TEXT SASCHA WESTPHAL
Stella Goldschlag ist eine Träumerin. Sie sehnt sich nach Amerika, nach dem Broadway und nach Hollywood. Ein Star will sie werden und glaubt zugleich, schon längst einer zu sein. Aber der 1922 geborenen Jüdin bleibt im Berlin des Zweiten Weltkriegs nur der eine gelbe Stern, den ihr die Nazis aufzwingen. Den lehnt sie ebenso ab wie ihre Wurzeln. Also schließt Stella einen Deal mit der Gestapo. Um ihre Eltern und ihren Mann zu retten, arbeitet sie mit dem Regime zusammen. Als »Greiferin« spürt sie versteckt lebende Juden auf. Manche verrät sie, andere übergibt sie direkt der Gestapo.
Die Geschichte der Stella Goldschlag, die nach dem Krieg mehrfach für ihre Kollaboration mit der Vernichtungsmaschinerie verurteilt wurde, ist eine deutsche Tragödie. Doch nennen der Komponist Wolfgang Böhmer und der Autor Peter Lund ihr an der Neuköllner Oper uraufgeführtes Musical ein »Singspiel«. Burleskes und Erschreckendes, Traum und Albtraum vermischen sich in »Stella – Das blonde Gespenst vom Kurfürstendamm« wie auch unterschiedliche musikalische Formen und Stile. Die klassischen Schemata von Gut und Böse, Opfer und Täter gehen in dem Musical, mit dem am 10. März im Festivalzelt im Mercatorviertel die 38. Duisburger Akzente eröffnen, nicht auf.
»Stella« ist zwar nicht Teil des im Rahmen der Akzente stattfindenden Theatertreffens, fügt sich aber perfekt in dessen Programm ein. »Umbrüche«, das diesjährige Motto, verweist auf unruhige Zeiten, in denen sich Gewissheiten, Hoffnungen und Träume verflüchtigen. Stella, die Verräterin, die trotz allem auch eine Verratene war, könnte durchaus Erbin der Revolutionäre aus Heiner Müllers Polit-Endspiel »Der Auftrag« (12. März) sein. Drei Männer sollen im Auftrag des französischen Nationalkonvents auf Jamaika einen Sklavenaufstand entfachen. Die Zeitläufe überholen sie. Die Revolution findet nicht statt. In Tom Kühnels und Jürgen Kuttners Inszenierung (Koproduktion der Ruhrfestspiele mit dem Schauspiel Hannover) kommt der Text größenteils vom Band. Die Schauspieler, darunter eine fabelhafte Corinna Harfouch als Verräter Debuisson und als »Mann im Fahrstuhl«, agieren stumm zu dem Mitschnitt einer Lesung von 1980, bei der Müller sein Stück selbst vorgetragen hat. So kreieren sie ihre eigenen »Erinnerungen an eine Revolution«.
Phasen des Umbruchs sind immer auch Phasen der Gewalt und Zerstörung – dies setzt gegenwärtig kaum ein Regisseur derart gnadenlos hellsichtig wie Michael Thalheimer in Szene. Für seine am Schauspiel Frankfurt entstandene »Penthesilea« (18. & 19. März) hat er eine extrem konzentrierte Fassung von Kleists Tragödie erschaffen. Außer Constanze Beckers Penthesilea und Felix Rechs Achill tritt nur noch eine Botin (Josefin Platt) auf. Die Liebe zwischen dem Krieger und der Amazonen-Königin wird zum tödlichen Kampf um Macht. Sie lieben sich, können sich aber wechselseitig nicht unterordnen. Bleibt nur der Tod.
Außerdem gastieren in Duisburg noch das Wiener Burgtheater mit Andrea Breths Inszenierung von John Hopkins’ Thriller »Diese Geschichte von Ihnen« (24. & 25. März), das Deutsche Theater Berlin mit Lot Vekemans »Gift. Eine Ehegeschichte« (21. März), in dem ein Paar (Dagmar Manzel, Ulrich Matthes) seinem Leben und dem früh verstorbenen Kind nachtrauert; sowie das Münchner Volkstheater mit Christian Stückls überraschend leichtfüßiger Inszenierung von Lessings »Nathan der Weise« (14. & 15. März).