Von Barock bis Wagner – das Kölner Originalklang-Festival »Fel!x« widmet sich Sagen, Mythen und der Musiknation England.
An Weltwundern ist die Musikgeschichte nicht gerade arm. Doch sie ist zweifelsohne eine der spektakulärsten Kathedralen der Vokalmusik – die 40-stimmige Motette »Spem in alium«. 1573 setzte sich der Engländer Thomas Tallis an dieses Werk, das mit seinen acht Chören à fünf Stimmen einen atemberaubend dreidimensionalen Raumklang garantiert. Im Rahmen des Kölner Originalklang-Festivals »Fel!x« ist »Spem in alium« aber nun in einer Fassung für lediglich zwei Sänger zu erleben – auch dank modernster Live-Elektronik. Der Countertenor Terry Wey und der Bassist Ufried Stabner singen dabei nacheinander jede der 40 Stimmen, die gleichzeitig aufgenommen und über den Sound-Regisseur Markus Wallner jeder weiteren Stimme zugespielt werden. Über mehrere Stunden türmt sich so diese riesige Klangarchitektur langsam Stimme für Stimme auf – bis um Mitternacht in der Kirche St. Mariä Himmelfahrt dieses Mirakel der Renaissancemusik vollständig erklingt.
Aufführungspraktisch gehen Terry Wey und der Bassist Ufried Stabner als Duo »Multiple Voices« da einen neuen Weg und ermöglichen völlig neue Hörperspektiven auf eine Musik, die genau 450 Jahre alt ist und trotzdem zeitlos modern wirkt. Tallis’ epochale Partitur ist aber eben nur eines von vielen Highlights, bei denen im August nicht nur die Fans von Alter Musik mit der Zunge schnalzen. Immerhin schlägt man bei Fel!x wieder den Klang-Bogen über viele Jahrhunderte und damit auch vom Barock bis in die Hochromantik eines Richard Wagner.
Mit einer konzertanten Aufführung des »Rheingold« passt man thematisch perfekt zum diesjährigen Festivalmotto »Sagen, Mythen und Legenden«. Zugleich markiert der Abend mit Dirigent Kent Nagano und einem Allstar-Sängerensemble den Neuanfang eines Mammutprojekts, das 2018 unter dem Titel »Wagner-Lesarten« gestartet wurde. Doch wegen fehlender Finanzen erlahmte der Elan, Wagners »Ring des Nibelungen« im Klang des 19. Jahrhunderts aufzuführen. Jetzt aber wird die Reset-Taste gedrückt. Dank einer Zwei-Millionen-Euro-Spritze seitens des Bundes soll der historische »Ring« in Zusammenarbeit mit den Dresdner Festspielen endlich Kontur annehmen. Den Startschuss gibt es bei »Fel!x« – mit eben Nagano sowie dem Concerto Köln und dem Dresdner Festspielorchester.
Nach dem Frankreich-Schwerpunkt im vergangenen Jahr steht zudem die englische Musiknation im Mittelpunkt. So gibt es gleich zu Beginn des Festivals die sogenannte »Semi-Opera« »Psyche« des Engländers Matthew Locke; gespielt vom tollen Team Ensemble Correspondances unter Sébastien Daucé und unter anderem mit der einzigartigen Altistin Lucile Richardot. Leicht und luftig geht es hingegen beim Konzert mit Liedern und Tänzen aus der Shakespeare-Zeit zu (mit Sopranistin Hannah Morrison und dem Hathor Consort). Zwischendurch tun sich mit Jake Arditti, Xavier Sabata sowie Terry Wey drei erlesene Counter für das Dramatische Divertimento »La lotta d’Hercole von Acheloo« zusammen, mit dem der Italiener Agostino Stefffani 1689 den Kurfürsten von Hannover wohl prächtig unterhalten haben muss.
Bevor das Freiburger Barockorchester das Festival-Finale auch mit Beethovens Ballettmusik »Die Geschöpfe des Prometheus« bestreitet, kommt man zuvor in den Genuss von Queen Emma I.! Damit kann natürlich nur die englische Sopranistin Emma Kirkby gemeint sein – die Mutter aller Alte-Musik-Sängerinnen!
»Fel!x«
15. bis 20. August
Philharmonie und weitere Spielorte in Kölnfelix-originalklang.koeln