Herbert Brandl spielt mit der Malerei auf jene steierische Weise, die verlockend, sinnlich und abstoßend schön ist. Man staunt angesichts seiner großen Landschaftsbilder, sucht auf ihnen nach Himmel und Erde und entdeckt doch nur Farbmaterie. Spontan und emotional ist seine Kunst, voller Höhen und Tiefen, fast ohne Effekte hingesetzt. Als er 1994 erstmals in Krefeld seine Bilder zeigte, war man fasziniert von einer lässigen Wildheit, in der er Tradition und Gegenwart zusammenführte. Man meinte Natur zu sehen und hatte doch »nur« abstrahierende Farben vor sich. Inzwischen Akademieprofessor in Düsseldorf, vertritt der 48-Jährige derzeit Österreich auf der Biennale in Venedig – und amüsiert und irritiert die Besucher, indem er mit Denk- und Sehgewohnheiten jongliert.
Seit zwei Jahren lehrt er an der Eiskellerstraße in Düsseldorf, zunächst skeptisch gegenüber dieser Tätigkeit. Die Klasse war zusammengewürfelt, das Niveau eher laienhaft. Damals sagte Brandl, dass er angenommen habe, niemals in die Akademie zurückzukehren. »Ich habe immer ein bissel Angst gehabt, dass es zu sehr in meine Arbeit eingreift und sie schwächer werden könnte.« Nachdem er einige Eleven überzeugen konnte, abzugehen oder etwas anderes zu tun, hat seine Klasse dann an Gewicht gewonnen. Nun gesteht Brandl zu, dass ihn »der Dialog mit jungen Künstlern inspiriert« und dass es ihm wichtig sei, dass sie sich auch hier wohlfühlen und »nicht mit leeren Händen weggehen«.
In Venedig führt er auf bravouröse Weise seine Arbeitsmethode vor, es lässt sich beobachten, mit welcher Ironie er vorgeht. Studenten seiner Klasse und Stipendiaten des Kunstvereins schauten sich auf der Biennale um und teilen die allgemeine Brandl-Begeisterung. Der Weg zum österreichischen Pavillon führt an grasbewachsenem Weg vorbei zu einem zweifachen Portal, das der Architekt Josef Hoffmann 1934 als Entree in den Skulpturenhof des Gebäudes gestellt hat. Da Wien und seine Kuratoren in den letzten 25 Jahren sehr wenig von der Malerei des eigenen Landes hielten, wurden die Räume am Ende der Giardini zumeist Bildhauern und Installationskünstlern vorbehalten. Brandl hat der Chef der Hamburger Kunsthalle, Robert Fleck, ausgewählt, der sich in der Malerei der Avantgarde auskennt. Brandl ließ Wände versetzen, die offenen Räume durch weiße Textilflächen vor der Sonne schützen und einen hellgrauen Boden einziehen, um die Wand- und Bilderfarben besser zur Geltung zu bringen: Verwandlung in einen Tempel der Malerei.
