// Katarina Ismailova ist eine Gefangene. Zunächst stehen die engen, mit Teppich behängten Wände des quadratischen Raums für ihre dumpfe Ehehaft, dann wird der stickige Ort zum Liebesnest der Ehebrecherin, zuletzt hockt die Verurteilte in einer elend nackten Zelle. Um dieses letzte Gefängnis herum herrscht tiefe Nacht auf der Bühne, in den vorherigen drei Akten umgibt die Titelfigur der Schostakowitsch-Oper ein mit Flachbildschirmen ausgestattetes Großraumbüro in einem tristen Gewerbegebiet. Es könnte im Putin-Land oder sonst irgendwo liegen, denn mit Lokalkolorit hält Dmitri Tcherniakov sich nicht auf. Dabei gilt der junge russische Regie-Shootingstar (und Bühnenbildner) als Spezialist fürs sperrige heimische Fach, auf das er bislang außerhalb seines Landes auch festgelegt wurde. In zeit- und ortloser Gegenwart lässt er im Duisburger Haus der Rheinoper die drastische Sex-, Gewalt- und Alkoholorgie der »Lady Macbeth von Mzensk« spielen, ohne zu beschönigen und zu begütigen. Den von Schostakowitsch plastisch auskomponierten Liebesakt zwischen Katarina und Sergej blendet er optisch elegant aus: Statt das lustvoll verkeilte Paar zu zeigen, rotiert zuckend die Deckenlampe.
Die Geschichte verwahrloster Menschen inmitten einer brutalisierten Gesellschaft erzählt Tcherniakov klar und in einleuchtend beklemmenden Bilder, die Dumpfheit, Verstörung und Verzweiflung bezeichnen. Etwa, wenn Katarina, nachdem sie für den Mord an Schwiegervater und Gatten verurteilt wurde, im Zuchthaus erleben muss, wie Sergej (John Uhlenhopp) ihre Zellengenossin vernascht und sie sich im Waschbecken zu ertränken versucht. Morenike Fadayomi gibt der russischen »Lady« eindringliche Glaubwürdigkeit, auch wenn ihr kostbar timbrierter Sopran leicht verschleiert und angestrengt klingt.
John Fiore dirigiert, als gelte es das Leben. Wo andere gnädig den Weichzeichner bemühen, setzt er auf Schärfe und ungebremste Wucht. Die Duisburger Philharmoniker, schwer mit Schlagwerk und Blech bewaffnet, brauen sich sogartig zusammen, um sich nahezu enthemmt zu entladen. Die Lautstärke sprengt da häufig die empfohlenen Grenzwerte. Gewiss werden hier und da Nuancen geopfert, doch das vulgär Grimassierende, krähend Parodierende der kühnen Musik bricht sich so elementar Bahn. // REM