Gründer Konrad Junghänel verabschieden sich nach 35 Jahren von der Konzertbühne mit den Motetten von Bach. Ein letztes Mal wird man dabei in den Genuss eines einzigartigen Ensembleklangs kommen.
FELIX!, 16. bis 21. August, www.felix-originalklang.koeln