TEXT: SASCHA WESTPHAL
Ein Abend der Extreme. Aber das gilt auch schon für Brechts Stück, die frühe Komödie von 1926, die er in den 1930er Jahren selbst noch einmal überarbeitet und um die letzten beiden Szenen gekürzt hat. In der ersten Fassung stehen Klamauk und Weltkriegsschrecken, hölzerne Parolen und absurder Wortwitz, Antimilitarismus und Zoten unvermittelt nebeneinander. Ein schwieriges Gemisch, das Philipp Preuss noch explosiver macht. In seiner Inszenierung wird gefoltert und gekalauert, bewusst herumgealbert und dann wieder poetisch gespielt. Sein »Mann ist Mann«, das auch »Frau ist Frau« oder gleich »Mensch ist Mensch« heißen könnte, ist alles in einem: Groteske und Traumspiel, Revue und Lehrstück.
Eigentlich wollte der gutmütige irische Packer Galy Gay nur einen Fisch zum Abendessen kaufen. Aber er kann nicht Nein sagen. Also wird Galy von drei britischen Soldaten in eine Affäre gezogen, aus der es kein Entkommen mehr gibt. Eine Maschinerie verschluckt den friedfertigen Arbeiter und spuckt ihn als Kampfmaschine aus. Aber das ist nichts Besonderes, schließlich gilt auch hier: Mann ist Mann. In Moers müsste es angesichts der technischen wie gesellschaftlichen Entwicklungen seither allerdings heißen: Frau ist Mann. In einer Zeit, in der sich das Virtuelle vor das Reale schiebt, funktioniert das Konzept von Identität nach anderen Regeln. Also wird Galy Gay von Marieke Kregel verkörpert. Ein angeklebter Schnurrbart, aufgemalte Bartstoppeln und ein in Stressmomenten verstärkt auftretender Sprachfehler reichen der Schauspielerin, um sich die Identität des Packers anzueignen. Jeder kann jeder sein, jeder zu jeder Zeit sein Leben und Ich über Bord werfen. Die Darstellerin schält sich in einer mitreißenden Performance aus der unliebsamen Hülle des Packers heraus und geht auf in der Masse des Militärs. An diesem Verschwinden kann das Publikum dank des Bühnenbilds und der Kostüme von Ramallah Aubrecht live teilhaben. Ihre Tarnanzüge lassen die Schauspieler im Raum aufgehen. Aus dem Lehrstück über die Verwandlung eines Menschen wird eine Groteske über das Verschwinden im Schwarm.