Schon von weitem erahnt man eine üppige Landschaft mit grünen, blauen und gelben Streifen. Die Farben reflektieren den Rasen vor dem Haus, den Himmel und die Sonne. Das Panorama erscheint als Souverän, dem der Besucher sich langsamen Schrittes nähert, das Herrscher-Subjekt immer vor Augen. Die scheinbar spontan bewältigte Monumentalität des Riesenformats ist grandios, die malerische Geste wirkt überwältigend. Doch Brandl ist nicht der Typ des Malerfürsten, wie ihn sein Kollege und Rektor Markus Lüpertz darstellt. Er setzt sich ab von solchen Gesten und Selbstgewissheiten. Er habe Ablehnung für sein Werk geerntet. Es hieß in Venedig, dass da einer bloß ein Bild in die Natur hänge – zudem auch noch eine Wiesenlandschaft. Sein Grün ist freilich kein italienisches Lokalkolorit, Brandl serviert ein feuriges Chromoxydgrün, das so schräg, artifiziell und stark ist, als wolle es gegen jede vermeintliche Gegenständlichkeit ankämpfen. Der Künstler weiß aber auch, dass es vor dem Licht am Canal Grande nicht bestehen kann. »Das Bild wird Schaden nehmen, die Sonne die Farben in ihre einzelnen Bestandteile zerlegen.« Das tragische Ende lässt sich vorausbestimmen. Benutzt der Maler seine Kunst an diesem Ort gar als Manifest? Oder inszeniert er vielmehr eine Art von Lichtspieltheater? Der Schalk in ihm erwacht sofort: »Ein Freilichtkino, wo man mit dem Auto zu meinem Bild hinein fahren kann, das hätte ich gern.« Die Werke des Kunst-Professors haben normalerweise keinen Titel, bis auf eines. Es heißt »Morgenröte«. Eigentlich sei es eher ein Sonnenuntergang, sagt er. »Ich habe ein Foto von einer Klippe aufs Meer geschossen, auf Lanzarote.« Irgendwann im Winter sei ihm die Fotografie wieder eingefallen. Ein Kunstwerk war nicht beabsichtigt – bei einem so kitschig-schönen Motiv, das andere nehmen, um damit meinetwegen ihre Hausbar zu dekorieren. Brandl hat seinen Sonnenauf- und -untergang in einem Rutsch erzeugt, ohne Vorzeichnung, Strich für Strich mit einer breiten Bürste. Er arbeite »in der Erinnerung an eigene Fotos und entdecke sie wieder in der Malerei«. Seine Landschaftsmalerei geht auf abstrakte Prinzipien zurück. Die Stimmung wird durch die Kraft der Farben erzeugt, die wie ein Sturm über die Leinwand fegen.
Der Mann, der die meiste Zeit in Wien lebt, will mit seinen Bildern auch Vorbehalte im eigenen Land ausräumen und »Komplexe angesichts der Malerei« abbauen, dass sie zu provinziell und altmodisch sei. »Österreich hat vielleicht den Glauben, nicht an der Spitze der Zeit zu sein.« Eine zeitlang schuf Brandl Bergbilder und attackierte indirekt die Touristikindustrie der idyllischen Alpenrepublik. »Der Berg ist durch den Nationalsozialismus ein sehr heikles Thema geworden. Solche Klischees faszinieren mich natürlich.« Vor sieben, acht Jahren entstanden die ersten dieser Bergbilder, auf die Freunde im Atelier verschreckt reagiert hätten: »Jetzt ist es endgültig aus mit dir. Du kannst gleich aufhören.« In Deutschland war man weniger heikel, da lobte man die Ansichten und sah in ihrem Erzeuger den typisch österreichischen Bergsteiger. Brandl interessiert aber nicht so sehr, »den Berg als Realität zu nehmen«. Das Bild des Berges will er haben. Die Vorstellung, die sich in seinem Kopf speichert.
Herbert Brandl ist wichtig in einer Zeit, die weniger an die Farben als an die Theorie der Farben glaubt. Wichtig für Düsseldorf, wo eine Epoche zu Ende geht, nach Jörg Immendorffs Tod und der anstehenden Pensionierung von Markus Lüpertz Ende 2008. Wie es bei ihm mit einem Bild anfange, fragten wir ihn vor zwei Jahren zum Auftakt seiner Lehrtätigkeit in Düsseldorf. Seine Antwort summiert Brandls Haltung: »Ich habe im Kopf nichts. Ich stelle mich vor die Leinwand und versuche in diesem Moment nur, die richtige Farbe zu finden. Ich bin konzeptlos, will ins Ungewisse gehen. Ich mag die Spannung, etwas zu tun, ohne zu wissen, was ich tue. Der offene Ausgang, der Prozess, der da stattfindet, ist wichtig. Man findet sich dann neu.« //