TEXT: SASCHA WESTPHAL
Es beginnt wie im Kino. Ein kleiner, neckisch-verspielter Anima-tionsfilm, projiziert auf den Vorhang: Lichter wie funkelnde Sterne, ein großes Taschentuch, zwei Liebende, die im Taumel der Gefühle tanzen, der Titel »Othello«, aus dem selbstverständlich »Othello & Desdemona« wird. Ein Vorspann wie bei großen Hollywood-Produktionen der 50er und 60er Jahre. Pathos, Emotion und ein wenig Komik, im Stil der Titelsequenzen von James Bond und Pink Panther.
David Bösch, der unverzagte Melodramatiker, geht wie bei seinem »Sommernachtstraum« aufs Ganze, auf die überlebensgroßen Gefühle und die ewig jugendliche Poesie des Pop. »Othello (& Desdemona)« als stürmische Tragödie einer nach den Sternen greifenden Liebe, von der Xenia Snagowski als Emilia zweimal ein hübsch improvisiert wirkendes Liedchen zur Ukulele singen darf: »Vergesst Romeo und Julia!« Liebe und Hass können jeden in einen Teenager rückverwandeln, gerade einen in Kriegsdingen so erfahrenen und in Herzensangelegenheit so unbedarften Feldherrn wie Othello.
Einen düsteren Weltuntergangsraum hat Falko Herold auf die Bochumer Bühne gezaubert. Vielleicht eine alte, von der Zeit wie vom Krieg gezeichnete Fabrikhalle. Ort der zeitlosen Zerstörung, aber auch ein wundervoll romantischer Spielplatz für Frischverliebte. Wie Matthias Redlhammers Othello, ein müder Kämpfer, den der Sturm der Gefühle noch mal Fünfzehn sein lässt, und Friederike Bechts auf ihren Gefühlen gleichsam schwebende Desdemona von ihren ersten Begegnungen und vom Aufblühen ihrer Liebe erzählen, ist zauberhaft. Die Unschuld und Wahrhaftigkeit des Paars bringen den schwarzen Raum für Momente zum Leuchten und den unentwegten Zersetzer und Zerstörer Jago auf den Plan. Wie die Liebenden ist er, der nichts lieben kann, nicht einmal sich selbst, bei Bösch ein nie erwachsen gewordener Jugendlicher. Nur hat Jago, den Felix Rech in einen farb- wie leidenschaftslosen Nihilisten verwandelt, nicht Othellos und Desdemonas Flair. So schiebt sich ein Intrigenspiel, das eher an Schulhofränke als an eine finstere Teufelei erinnert, vor die Liebestragödie und dämpft ihre emotionale Wucht.
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